Mallorca Zeitung

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Yoga-Mekka Mallorca: „Mögen alle Lebewesen glücklich und frei sein"

Vom 21. bis 24. September und vom 20. bis 22. Oktober finden gleich zwei Yoga-Festivals auf Mallorca statt. Ein Streifzug durch die Szene

Die eigene Mitte finden. Session mit Alessandra Di Gesu. FOTO: The Arcana Society

Manche Geschichten klingen so unglaublich, dass sie nicht erfunden sein können. Es wäre viel zu schwierig, sich etwas derartig Fantastisches auszumalen und ohne Luft zu holen zu schildern. Was die Sizilianerin Alessandra Di Gesu über ihren Weg nach Mallorca erzählt, ist so eine Geschichte. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Neapolitaner Federico Luglio, besuchte sie vor fünf Jahren zum ersten Mal die Insel.

Bei einem Ausflug nach Son Fornés in der Nähe des Ortes Montuïri, wo eine gut erhaltene talaiotische Siedlung steht, sah sie einen megalithischen Steinblock. Er war wie die anderen Ruinen zwischen 1300 und 500 vor Christus errichtet worden.

Alessandra Di Gesu fühlte sich bereits im Alter von sechs Jahren zur Schamanin berufen. „Ich habe auf einmal ohne Anlass angefangen, Dinge zu malen, die bei traditionellen Heilritualen in indigenen Gemeinschaften benutzt werden“, sagt sie. Und auch das ließe sich nun als okkulter Unsinn belächeln – wären da nicht wieder jene Klarheit und Glaubwürdigkeit im Ton, die so typisch für die 40-Jährige sind.

Alessandra und Federico bieten ekstatische Tänze an. FOTO: The Arcana Society

Als „The Arcana Society“ bieten Alessandra und Federico unter dem Namen „Das große Erwachen“ (The Great Awakening) leidenschaftliche Tänze an. Die elektronische Musik dafür komponiert Federico, der auch als DJ arbeitet. Der Titel ihrer Sessions bedeutet, dass die teilnehmenden Tänzer sich auf den Moment einlassen, wachsam in sich hinein spüren. „Wir berücksichtigen den Kreislauf in der Natur, etwa Mondphasen, und veranstalten auch ab und an mehrtägige Retreats an alten heiligen Orten“, sagt Alessandra Di Gesu. „Bei den kurzen Sessions animieren wir die Tänzer, zu einem tree of life zu werden, sich mit beiden Füßen fest auf dem Boden zu verwurzeln, während der Körper sich so schwungvoll bewegt wie möglich.“

Augen zu und nur spüren

Teilnehmern verbinden der 41-jährige Federico und Alessandra zuweilen die Augen, damit sie ihren persönlichen Rhythmus leichter finden. Beim Mallorca Yoga Festival, das vom 20. bis 22. Oktober in Calvià stattfindet, dauert ihre Tanzmeditation nur etwa eine Stunde und ist dafür gedacht, Einsteiger an den freien Tanz heranzuführen.

Musik hat eine große Kraft. Darum spielen Menschen in allen Kulturen Instrumente und singen. Wir wissen leider noch zu wenig über die stimulierende Wirkung von Klängen auf unser limbisches System, jenen Teil unseres Gehirns, der Gefühle verarbeitet und steuert. So viel aber ist klar: Musik hat nicht nur chemische Effekte auf unser Gehirn, sondern auch strukturelle. Musikalische Reize sorgen dafür, dass sich Nervenzellen neu verschalten und sich die Hirnareale so besser miteinander vernetzen.

Nicht jeder nimmt dieselbe Musik gleich wahr – unsere Erfahrungen prägen, wie wir eine bestimmte Melodie erleben. So kann ein Musikstück bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedliche Emotionen auslösen, je nachdem, an welche Erinnerungen es andockt.

