Mallorca Zeitung

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Diese "echten Geheimtipps" in Palma de Mallorca kennt nur ChatGPT

Wer reisen will, fragt neuerdings ChatGPT

nach Empfehlungen.

Das Schöne: Die künstliche Intelligenz kennt Orte,

die sonst niemand kennt. Denn es gab sie nie

Das Palma von Chat GPT und Midjourney ist eine elegante Stadt. Midjourney

Wer Palma entdecken will, kann sich längst nicht mehr auf klassische Reiseführer oder Ideengeber wie Instagram verlassen. Denn was da zu sehen ist, ist mitunter überlaufen. ChatGPT hingegen ist noch erfrischend influencerfrei. Das System der künstlichen Intelligenz (KI) ist natürlich nicht ohne Fehler: Dass da auch Informationen verbreitet werden, die veraltet sind, liegt in der Natur der Sache. Etwa wenn Restaurants empfohlen werden, die schon vor einiger Zeit geschlossen haben.

Doch auf der Suche nach interessanten Läden und Orten, die man besuchen kann, fällt plötzlich auf: Die künstliche Intelligenz weiß im Detail von Orten zu berichten, die sich nirgendwo anders finden. Weder bei Google noch im Archiv des „Diario de Mallorca“ noch in den Straßen der Stadt selbst. Machen wir uns also auf zu einer Entdeckungsreise durch das fiktive Palma von ChatGPT. Die Bilder wurden mit der KI-Plattform Midjourney erstellt.

Erste Station: Der Herrenausstatter

Beginnen wir den Shopping-Spaziergang im Zentrum von Palma, an der Plaça Major. Hier gehen wir in die Einkaufsstraße Carrer Sant Miquel. Palma ist eine elegante Stadt, also wollen wir ihr mit einem tadellosen Aussehen gerecht werden. Hier, an der Nummer 3, befindet sich laut Chat-GPT der Herrenausstatter Emilio Lluch.

Die KI erklärt: „Emilio Lluch ist seit über 50 Jahren in Palma de Mallorca tätig und hat sich zu einem bekannten Ziel für klassische Herrenbekleidung entwickelt. Das Geschäft bietet eine Reihe von hochwertigen Kleidungsstücken, einschließlich Anzügen, Jacken, Hosen und Hemden, die alle mit Liebe zum Detail und den feinsten Materialien hergestellt werden. Sie bieten auch eine Reihe von Accessoires wie Krawatten, Einstecktücher und Gürtel an. Das Geschäft hat einen Ruf für exzellenten Kundenservice, und das Personal ist dafür bekannt, freundlich und kompetent zu sein.“

In der echten Welt steht das Lokal an der Adresse derzeit leer, zuvor war es ein Kosmetikgeschäft. Es finden sich keine Hinweise, dass jemals in Palma ein Emilio Lluc Herrenkleidung verkauft hat.

Zweite Station: Der Schneider

Da das mit dem Anzug am ersten Stopp nichts wurde, gehen wir weiter. An der Plaça Major entlang geht es über den Carrer Colom und den Rathausplatz hinunter zum Carrer Conquistadors. Hier dürften wir auf der Suche nach einem Anzug Glück haben, befindet sich an Hausnummer 11 doch laut ChatGPT seit über 100 Jahren die Schneiderei Sastrería Langa.

„Der Laden ist bekannt für seine außergewöhnliche Qualität und Liebe zum Detail und hat sich auf maßgeschneiderte Anzüge und formelle Kleidung spezialisiert. Die Schneider bei Sastrería Langa haben einen Ruf für ihre traditionelle Handwerkskunst und verwenden nur die hochwertigsten Materialien, um ihre Kleidungsstücke zu kreieren. Die maßgeschneiderten Anzüge bei Sastrería Langa werden vollständig von Hand gefertigt, vom Zuschneiden des Stoffes bis zum Zusammennähen der einzelnen Teile. Die Schneider achten darauf, dass jedes Detail, vom Futter bis zu den Knöpfen, perfekt ist.“

Wir trauen unseren Augen kaum: Dort, wo die KI unseren Schneider verortet, befindet sich das Balearen-Parlament. Sehen die Inselpolitiker deshalb alle so verteufelt gut aus? Die Recherche ergibt: Eine Sastrería Langa gibt es in Madrid. Dass sie jemals auf Mallorca eine Dependance hatte, ist nicht überliefert.

