Mallorca Zeitung

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Sie essen auf Mallorca gerne fangfrischen Fisch? Hier wird er versteigert

Jeden Morgen konkurrieren in der Lonja in Palma Fischhändler und Restaurants um den besten Fang des Tages. Seit 40 Jahren mittendrin: Esperanza Garcías

Esperanza Garcías auf der Tribüne der Fischhandelsbörse. Die Hummer interessieren ihre Kundschaft weniger. Marlene Weyerer

Esperanza Garcías braucht die Anzeige im Zentrum der Fischhandelsbörse eigentlich gar nicht. Die 63-Jährige erkennt auch so bereits von Weitem, welche Fischart in einer Plastikwanne auf sie zugerollt kommt. Und sie erkennt mit dem bloßen Auge die Qualität. „Dieses Boot hat normalerweise gute Ware, aber der Fang gefällt mir heute nicht“, sagt sie dann beispielsweise. Bevor die Wanne über das Fließband, das mitten durch die Halle führt, bis zur Kamera gerollt ist, weiß sie schon, ob sie zuschlagen will.

Morgendliches Treiben auf dem Fischmarkt

Es ist kurz vor 5 Uhr, draußen ist es noch dunkel, kaum ein Auto ist in Palma unterwegs. Trotzdem sind in der Lonja seit 4.30 Uhr alle hellwach. In dem lang gezogenen Gebäude direkt am Hafen von Palma landet ein Großteil des Fisches, der rund um die Insel gefangen wird. Und davon will nicht nur Esperanza Garcías die besten Exemplare für ihren Stand im Markt Pere Garau kaufen. Um sie herum stehen und sitzen auf einer beidseitigen Tribüne die Fischhändler aus den Märkten von Palma und andernorts auf der Insel. Dazu Restaurantbesitzer, Lieferanten, Zwischenhändler, Supermarktzulieferer.

Sie alle blicken gespannt auf das Laufband, telefonieren zum Teil mit Geschäftspartnern, entscheiden innerhalb von Sekunden, was heute gekauft wird. Die konzentrierte Stille wird nur unterbrochen, als Esperanza Garcías für ein Foto posiert. „Guapa!“, rufen vor allem die Herren aus den oberen Reihen. Garcías lacht und verdreht ein wenig die Augen. Man kennt sich schließlich seit Jahrzehnten.

In einer Halle wird der in der Nacht angelieferte Fisch gelagert, bevor es zur Versteigerung geht. Marlene Weyerer

Preise im freien Fall

Sobald ein Fischkorb bis nach vorne gerollt ist und auf den Bildschirmen ein vergrößertes Bild zu sehen ist, beginnt die Auktion. Absteigend, nicht aufsteigend, wie sonst bei Auktionen. Die Lonja legt einen Preis fest, der wie auch der Name des Kutters auf einer Tafel angezeigt wird. Dann beginnt der Preis nach und nach zu sinken. Die Männer und Frauen auf der Tribüne haben alle eine Fernbedienung mit rotem Knopf. Wer einen Fischkorb haben will, versucht als Erster, den Knopf zu drücken.

Bei manchen Wannen dauert es nur Zehntelsekunden, bis sie vergeben sind. Immer wieder zieht Esperanza Garcías den Kürzeren, weil sie zwar abdrückt, aber andere schneller waren. Bei anderen Körben sinkt der Preis erst einmal beträchtlich, bis jemand sich dafür entscheidet. „Das könnte heute ein langer Tag werden“, sagt Esperanza Garcías und schaut auf den Vorraum. Dort stapeln sich die weißen und blauen Wannen, Mitarbeiter schieben die Türme durch den Raum.

Der Weg vom Meer vor Mallorca auf die Teller beginnt am Vortag der Versteigerung. Die Fischer der Insel sind normalerweise von 5 bis 17 Uhr auf dem Meer. Abends sortieren sie ihren Fang und hinterlassen ihn abgewogen in ihrem jeweiligen Heimathafen. Dort holen ihn Mitarbeiter der Fischhandelsbörse ab. In Palma kommen die Wannen dann in einen Kühlraum.

Die Marktfrau hatte an diesem Morgen schon eine große Auswahl erwartet. „Ich schaue immer über eine App, wie viele Boote unterwegs sind“, erklärt sie. Am Vorabend waren es viele, wie der Blick auf das Handy zeigt. „Wenn das Meer am Tag davor unruhig war, sind wir nach 30 Minuten fertig, an anderen Tagen dauert die Versteigerung drei Stunden“, sagt Esperanza Garcías. Von dem Angebot hängt auch der Preis ab. Je weniger Fisch es gibt, desto höher setzt die Lonja den Ausgangspreis fest und desto mehr sind die Händler bereit zu zahlen. Heute sind die Preise daher vergleichsweise günstig.

