Mallorca Zeitung

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Auch hier machen Kleider Leute: Wie sich der Stil der Weihnachtskrippen auf Mallorca veränderte

Weihnachtstradition im modischen Wandel: eine Schau im Kloster der Kapuzinerinnen zeigt, wie mallorquinische Figuren einst die Miniatur-Landschaften eroberten

Neben der monumentalen Krippe der Kapuzinerinnen gibt es im Kloster dieses Jahr viele weitere interessante Exponate zu sehen. | FOTOS: NELE BENDGENS

Bei kaum einer Tradition treffen Frömmigkeit, Folklore und Bastelleidenschaft wohl in solcher Vollendung aufeinander wie bei den Weihnachtskrippen. Jahr für Jahr können die weitläufigen Miniatur-Landschaften in etlichen Kirchen sowie Rathäusern und Geschäften auf Mallorca bewundert werden. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die monumentale Krippe der Kapuzinerinnen im Kloster de la Purísima Concepción in Palma.

Dieses Jahr lohnt sich der Besuch dort besonders, wenn man mehr über den (kunst-)geschichtlichen Kontext der Krippentradition erfahren möchte. Am 15. Dezember eröffnen das Bistum Mallorca und das Kloster eine Ausstellung anlässlich des 800. Jahrestags der ersten Weihnachtskrippe: Der Heilige Franz von Assisi soll sie 1223 im italienischen Greccio inszeniert haben. Eine Nachbildung ist Bestandteil der Schau. „Wir beschwören das Ambiente der Krippe von Greccio herauf “, sagt beim Vorab-Besuch der Historiker Jaume Llabrés, der seit mehr als 25 Jahren gemeinsam mit Aina Pascual die Krippe der Kapuzinerinnen und die wechselnden Ausstellungen betreut.

Erstmals gezeigte Figuren

Vor allem aber lernen die Besucher, wie sich die Tradition auf Mallorca stilistisch entwickelt hat – und sie können einige äußerst rare Exponate betrachten. „Im ersten Raum wird reflektiert, wie typische Figuren von Mallorca in den Krippen, aber auch in dekorativen Elementen wie Puppen aufgegriffen wurden“, erklärt der Kurator. So ist auf einer Kommode aus dem 19. Jahrhundert ein Puppenpaar in bäuerlicher Kleidung zu sehen. „Das sind ganz besondere und extrem seltene Stücke“, sagt Llabrés. „Sie waren eine Art Souvenir, um zeigen zu können, wie sich die Menschen auf Mallorca kleideten.“ George Sand habe sich etwa damals zwei Figuren dieser Sorte mitgenommen.

Bäuerinnen-Figuren aus einer Privatsammlung, die noch nie öffentlich ausgestellt waren. Nele Bendgens

Zudem würdigt der erste Saal die vor 125 Jahren eingeweihte und nur 20 Jahre lang bestehende Keramikfabrik La Roqueta, die neben Jugendstil-Keramik auch traditionelle Figuren aus gebranntem Ton herstellte. Sieben davon sind erstmals zu sehen, etwa ein Sackpfeifenspieler und eine Fischerin. Im Treppenhaus sind weitere Kleinodien präsentiert: rund 30 mallorquinische Hirten- und Bauernfiguren aus dem 19. Jahrhundert, gefertigt in der Werkstatt „dels Santets“. Ein wahres Juwel, sagt der Kurator: „Sie stammen aus einer Privatsammlung, die wir nur von Fotografien kannten.“ Llabrés lernte den Besitzer kennen und konnte ihn überzeugen, die Stücke nun erstmals öffentlich auszustellen.

Mallorquinische Kleidung ab dem 19. Jahrhundert

Bis solche Figuren tatsächlich Einzug in die Krippenlandschaften auf Mallorca hielten, sollte es aber eine Weile dauern, wie man im zweiten Ausstellungsraum erfährt. Die älteste Krippe der Insel, im Hospital General, stammt aus dem 15. Jahrhundert. „Sie ist zugleich auch die älteste Krippe Spaniens und eine der ältesten von Europa“, sagt Llabrés. In der Ausstellung ist sie nur durch eine Abbildung vertreten, da sie bereits seit sieben Jahren restauriert wird und nicht besucht werden kann.