Dritte Station: Das Schuh-Geschäft

Wieder kein Erfolg, also suchen wir etwas anderes. Wie wäre es mit ein paar neuen Schuhen für den Sommer? ChatGPT weiß genau den Ort und schickt uns über die Plaça de la Reina, den Born und die Plaça Tortugues zum Carrer de la Unió, 1. Hier, direkt neben C&A, befindet sich die Casa Ginesta, „ein traditioneller Schuhladen in Palma de Mallorca, der sich auf handgefertigte Espadrilles spezialisiert hat, eine Art Schuhwerk, das in Spanien beliebt ist. Der Laden wurde 1898 gegründet und wird seit über einem Jahrhundert von der Familie Ginesta betrieben.“

Der Laden ist überaus liebevoll eingerichtet: „Das Geschäft ist klein, aber charmant und mit farbenfrohen Espadrilles an den Wänden und an der Decke dekoriert.“ Besonders dürfen sich Besucher über ein spezielles Highlight freuen: „Die Kunden können den Herstellungsprozess der Espadrilles in der Werkstatt hinter dem Laden beobachten, wo geschickte Handwerker die Stoffe zuschneiden und auf die Jutesohlen nähen.“

Tatsächlich gibt es im Carrer de l’Unió keine Hausnummer 1. Und die ruhmreiche Geschichte der Familie Ginesta wurde aus den Chroniken der Stadt Palma offenbar für immer gelöscht.

Vierte Station: Das Café

So viel Misserfolg macht müde. Also machen wir an der Stelle lieber eine Pause und suchen ein nettes Café. Am besten nicht so etwas modernes, sondern lieber ein Lokal mit Geschichte. ChatGPT empfiehlt das alterwürdige Ca’n Joan de S’Albufera. „Es hat seit Mitte des 19. Jahrhunderts Kunden bedient und ist eines der ältesten Cafés der Stadt. Das Café ist berühmt für seine heiße Schokolade und Ensaimadas, ein traditionelles Gebäck aus Mallorca. Das Interieur des Cafés ist charmant und rustikal, mit frei liegenden Ziegelwänden, Holzbalken und traditionellen mallorquinischen Fliesen. Es gibt mehrere kleine Tische und Stühle, an denen Kunden ihren Kaffee oder ihr Gebäck genießen können. Das Café ist ein beliebter Ort für Frühstück oder einen Snack am Vormittag und kann zu Spitzenzeiten belebt sein.

Als Adresse hat uns die KI den Carrer dels Apuntadors, 38 im Lonja-Viertel angegeben. Als wir dort ankommen, staunen wir wieder nicht schlecht. In unserem Paralleluniversum ist es das Hotel Palau Sa Font, das von dem Deutschen Tom Gösmann betrieben wird.

Fünfte Station: Der Vintage-Laden

Also wieder nichts. Verärgert beschließen wir, nach Hause zu gehen. Vorher wäre es aber schön, einen neuen Einrichtungsgegenstand zu finden. Vielleicht was mit Vintage, etwas ohne Massenproduktion. Die KI führt uns nach Santa Catalina in den Carrer de l’Oratori, 1. Hier befindet sich L’Estudi D’Àlexandra, „ein einzigartiges Geschäft“. Die KI führt aus: „Es handelt sich um einen Vintage-Laden, der sich auf die Restaurierung und den Verkauf von antiken und Vintage-Möbeln, dekorativen Gegenständen, Lampen und anderen einzigartigen Objekten spezialisiert hat. Der Laden hat eine warme und einladende Atmosphäre, mit einer eklektischen Mischung aus Vintage-Möbeln und Accessoires, die im gesamten Raum ausgestellt sind.“

Mittelpunkt des Geschäfts sei die Betreiberin Alexandra: „Die Inhaberin hat eine Leidenschaft für Vintage- und Antikmöbel und sammelt seit vielen Jahren einzigartige Stücke. Sie wählt jedes Objekt sorgfältig aus und stellt sicher, dass jedes Stück von hoher Qualität ist und seinen eigenen einzigartigen Charakter hat. Sie restauriert jedes Stück auch selbst und verwendet dabei traditionelle Methoden und Materialien, um die ursprüngliche Schönheit jedes Objekts zu erhalten.“

An dieser Stelle verliert sich unsere Spur. Denn in Palma gibt es überhaupt keinen Carrer de l’Oratori. Aber wenn wir irgendwann das richtige Paralleluniversum finden, dann statten wir Alexandra sicher einen Besuch ab.

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