Wetten auf die dicken Fische

In der ersten Stunde bietet Esperanza Garcías kaum mit. Sie beobachtet den Fisch, unterhält sich mit ihrer Sitznachbarin María und geht zwischendurch eine rauchen. „Oft sinken die Preise gegen Ende der Versteigerung, weil viele dann schon mit ihrem Einkauf fertig sind“, sagt sie. Es bestehe aber auch die Gefahr, dass am Ende nur noch Fische kommen, die sie nicht interessieren – „das lässt sich nicht vorhersagen“. Jeder Tag in der Lonja sei anders. Und wenn das eine weiß, dann sie. Garcías arbeitet als Fischverkäuferin, seit sie 17 Jahre alt ist. Erst half sie bei ihren Eltern aus, mit Anfang 20 kaufte sie sich ihren eigenen Stand. Seit über 40 Jahren sitzt sie fast täglich in der Lonja.

Es ist fast 6 Uhr, Esperanza Garcías hat bisher nur zwei Körbe mit mollera grossa erstanden, zu Deutsch Gabeldorsch. Ein Fisch mit wenigen Gräten und schmackhaftem Fleisch. „Er ist sehr hässlich, deswegen muss ich meine Kunden oft davon überzeugen, ihn zu kaufen“, sagt die Fischhändlerin. „Aber dann kaufen sie ihn gerne wieder.“

Wer zu Esperanza Garcías kommt, kann nicht den festen Vorsatz haben, einen bestimmten Fisch zu kaufen. Denn ihr Angebot variiert je nachdem, was an diesem Tag in der Lonja geboten wurde. Und: Ihr ist es wichtig, nie zu viel zu kaufen. „Ich bin lieber früher fertig, als dass ich am Ende zwei Fische nicht loswerde.“ Sie wolle schließlich ausschließlich tagesfrische Ware im Angebot haben. Fisch vom spanischen Festland oder weiter weg verkauft Esperanza Garcías gar nicht erst. Nur am Samstag bietet sie als Zusatz zum lokalen Fang Miesmuscheln aus Galicien für die Sonntagspaella an.

Felsenfische eignen sich besonders gut für Suppen. Marlene Weyerer

„Könnte sein, dass ich heute nicht so viel mitnehme“, sagt Esperanza Garcías gegen 6.30 Uhr. Im Moment kommen lauter lebendige Hummer auf das Band, solche teuren Delikatessen verkauft Garcías nicht. In ihrem Stand im Einwandererviertel Pere Garau hat sie nicht die Kundschaft dafür. Die Händlerin nutzt die 20 Minuten, in denen sich alles um Hummer dreht, um kurz ihren Platz zu verlassen.

Dann kommen Gambas aufs Fließband, und die Fischhändlerin ist zurück. Sitznachbarin María kauft eine Kiste nach der anderen. „Wie viele hast du inzwischen?“, fragt Garcías. María lacht: „Ich glaube sieben.“ Sie drückt den roten Knopf, ihr Name leuchtet auf der Anzeige auf. „Jetzt sind es acht“, sagt sie zufrieden. „María hat einen Stand im Mercat de l’Olivar“, erklärt Esperanza Garcías. Dort seien Gambas begehrt. Sie selbst begnügt sich mit einem Korb mit Krebstieren.

Alles auf dem Zettel

Plötzlich wird es laut, die Händler rufen alle durcheinander. Die Anzeigetafel hat bei den Gambas, die gerade versteigert werden sollen, das falsche Boot angegeben. Eigentlich kommen sie aus Sóller, was sie besonders begehrenswert macht. Und was auf der Tafel falsch steht, wird falsch ausgedruckt. Jeder Fischhändler bekommt zu seinem Kauf Zettel, die nachweisen, wann die Tiere von wem und wo gefangen wurden. Die Zettel müssen sie dann für die Kunden sichtbar auslegen. Gambas aus Sóller, das will erst einmal bewiesen sein.

Nach gut zweieinhalb Stunden kommen doch noch einige Fische auf das Fließband, die Esperanza Garcías gefallen. Sie kauft unter anderem Seeteufel (rape), Suppenfische und eine Menge frischer Makrelen (caballas). 13 Wannen packt sie am Ende in ihren Van, mit dem sie direkt zum Markt in Pere Garau tuckert. Dort breitet sie auf ihrer kleinen Standfläche Eis aus und legt sorgfältig die Tiere darauf.

Esperanza Garcías mit der Ausbeute des Tages an ihrem Fischstand im Markt von Pere Garau. Marlene Weyerer

Esperanza Garcías hat eine treue Kundschaft, mit der sie auch in einer eigenen WhatsApp-Gruppe kommuniziert. Noch vor acht Uhr bekommt sie den ersten Anruf einer Kundin, die wissen will, was es heute gibt. Sie reserviert einen Seeteufel und eine Makrele, kurz darauf schaut eine Frau in einem gemusterten Blumenkleid vorbei und inspiziert die Ware. „Was kannst du denn heute empfehlen?“, fragt sie. Denn die Kundin weiß: Niemand hat für Fische einen so guten Blick wie Esperanza Garcías.

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