Singen für die Seele

Beim Mantrasingen, einem festen Teil der Yogapraxis, passiert auch mit unserem Körper so einiges: Die Vibrationen helfen uns bei der tiefen Atmung und lockern unsere Muskulatur. Sound Healing ist aus all diesen Gründen derzeit der Renner bei Festivals und Retreats, und zu diesem Trend gehört wesentlich mehr als nur der Einsatz eines zeremoniellen Gongs, das Aneinanderschlagen von Zimbeln oder der eher dumpfe Widerhall tibetanischer Klangschalen.

Klangschalen helfen beim Entspannen. FOTO: PUY CERMEÑO FOTOGRAFÍA

Albaida Aparici, die unter ihrem Vornamen Albaida eine meditative Yoga-Form in Palma anbietet, spielt am liebsten auf der Shrutibox, einem indischen Tasteninstrument, das einem Bandoneon ähnelt. „Ich benutze auch Rumba-Rasseln, Glöckchen oder Trommeln, oft suche ich nach ausgefallenen antiken Exemplaren“, sagt die 35-Jährige. Eins ihrer Lieblingsfundstücke ist eine von Hand bemalte Trommel aus Griechenland. Auch Albaida nimmt am Mallorca Yoga Festival teil.

Mut zur Berufung

Ebenso die beiden Ungarn Lilla Lukacs und Peter Orosz, die seit sieben Jahren auf der Insel sind. „Wir haben vorher in London gewohnt und waren auf der Suche nach einem ruhigeren Ort. Als wir eine Bekannte besuchten, wurde unser Rückflug gecancelt, wir hatten drei Tage Zeit, uns die Insel anzusehen, und haben uns danach für Mallorca entschieden“, sagt die 34-jährige Lilla.

Ihr und dem 36-jährigen Peter hat diese Entscheidung Glück gebracht. „Vorher haben wir beide in Hotels und Restaurants gejobbt. Yoga haben wir nur nebenbei unterrichtet. Auf Mallorca haben wir den Mut gefunden, nur noch unseren Neigungen nachzugehen, die Insel ist wirklich sehr inspirierend“, sagt Lilla. „Es gibt viele Yogis und passende Locations.“

Lilla Lukacs und Peter Orosz beim Akroyoga. | FOTO: PRIVAT

Einer der tollen Veranstaltungsorte ist das Landgut Can Torna in Esporles. Dort findet vom 21. September an das viertägige Festival Yoga del Mar statt. Unter dem Motto „Union“ holen die beiden deutschen Initiatorinnen Nina-Gyana Schweser und Yasmin Schwarz Künstler wie Sam Garrett, Mose, Awarë, Kevin James Carroll oder Krishnatakis auf die Insel.

Glücklich und frei

Lehrer, die auf Mallorca leben, wie Gabriela Bozic, Mirjam Wagner oder David Lurey bieten Yogapraxis an. Mit dem Festival möchten die beiden Frauen, die in Portitxol ein eigenes Yogastudio betreiben, nicht nur Yoga-Begeisterte zusammenbringen, sondern auch umsetzen, was mit dem Mantra „Lokah Samastah Sukhino Bhavantu“ gemeint ist. Es lässt sich in etwa so übersetzen: „Mögen alle Lebewesen glücklich und frei sein, und möge ich mit meinen Gedanken, Worten und Handlungen auf bestmögliche Weise dazu beitragen.“

Ein Teil der Einnahmen geht an das Projekt MedGardens, das Unterwasserwälder im Mittelmeer regeneriert. „Jeder kann einen Beitrag leisten, im Kleinen wie im Großen“, glaubt Nina-Gyana Schweser.

Yasmin Schwarz (li.) und Nina-Gyana Schweser veranstalten das Festival Yoga del Mar. | FOTO: PRIVAT Isa Hoffinger

Auf der Finca Can Torna gibt es einige Zimmer, im Freien können Teilnehmer in luxuriösen Zelten schlafen. Auch dieses „Glamping“ ist angesagt in der Szene. „Mallorca ist das neue Mekka für Yoga, Meditation und Nachhaltigkeit“, sagt Schweser. Die Insel sei entspannt und zugleich kosmopolitisch. Auch beim Festival Yoga del Mar gibt es Musik – und sicher erzählen die Menschen einander auch hier die eine oder andere wundersame Geschichte.

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