Mallorca Zeitung

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Privatkonzert als Auftakt: Deutscher Residententreff auf Mallorca unter neuer Leitung

Nach dem Tod von Insel-Urgestein Günter Stalter hat Brunhild Seeler-Herzog die Organisation des Residententreffs der evangelischen Gemeinde übernommen. Die Nachfolgerin machte für die Besucher dank guter Kontakte einiges möglich

Nach dem Tod von Insel-Urgestein Günter Stalter hat Brunhild Seeler-Herzog (re.) die Organisation des Residententreffs der evangelischen Gemeinde übernommen. Nele Bendgens

Die Mittagssonne taucht die Gassen des historischen Altstadtviertels Calatrava mitten im mallorquinischen Altweibersommer in warmes Licht. Mit jedem Schritt in Richtung Plaça Sant Jeroni verdichtet sich das Gemurmel zu erkennbaren Wortfetzen. Um die Ecke wird plötzlich eine Gruppe Passanten sichtbar, die sich auf dem Platz vor dem bekannten Brunnen in Palma versammelt. Sie sind schick und farbenfroh gekleidet. Einige scheinen sich zu kennen, sprechen über den Gesundheitszustand und vorherige Treffen. Einige sitzen im Schatten der Wohnhäuser auf einem Fenstersims. Ein paar Mallorquiner, die wohl gerade auf dem Weg zum Büro oder zum Café sind, beobachten die Szenerie verwundert.

Über die Jahre sind Freundschaften entstanden

Die Gruppe vergrößert sich. In die Mitte tritt zaghaft, aber selbstbewussten Schrittes eine freundlich lächelnde Frau mit Krückstöcken, die dank eines auf einer Argentinien-Reise gebrochenen Fußes sofort bemitleidende Worte erntet. Nichtsdestotrotz: Brunhild Seeler-Herzog lässt sich nicht abhalten, den heutigen deutschsprachigen Residententreff anzuführen. Seit 1986 lebt die studierte Übersetzerin und Autorin auf Mallorca, dank einer balearischen Lizenz darf sie hier als Reiseleiterin den Titel „Guía oficial“ führen. Beste Voraussetzungen, um den 40 erschienenen Personen Einblicke zu geben, die man nicht alltäglich bekommt. Residenten, Besucher und Inselfreunde verschiedenen Alters sind das, erstmals dabei oder auch schon über Jahrzehnte wiederkehrend.

„Ich möchte betonen, dass wir für alle Interessenten offen sind, unabhängig von kirchlichem Glauben oder Residentenstatus“, sagt die Organisatorin, die auch schon auf Tahiti lebte. Auch wenn die Füße gerade ein neuralgischer Punkt sind: In diesem Jahr ist Seeler-Herzog in sehr große Fußstapfen getreten. Bekannt gemacht hat den Residententreff der im Januar im Alter von 84 Jahren verstorbene ehemalige Reiseleiter Günter Stalter. „Er hat mit Herz, guten Beziehungen und vielen Ideen den Residententreff geprägt“, erzählt die ebenfalls anwesende amtierende Inselpfarrerin Martje Mechels. Die Führungen seien 1990 von ihrem Vor-Vorgänger Heiner Süßelbeck als eine Initiative der evangelischen Kirchengemeinde entstanden, um Deutschen außerhalb ihrer Gemeinschaft Kultur und Leben der Mallorquiner näherzubringen.

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Deutscher Residententreff auf Tour durch Palma Nele Bendgens

Bundesverdienstkreuz für die Initiative

Stalter habe den Treff mit seiner Persönlichkeit geprägt wie kein anderer, heißt es in der Gruppe. Der Brückenbauer zwischen Deutschland und Mallorca war 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. „Das halbe Leben besteht aus Beziehungen“, sagte Stalter mal in einem MZ-Interview.

Die hat seine weit gereiste Nachfolgerin, die selbst ein Jahrzehnt Teilnehmerin der Treffen war, definitiv auch – und verspricht der Gruppe in der Ankündigung, man müsse gar nicht ins British Museum nach London reisen, um Exponate wie die Folgenden zu sehen. Es reicht der Aufstieg in die obere Etage der ersten Station, dem eher weniger bekannten Bibelmuseum nahe der Plaça Sant Jeroni, gegründet vor mehr als einhundert Jahren von Bischof Campins, der auch Auftraggeber für Umbauarbeiten an Palmas Kathedrale war.

