Mallorca Zeitung

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Seine Tante wurde beim Hamas-Angriff auf Israel entführt: Wie Mallorca-Resident Dani Rotstein den Konflikt erlebt

Zusätzlich zu den Sorgen um seine Angehörige kann der US-Amerikaner nicht fassen, wie auf Mallorca über den Krieg diskutiert wird

Dani Rotstein. Nele Bendgens

Das letzte Lebenszeichen, das Dani Rotstein von seiner Tante Alma Abraham hat, zeigt sie mit einer anderen Frau auf einem Motorrad, bewacht von zwei mit Maschinengewehren bewaffneten Männern. Die 84-Jährige ist eine der Geiseln, die Hamas-Terroristen bei dem Angriff auf Israel am 7. Oktober entführten.

Der seit neun Jahren auf Mallorca lebende US-Amerikaner war an jenem Samstag in Barcelona, um den Geburtstag seiner Frau zu feiern und tags drauf seinen Dokumentarfilm „Xueta Island“ über die jüdische Vergangenheit der Insel vorzustellen. „Freunde in Israel erzählten mir, was passierte. Ich konnte es kaum glauben, dass Terroristen von Gaza auf israelischem Territorium angriffen, das schien ein schlechter Scherz zu sein.“

Tante wurde entführt

Als im Laufe des Tages immer mehr Bilder und Nachrichten eintrafen, machte er sich immer größere Sorgen um jenen Teil seiner Familie, der nur drei Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt lebt. Am Sonntag erfuhr Rotstein von seinem in den USA lebenden Vater Neuigkeiten. Seine Cousins Roi und Uri seien wohlauf, doch Rois Mutter wurde entführt. „Ihre Kinder erkannten sie auf einem der vielen Fotos der Geiseln, die die Terroristen veröffentlichten“, so Rotstein.

Alma Abraham, die entführte Tante von Dani Rotstein.

Alma Abraham, die entführte Tante von Dani Rotstein. privat

Am Montag (16.10.) konnte er endlich selbst mit den Cousins sprechen. Roi sei bei den ersten Raketeneinschlägen in der Umgebung ins Haus eines Freundes geflüchtet, der außerhalb des Dorfes lebt. Nach seiner Rückkehr fand er sein eigenes Zuhause verwüstet. Das Haus seiner Mutter stand noch, doch die Angreifer hatten die Tür ihres Sicherheitszimmers zerstört. Von ihr selbst fehlt – bis auf das Foto im Internet – seither jede Spur.

"Hoffen, dass sie nicht leidet"

Was mit den Geiseln passieren wird, ist ungewiss. „Sie haben so viele von uns getötet, dass wir uns nicht viel Hoffnung machen“, sagt Rotstein. „Derzeit können wir nur hoffen, dass sie nicht leidet. Dass sie nicht gefoltert wird. Und dass es schnell geht, wenn sie schrecklicherweise getötet wird.“

Zu der persönlichen Betroffenheit gesellt sich bei Rotstein Empörung über die Darstellung des Krieges. „Das Narrativ hat sich so extrem schnell verändert, alle sprechen nur noch von der humanitären Krise der Palästinenser. Aber ganz ehrlich: Es geht hier um einen nicht provozierten Angriff auf Israel, bei dem Männer, Frauen und Kinder barbarisch ermordet wurden. Wie viel Antisemitismus gibt es eigentlich auf der Welt, dass diese Gräueltaten so schnell aus dem Fokus gerückt sind?“, empört sich Rotstein.

Die Tante von Dani Rotstein (blaue Bluse) wird auf dem Motorrad entführt. privat

Pro-Palästina-Kundgebung verstört Rotstein

Dass auch in Palma nur vier Tage nach dem Angriff der Hamas eine Pro-Palästina-Kundgebung stattfand, verstört ihn. Warum gab es keine Solidaritätskundgebung für Israel?, frage er sich. Er wisse sehr wohl, dass die palästinische Bevölkerung und die Hamas nicht gleichzusetzen seien, doch derzeit sei es nun einmal die Hamas, die die Geschicke Palästinas kontrolliere. „Diese Leute wollen keinen Frieden, sie wollen kein besseres Leben für ihre eigenen Leute“, ist er überzeugt. „Und für mich ist eine Demo zur Unterstützung Palästinas derzeit nun mal eine Demo zur Unterstützung der Hamas.“

Bei der Kundgebung, die am Mittwoch (11.10.) auf der Plaça d’Espanya stattfand, skandierten einige der rund 200 Teilnehmer Sprüche wie El único terrorista es el estado sionista (Der einzige Terrorist ist der zionistische Staat) oder Quien siembra la miseria recoge la rabia (Wer Armut sät, wird Wut ernten). Auch Politiker der Linksparteien Més per Mallorca und Podemos waren auf der Kundgebung zugegen, die am Mittwoch (18.10.) wiederholt werden sollte.

Deutsche verlor Freund bei Hamas-Angriff

Für Mallorca-Residentin Alexandra K. gehören diese Demos verboten. „Ich finde es widerlich, und ich schäme mich für Mallorca“, sagt sie. Die Deutsche hat bei dem Angriff der Hamas ihren Freund Shalom Tsavan verloren. Der Feuerwehrkommandant, den sie vor fünf Jahren im Internet kennenlernte und der sie im kommenden Jahr auf der Insel besuchen wollte, gehört zu den offiziell bestätigten Opfern. Bis K. das herausfand, musste sie online schreckliche Bilder ansehen, „die diese Barbaren mit den Handys der Toten filmten“.

Todesanzeige für Shalom Tsavan (re.), der mit einer Mallorca-Deutschen befreundet war. privat

Er habe lange mit Freunden diskutiert, ob man nicht selbst eine Pro-Israel-Kundgebung auf die Beine stellen sollte, sagt Dani Rotstein. Doch letztlich überwog die Befürchtung, damit die eigene Sicherheit zu gefährden. „Es gibt kreativere Wege, auf unsere Sicht aufmerksam zu machen“, sagt Rotstein.

Rotstein bringt Mallorca das Judentum nahe

Er selbst bringt den Mallorquinern und Besuchern aus aller Welt seit Jahren die Geschichte des Judentums auf der Insel nahe. Der Produzent und Werbefilmer bietet Stadtführungen durch das ehemalige Judenviertel Palmas an. Vom sogenannten „Call“ sind heute kaum mehr sichtbare Spuren vorhanden – dabei hatten die Juden ihr eigenes Viertel einst als Dank für ihre Hilfe bei der Rückeroberung Mallorcas von König Jaume I. erhalten.

„Mallorca hat eine sehr antisemitische Vergangenheit“, erklärt Rotstein, der Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde der Insel ist. Sein Dokumentarfilm beschäftigt sich mit der Geschichte der Xuetas, der Nachfahren jener mallorquinischen Juden, die Ende des 17. Jahrhunderts aus Angst vor Verfolgung zum Christentum konvertierten – auf Mallorca aber wegen ihrer charakteristischen Nachnamen noch lange diskriminiert wurden.

Auf seinen Stadttouren merke er heute, dass die Inselbewohner interessiert seien, mehr über diesen Teil ihrer Geschichte zu erfahren. Er freue sich, sein Sandkorn dazu beitragen zu können. Und will auch deshalb weiterhin seine Stimme erheben. „Denn wir wissen aus der Geschichte, wie es ausgeht, wenn wir schweigen.“

Hier gibt es Infos und Trailer zum Dokumentarfilm von Dani Rotstein

Hier kann man seine Stadtführungen buchen

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