Mallorca Zeitung

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100 Jahre Ausgrabungen in Alcúdia auf Mallorca: sensationelle Funde, fatale Fehler und ein spendabler Mäzen aus den USA

Pollentia war eine von fünf römischen Städten auf Mallorca. Von den meisten anderen ist heute nichts mehr zu sehen

Nur mit Erlaubnis der Grundstücksbesitzer und danach wieder zuschütten: Ausgrabungsarbeiten im Gebiet von Can Reinés im Jahr 1923. RAFAEL DE ISASI/MUSEU DE MALLORCA

Fünf römische Städte gab es laut Überlieferung auf Mallorca. Da wären Guium und Tuccis, von denen heute praktisch jede Spur fehlt. Da wäre Boccoris, deren Reste in der Umgebung von Pollença verortet wurden. Da wäre das römische Palma, dessen Zeugnisse mit der heutigen Balearen-Stadt überbaut wurden und von dem fast nichts mehr im Stadtbild zu erkennen ist.

Und dann gab es Pollentia. Die bislang freigelegten Überreste der römischen Wohnhäuser im Gebiet La Portella, des Forums mit seinen Tempeln und Tabernen oder des Amphitheaters erstrecken sich neben dem heutigen Alcúdia. Genau hundert Jahre ist es jetzt her, dass mit ihrer Ausgrabung begonnen wurde: Ab 1923 erforschten die Archäologen Gabriel Llabrés und Rafael Isasi die Stätte Pollentia erstmals wissenschaftlich, systematisch und mit einem Budget des spanischen Ministeriums für Schöne Künste.

Referenz der spanischen Archäologie

„Mit Beginn der Ausgrabungen im Jahr 1923 wurde die römische Stadt Pollentia nach und nach zu einer Referenz in der spanischen Archäologie“, heißt es in einem Artikel der wissenschaftlichen Zeitschrift „Archivo Español de Arqueoloquía“, in dem die damaligen Ausgrabungstagebücher ausgewertet werden.

Davor gab es Theorien und Zufallsfunde. Seit dem 16. Jahrhundert wurde debattiert, wo sich die laut den Schriften im Jahr 123 vor Christus von Konsul Q. Caecilius Metellus gegründete Stadt befinden dürfte. Eine Inschrift des Städtenamens fand sich erst im Jahr 1887 – nicht im Gebiet des heutigen Pollença, sondern bei Alcúdia. Hinweise auf diesen Standort gab es freilich schon lange, etwa einen im 16. Jahrhundert dort entdeckten Kopf einer marmornen Augustusstatue, der heute im Museu de Mallorca ausgestellt ist.

Ausgrabungen auf Privatgrund

Einerseits leisteten Llabrés und Isasi Pionierarbeit. Llabrés war Präsident der Societat Arqueològica Llul·liana, Delegierter der Real Academia de Bellas Artes auf den Balearen und bestens vernetzt in Wissenschaftskreisen. Isasi war ein auf den Balearen stationierter Angehöriger des Militärs und brachte neben seinen kartografischen Kenntnissen auch sein Talent für die grafische Dokumentation in die Arbeiten ein – detailgetreue Zeichnungen, von denen Wissenschaftler heute schwärmen.

Andererseits lief aus heutiger Sicht vieles nicht ideal in diesen ersten Jahren der Feldstudien. Die Ausgrabungen fanden damals auf Privatgrund statt. Die Eigentümer verbaten es, Bäume auszureißen, und verlangten, dass die Löcher wieder zugeschüttet werden, um das Land bewirtschaften zu können. „Häufig wurden entdeckte Quadersteine von den Besitzern aus dem Boden gerissen und später wiederverwertet oder verkauft“, heißt es in dem Artikel.

Erstmal alles aufs Festland schaffen

Es fanden auch noch keine stratigrafischen Studien statt, wie die zeitliche Zuordnung der entdeckten Gesteinskörper genannt wird. So spektakulär einige der damaligen Funde, so massiv die Zerstörung archäologischer Information. Doch selbst wenn die Disziplin damals noch in ihren Anfängen war, hätten die Pioniere ein reiches und lehrreiches Erbe hinterlassen.

Und dann mussten laut Gesetz alle gefundenen Objekte ins Museu Arqueológico Nacional aufs Festland geschafft werden. Ohnehin befand sich das damalige Museum für Schöne Künste im Llonja-Gebäude in Palma in einem prekären Zustand – das Museu de Mallorca wurde erst Anfang der 1960er-Jahre gegründet. Nach massivem Protest auf der Insel wurde die Vorschrift gelockert – es blieb aber ein Vorrecht Madrids erhalten, sich besonders repräsentative Objekte zu sichern.

Bürgerkrieg führte zu Unterbrechung der Ausgrabungen

Gabriel Llabrés starb 1928, die Lücke füllte sein Sohn Joan Llabrés, der die Arbeiten zusammen mit Isasi fortsetzte – bis zum Jahr 1936. Der Spanische Bürgerkrieg, in dessen Folge auch Aufzeichnungen der Arbeiten im Ministerium in Madrid verloren gingen, führte zu einer Unterbrechung der Ausgrabungen. Erst 1942, jetzt unter Franco, wurden wieder Gelder gewährt, wenn auch immer weniger. Llabrés schied wegen militärischer Verpflichtungen aus, Isasi grub auf eigene Faust weiter, bis zu seinem Tod im Jahr 1948.

Nun schlug die Stunde des vermögenden US-Industriellen William J. Briant. Auf Europa-Reisen hatte er sich für Ausgrabungen in Tarragona begeistert und diese finanziert. Als er vom Potenzial Pollentias erfuhr, wurde er auch auf Mallorca als Mäzen tätig. Seine Stiftung erwarb ab 1952 Parzellen für Ausgrabungen, auch den Gutshof Can Domènech, der zum Zentrum der Forschungen wurde. Regelmäßig kamen im Sommer US-Studenten auf die Insel, um mit anzupacken. Auch wenn Briant nur einmal selbst auf der Insel war, förderte er die Ausgrabungen über einen Zeitraum von fast 50 Jahren.

Im Jahr 2000 übernahm das heutige Konsortium die Koordination und Finanzierung. Inzwischen erwarb die öffentliche Hand Grundstücke, zuletzt 2021 die Finca sa Tanca, wo eine Begräbnisstätte entdeckt wurde. Bislang sind gerade mal 15 Prozent der wohl rund 20 Hektar großen Stadt ausgegraben. Dutzende Wissenschaftler beschäftigen sich weiter mit Pollentia, immer neue Funde müssen katalogisiert und interpretiert werden – viel Arbeit für die nächsten hundert Jahre.

Ciutat Romana de Pollentia i Museu

  • Avinguda Princeps d’Espanya,
  • dienstags bis samstags, 
  • 9.30 Uhr bis 15 Uhr
  • Eintritt: 4 Euro
  • alcudia.net/Pollentia

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