Auf einem Raum, der kaum die Größe einer Zweizimmerwohnung hat, sind erstaunliche 750 Original-Exponate ausgestellt. Unerwartetes Highlight ist eine ägyptische Mumie, die vermutlich auf dem Weg nach Großbritannien ihre Endstation in Palma fand, wie Seeler-Herzog andeutet. Museumsführer Gabriel Fullana Ferrer erklärt leidenschaftlich von Vitrine zu Vitrine. Zu sehen sind auch eine Tora, 8.000 Jahre alte Keramiken, 4.000 Jahre alte Papyrusfragmente und eine Kopie der ältesten Bibelübersetzung aus dem Jahr 350. Die Teilnehmer lernen, dass eine Stadt aus archäologischer Sicht zwingend eine Mauer haben muss, was am Beispiel der ersten Stadt, Jericho, demonstriert wird.

Zugang zu einem nicht öffentlichen Kloster

Während die Impressionen noch nachwirken, macht sich die Gruppe unter munterem Erzählen auf den Weg zum nächsten exklusiven Programmpunkt. Mittlerweile sind auch neue Kontakte entstanden, man tauscht sich über die Herkunft und das Inselleben aus und findet Parallelen. Einige Teilnehmer loben die detaillierte und wortgewandte Erzählweise der Führerin, die simultan die spanischen Ausführungen der heutigen Experten ins Deutsche übersetzt. Am Kloster Sant Jeroni angekommen, betritt die Gruppe den Kirchenraum mit seinem üppigen Doppelschiff in Rot und Gold. Brunhild Seeler-Herzog nimmt einen Posten an der Kanzel ein und teilt ihre Informationen über das Mikrofon mit der Gruppe. Um das Kloster herrscht seit mittlerweile acht Jahren ein gerichtlicher Eigentumsstreit. Sie konnten anhand zahlreicher historischer Dokumente nachweisen, dass sie dieses Gebäude neben dem Baluard del Príncep seit dem 15. Jahrhundert bewohnen, pflegen und sogar sanieren. Seit 1485 werde es von ihnen genutzt. In der Amtszeit von Erzbischof Javier Salinas (2012 bis 2016) sollte es allerdings auf das Erzbistum Mallorca eingetragen werden. Man folgte damit einer Verordnung, dass alle Klöster der Insel Eigentum der Kirche seien. Erst im Sommer 2022 hat eine Richterin in Palma zugunsten der Nonnen entschieden, acht Jahre nachdem die Nonnen ins Kloster Sant Bartomeu nach Inca zogen.

Orgelkonzert und Einblick in das Leben der Nonnen

Dann folgt ein weiteres Highlight: Nur für die Teilnehmer erklingt heute ein Konzert auf der historischen Bosch-Orgel. Dafür haben sich Organist Tomeu Seguí Campins und Sopranistin Pilar Rosselló extra Zeit genommen. Die Mallorquinerin singt auch das deutsche Lied "Bist du bei mir" von Johann Sebastian Bach, der Organist spielt Werke von Georg Friedrich Händel und die gregorianische Hymne "Adoro te devoto". Draußen im Klostergarten wird deutlich, dass die Nonnen hier bis 2014 wie in einer Art Dorf lebten, selbstversorgt durch den Garten, nebst Wohnhäusern, Bibliothek und Krankenstation. Das Kloster ist Eigentum der Nonnen und nicht des Bistums, auch in anderen Punkten haben sich die Ordensschwestern Veränderungen erkämpft, etwa bei privaten Bestattungen. „Die Nonnen waren immer ein bisschen rebellisch“, erzählt Seeler-Herzog unter Gelächter der Gruppe.

Traditionell schließen die Treffen mit einem Mittagessen ab, das heute im Traditionslokal Can Joan de S’Aigo bei Coca, Cava und Anekdoten zum Erbe von Günter Stalter stattfindet. Seeler-Herzog: „Erfahrungen werden vielfältiger, wenn man sie mit jemandem teilen kann.“ Der perfekte Schlusssatz einer würdigen Nachfolgerin.

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