Mallorca Zeitung

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Kunst aus Flaschendeckeln: Wie die Engländerin Kay Newton auf Mallorca auf das Plastikproblem aufmerksam macht

Über 11.000 Feuerzeuge, Wattestäbchen und andere Teile hat sie gemeinsam mit Aktivisten auf der Insel gesammelt. Eine Ausstellung zeigt nun ihre Objekte

Kay Newton am Strand in der Colònia de Sant Pere. FOTO: PRIVAT

Lollipopbunt, wie Andy Warhols Kunst, sehen sie aus, die Werke von Kay Newton. Aus der Distanz von ein, zwei Metern wirkt die pinkfarbene Collage mit dem roten Herz wie eine kitschige Requisite aus dem neuen „Barbie“-Film. Der gelbe Fisch mit grünen und blauen Schuppen würde ein Bad in einem Hostel schmücken. Das in eine weiße Welle hineingaloppierende Pferd mit dem Holzrahmen könnte gut in eine Finca passen. Wer verstehen will, was hinter Kay Newtons Arbeit steckt, die unschuldig, fast naiv wirkt, muss ihr und den selbst gebastelten Quadraten näher kommen.

Wie viele Wochen sie sich in der sengenden Sonne nach den einzelnen Teilen bücken musste, weiß Kay Newton nicht mehr genau. „Kinder frage ich oft, ob sie wissen, wo die Flaschen sind, zu denen diese Deckel gehört haben. Die Vorstellung, dass sie von Wassermassen kleingemahlen und von Fischen gegessen wurden, weil ihre Wände viel dünner waren als die Deckel, finden viele gruselig“, sagt sie.

Objekt aus Feuerzeugen, die am Strand lagen. PRIVAT

Kay Newton ist 61 Jahre alt und kommt aus Hull in Großbritannien. Sie hat einen Blog und mehrere Ratgeber geschrieben, etwa darüber, wie Umweltbewusste ihr Zuhause mit natürlichen Mitteln putzen, wie Eltern erwachsener Kinder das Empty-Nest-Syndrom überwinden und wie Gestresste ihr Leben entschleunigen können. Dass sie mit ihrer respektvollen, ruhigen Art auch als Coach erfolgreich ist, kann man sich gut vorstellen. Im Moment ist Kay Newton allerdings hauptsächlich Aktivistin.

Sammeln in der Pandemie

2021 hat sie die Gruppe Colònia Neta (sauberes Colònia) gegründet. 11.067 Plastikteile sammelte die Gruppe in einem Jahr, von September 2021 bis September 2022, vor Kay Newtons Haustür, am Strand von Sa Platjeta, der nur 420 Quadratmeter groß ist. Das Aktivistische passt gut zu ihr, denn obwohl Kay Newton eine höfliche Frau mit sanfter Stimme ist, kann sie hartnäckig sein, wenn sie sich etwas vorgenommen hat. Schon als sie jung war, schlummerte eine Rebellin in ihr.

Die Gruppe Colònia Neta wurde von Kay Newton (4. v. li.) und der Spanierin Marilena Genovard (2. v. li.) gegründet. FOTO: PRIVAT

Nach einem Studium der Sozialwissenschaften arbeitete sie in einem Geschäft für Babyartikel. „Ich hatte eine furchtbare Chefin und hasste meinen Job“, sagt sie. Darum entschloss sie sich, von den kreideweißen, steilen Felsküsten von Yorkshire aus weit weg zu segeln. „Ein Kapitän suchte zufällig Matrosen, also heuerte ich bei ihm an“, sagt sie.