Der Historiker Jaume Llabrés hat die Ausstellung gemeinsam mit Aina Pascual kuratiert. Nele Bendgens

„Vor dem 19. Jahrhundert waren die Figuren überall in Europa einheitlich gekleidet. Erst mit dem Jahrhundertwechsel tragen die Figuren mallorquinische Kleidung“, erklärt der Kurator. Die allerersten Beispiele dieser modischen Veränderung fänden sich Ende des 18. Jahrhunderts in Porreres. Allerdings betraf sie zunächst nur die Randfiguren wie die Hirten und nicht die Heilige Familie. „Heutzutage findet man auch Krippen mit Maria und Josef in mallorquinischem Gewand, aber das ist etwas viel Moderneres“, betont Llabrés.

Von Neapel nach Mallorca

Bei den frühen Krippen sei der starke Einfluss von Neapel zu spüren, der auch andere mediterrane Krippenkunst geprägt hatte, besonders im Barock. Bei typisch mallorquinischen Krippen finde man immer einen Berg, von dem die Hirten herabsteigen, und das Jesuskind liege geborgen in einer Höhle, erklärt der Historiker: „Diese Elemente kommen von den neapolitanischen Krippen.“ Eine Bibel dieser Gegend aus dem 15. Jahrhundert zeigt eine Abbildung genau jener Szenerie. „Das ist der Vater aller Krippen hier auf Mallorca“, so Llabrés. Andere in Italien verbreitete Komponenten wie verfallene Tempel der Antike sucht man auf der Insel aber vergeblich.

Der zweite Raum zeigt einige mallorquinische Krippen aus dem 18. und auch aus dem 19. Jahrhundert, die mit ihren überbordenden, künstlichen Landschaften auffällig opulent sind. „In diesen ganz typischen Krippen rücken die Figuren neben der Dekoration stark in den Hintergrund“, sagt Llabrés. Ein besonderes Schmuckstück ist eine Krippe mit Figuren aus dem 18. Jahrhundert, die aus der Werkstatt des „Mestre de les Verges Rosses“ (Meister der blonden Jungfrauen) aus Manacor stammt. „Auch seine Engel sind ausgesprochen blond“, bemerkt der Historiker.

Oft verschmelzen verschiedene Zeiten, wenn etwa die Dekoration aus dem 19. Jahrhundert und einige Figuren aus dem 18. Jahrhundert stammen. Manchmal wurden auch alte Figuren „recycelt“, sagt Llabrés: In der Krippe der Kapuzinerinnen gebe es zum Beispiel einen ehemaligen Engel, der zu einem mallorquinischen Bauern in Pluderhosen umfunktioniert wurde – das hübsche Haar erinnert noch an sein früheres Leben.

Neuer Stoff für alte Könige

Ein Potpourri aus älteren und jüngeren Figuren fanden auch die Restauratoren der Werkstatt Xicaranda vor, als sie sich der historischen Krippe der Kirche Santa Creu in Palma annahmen, die nun wieder in neuem Glanz erstrahlt und betrachtet werden kann. „Es gibt dabei zwei Gruppen der Heiligen Drei Könige“, erklärt der Leiter der Werkstatt, Alfredo Claret, im Telefongespräch. Die älteste sei aus dem 18. Jahrhundert, und auch diese Figuren sind wohl dem „Meister der blonden Jungfrauen“ zu verdanken.

Die Heiligen Drei Könige und zwei Diener sind die ältesten Figuren der Krippe von Santa Creu. Manu Mielniezuk

„Die Originalstoffe aus dieser Zeit waren in einem sehr schlechten Zustand“, sagt Claret. Sein Team musste deshalb mit Kollegen in Sevilla kooperieren, die auf die Restaurierung von Stoffen spezialisiert sind. Eine weitere Schwierigkeit für die Experten: „Manche Stücke wurden zuvor bereits von Laien restauriert, und das mit Material von schlechter Qualität, das wir erst wieder entfernen mussten – ohne dabei das Original zu beschädigen“, so der Restaurator. Insgesamt dauerte die Restaurierung der fragilen Figuren acht Monate, und zuvor mussten noch Studien ausgeführt werden, um die Materialzusammensetzung und die Komposition der Pigmente zu ermitteln.

Das nun wieder prächtig hergerichtete Heiligen-Ensemble mit seinen goldverzierten Gewändern aus Seide wird in einer gesonderten Vitrine präsentiert, wo es für die Besucher gut sichtbar ist. Die jüngeren „Reyes Magos“ von Mitte des 19. Jahrhunderts stehen indes Josef, Maria und dem Jesuskind in der Hauptvitrine zur Seite. „Zwei Versionen derselben Figurengruppe in einer Szene zu zeigen, würde ja auch wenig Sinn ergeben“, meint Claret „Wobei in einer Krippe ja eigentlich fast alles erlaubt ist …“

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