Mallorca Zeitung

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Wohnsituation auf Mallorca: Immer mehr junge Einheimische verzweifeln

Ein Stimmungsbild unter den 20-Jährigen auf der Insel

Grundstück in Sant Llorenç des Cardassar im Osten der Insel, auf dem bis zu zwei Luxus-Reihenhäuser gebaut werden sollen. JRM

Junge Mallorquiner können sich keine eigene Wohnung mehr leisten. Selbst eine WG kommt für die meisten nicht infrage. Viele befürchten, die Insel verlassen zu müssen. Das schürt verstärkt Ressentiments gegen jene Ausländer, die sich die teuren Immobilien leisten können.

Letizia Alcaraz, Studentin (22)

Die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben wird für mich immer unwahrscheinlicher. Die Mieten sind für Einheimische schlichtweg unbezahlbar. Zudem gestaltet sich meine Arbeitssituation schwierig: Trotz meiner Bemühungen Geld zu verdienen, ist mir noch nie ein fester Vertrag angeboten worden. Die Jobs sind sporadisch, die Arbeitsbedingungen prekär. Wenn man nicht aus einer wohlhabenden Familie stammt, bleibt einem nur die Wahl, entweder bei den Eltern zu wohnen, auszuwandern oder sich eine Wohnung mit mehr als drei Fremden zu teilen – und selbst dann ist es eine Herausforderung, über die Runden zu kommen. Die Ausländer kommen hierher, um ein besseres Leben zu führen, während wir gezwungen sind wegzuziehen. Es ist eine Welt, in der alles auf den Kopf gestellt ist.

Letizia Alcaraz

Letizia Alcaraz Privat

Gabriel Nicolau, Therapeut und Trainer (25)

Die Chancen für Einheimische auf Mallorca stehen in keinem Vergleich zu denen von Deutschen oder Engländern. Meine Eltern wollten mir ein Grundstück am Rande des Dorfes Sant Llorenç kaufen, da ich es mir finanziell nicht leisten konnte. Trotz meines Universitätsabschlusses und obwohl ich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr arbeite. Meine Eltern haben ein Angebot gemacht und waren sogar in Verhandlungen, aber eine Immobilienfirma, die auf Luxus-Immobilien spezialisiert ist, hat sie einfach überboten und plant nun sogar den Bau von zwei Villen. Ich wollte nur ein einfaches Haus. Trotz alledem habe ich noch das Glück, dass ich etwas Erbe von meinen Großeltern habe, aber die meisten meiner Freunde um die 30 können nur hoffen, nicht gezwungen zu sein, Mallorca zu verlassen.

Gabriel Nicolau

Gabriel Nicolau Jasmin Riera May

Mer Bru, Zahnhygienikerin (24) 

Immer mehr Ausländer zieht es nach Mallorca, um hier ein angenehmes Leben zu führen. Das ist ihr gutes Recht. Doch ich finde es unfair, wenn sie Häuser kaufen und diese dann leer stehen lassen oder zu überhöhten Preisen vermieten. Niemand kann anderen vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen. Dennoch bitte ich die Gesellschaft, auch an uns junge Leute zu denken, die sich keine eigene Bleibe leisten können. Ich selbst wohne bei meiner Schwester und ihrem Freund, da ich alleine keine Miete zahlen kann. Manchmal habe ich das Gefühl, dass für uns Mallorquiner hier kein Platz mehr ist. Überall gibt es Luxusimmobilien, die offensichtlich nicht für uns gedacht sind. Oft stehe ich am Schaufenster und träume nur davon, mir irgendwann ein eigenes Haus leisten zu können.

Mer Bru

Mer Bru Privat

Neus Reynés, Studentin (22)

Als Studentin, die als Babysitter jobbt, habe ich nie ernsthaft darüber nachgedacht, finanziell unabhängig zu sein. Doch jetzt, nachdem ich mein Studium endlich dieses Jahr abschließe, stehe ich vor einem großen Problem: Die Mieten sind einfach unbezahlbar, selbst für eine WG. Obwohl meine Eltern es sich leisten könnten, mich bei sich wohnen zu lassen, möchte ich nicht gezwungen sein, noch Jahre bei ihnen zu verbringen. Leider reicht mein Gehalt bei Weitem nicht aus, um mich selbst zu versorgen. Mein Traum, mit meinem Partner außerhalb von Palma zu leben, rückt in weite Ferne. Selbst wenn wir beide arbeiteten, würde es heutzutage nicht reichen. Die Wohnsituation auf den Inseln bereitet mir große Sorgen. Für „reiche Ausländer“ ist es einfach, Häuser zu kaufen, für sie ist es ein Schnäppchen. Für uns ist das undenkbar.

Neus Reynés

Neus Reynés Privat

Neus Duran, Studentin (23)

Die Unabhängigkeit ist für junge Menschen und auch für diejenigen, die nicht mehr so jung sind, unerschwinglich geworden. Ich habe Philologie studiert, mache jetzt einen Master und verdiene Geld als Korrektorin. Ich kenne viele, die in der Tourismusbranche arbeiten und fast fünfzig Jahre alt sind, aber immer noch gezwungen sind, sich eine Wohnung mit anderen Paaren zu teilen. Stellen Sie sich nun vor, wie schwierig die Situation für uns junge Menschen ist. Die Immobilienpreise auf Mallorca sind extrem hoch, während die Gehälter sehr niedrig sind. Es ist kaum vorstellbar, sich ohne die finanzielle Unterstützung der Eltern die Miete einer Wohnung leisten zu können. Wir Einheimischen, die wir hier studiert haben und arbeiten, können uns diese Preise im Gegensatz zu den Ausländern bei Weitem nicht leisten.

Neus Duran

Neus Duran Privat

Jasmin Riera, MZ-Redakteurin (23) 

Das Thema ist altbekannt und wird doch immer wieder in Gesprächen mit Freunden diskutiert: „On viurem?" („Wo sollen wir leben?“) und „haurem d’anar fora“ („Wir müssen aufs Festland ziehen“) sagen wir, wenn wir wieder ein Verkaufsschild sehen, das sich an Ausländer richtet. Als junge Leute würden wir gerne von zu Hause ausziehen, das können wir uns aber einfach nicht leisten. Mir ist bewusst, dass mein Wunsch, irgendwann eine Wohnung in meinem Heimatdorf zu kaufen, sehr naiv ist. Wie soll das funktionieren, wenn die Preise immer weiter steigen? Man kann es nicht leugnen: Es ist ein Problem, das immer größer wird. Viele Mallorquiner fühlen sich machtlos und erniedrigt, weil sie dort, wo sie aufgewachsen sind und ihre ersten Schritte getan haben, kein eigenes Zuhause mehr finden.

Jasmin Riera May

Jasmin Riera May Nele Bendgens

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