Familiengründung auf Mallorca

Vor 37 Jahren landete Kay Newton auf den Balearen. „Wir legten am Hafen von Andratx an. Die Häuser sahen aus der Ferne aus wie weiße Tupfer.“ Kay Newton begann, Villen zu reinigen, „mit allen Chemikalien, die es gab“, erzählt sie. „Ich bekam Asthma. Reinigungsmittel werden bis heute in Plastikgefäße gefüllt. Das wäre mit Nachfüllpackungen leicht vermeidbar“, sagt Kay Newton – und die netten Lachfältchen verschwinden kurz aus ihrem Gesicht, wie immer, wenn sie sich über etwas Dummes ärgert. In ihrem nächsten Job inspizierte sie Neubauten und lernte ihren Mann kennen, einen Ingenieur aus Südafrika. Sie bekamen zwei Söhne und zogen auf eine Finca.

Auf dem 1 1.000 Quadratmeter großen Grundstück hielten sie Hunde, Hühner, Katzen und ernteten Obst. „Zwei Drittel der Fläche durfte ein Schäfer nutzen. Wir bekamen dafür jedes Jahr an Ostern ein Lamm“, sagt Kay Newton. „Als unsere Kinder älter wurden, wollten sie woanders studieren. Mein Mann hatte ein Jobangebot in Sansibar und sagte zu.“ Nach vier Jahren zog das Paar wieder nach Mallorca. Die Füße hochzulegen, kam nicht infrage.

Meeresschutz statt Segelboot

2019 wollte Kay Newton Crewmitglied des Schiffs „eXXpedtion“ werden, das weltweit auf das Plastikproblem aufmerksam macht – dann kam die Pandemie, aus dem Plan wurde nichts. Darum beschloss sie, mit Colònia Neta ein Alternativprojekt ins Leben zu rufen.

Auf ihrer Terrasse steht eine Kiste mit Plastikeimern, Rechen, Schaufeln, Bällen. Eltern haben die Spielsachen am Strand gelassen. „Manche glauben, andere Kinder könnten damit spielen, aber wenn die Flut kommt, spülen die Wellen das Spielzeug ins Meer“, sagt Kay Newton. Auch Kurioses, etwa ein Didgeridoo, einen Buddha und einen Gong hat sie im Sand entdeckt. „Letzte Woche habe ich ein Shirt eines Jungen gefunden, ein paar Meter weiter seine Shorts, danach seinen Hut. „Mit meiner Freundin habe ich gescherzt und gesagt: Hat seine Mutter nicht gemerkt, dass der arme Junge splitterfasernackt nach Hause gelaufen ist?“

Kay Newtons Objekte erinnern an Pop-Art. PRIVAT

Das Plastikverbot kam zu spät

Am 20. März 2021 trat auf den Balearen ein Anti-Plastik-Gesetz in Kraft. Seit dem 3. Juli 2021 sind Einmalbesteck, Einkaufstüten oder Ketchup- und Mayonnaisetütchen aus Plastik in allen Ländern der Europäischen Union verboten. „Dennoch finden wir Eislöffel aus Plastik“, sagt Kay Newton. Manchmal trägt der Wind Sand ab, alter Dreck kommt zum Vorschein. „Es gibt aber leider immer noch Eisdielen, die Plastik benutzen“, sagt Kay Newton. Sanktioniert werde das auf der Insel kaum.

Mit einer Dokumentation der Fundstücke ging sie zu lokalen Behörden. Sie versucht, Druck aufzubauen. Colònia Neta kooperiert auch mit Organisationen wie Save the Med und Greenpeace. Das habe mehr Gewicht, meint sie. „Sonnenschirmkegel sind aus Plastik. Zieht man die Schirme raus, bleiben die Dinger stecken. Sie müssten aus Holz gemacht werden“, sagt Kay Newton. Darauf will sie hinwirken.

Auf der Finca Son Barrina in Inca sind ihre Objekte vom 3. bis 24. September von 18 bis 21 Uhr zu sehen. An Restaurants verkauft sie Werke, um Besitzer und Gäste zu Nachdenken zu bewegen. „Einheimische sind achtsamer als Investoren“, sagt sie. Warum sie, trotz des ernsten Themas, frohe Farben mag? „Wären meine Arbeiten düster, würden die Menschen wegsehen – genau das ist lange genug passiert."

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