Entrevista | Margalida Cladera Leiterin der Beratungsstelle gegen Zwangsräumungen

Das Drama der Zwangsräumungen auf Mallorca: "Die Leute finden keine andere Unterkunft"

Margalida Cladera leitet für die Stadt Palma die Beratungsstelle gegen Zwangsräumungen. Für viele der Betroffenen ist die Lage aussichtslos. Hausbesetzer seien sie deswegen aber noch lange nicht, sagt die Sozialarbeiterin

Versucht seit acht Jahren Zwangsräumungen zu verhindern: Margalida Cladera.

Versucht seit acht Jahren Zwangsräumungen zu verhindern: Margalida Cladera. / B.RAMON

Margalida Cladera kennt die Angst und Verzweiflung derjenigen, die mit der Bedrohung einer Zwangsräumung leben. Die Beratungsstelle gegen Zwangsräumungen, die die Sozialarbeiterin seit 2015 im Rathaus Palma leitet, ist die letzte Anlaufstelle für mittellose Menschen, aber auch für Arbeitnehmer, deren Einkommen nicht ausreicht, um die hohen Mieten in der Stadt zu zahlen. Fulgencio Coll, Chef der Rechtsaußenpartei Vox in der Balearen-Hauptstadt, will ihrem Büro eine Beratungsstelle gegen Hausbesetzungen an die Seite stellen. Cladera kann sich nicht erklären, wie das zueinanderpassen soll.

Welche Art von Hilfe erhalten Bürger in Ihrem Büro?

Wir beraten Menschen und Familien, die sich in einem Zwangsräumungsverfahren befinden. Wer eine Räumungsklage erhält, weiß nicht, wie er reagieren soll. Wir beraten auch Mieter, deren Vertrag ausläuft, oder diejenigen, die gerade erst gemietet haben und darüber informiert wurden, dass sie die Wohnung wieder verlassen müssen.

Mit wie vielen Zwangsräumungen hatten Sie 2023 zu tun?

Im Jahr 2023 waren es 249 Zwangsräumungen.

Mehr als in den Vorjahren?

Weniger. Aufgrund der Pandemie wurde im Jahr 2020 eine Verordnung erlassen, die immer wieder verlängert worden ist und viele Zwangsräumungen gestoppt hat. Wir werden nur allerdings noch gebeten, die Berichte über die Lage, in der sich die Familien befinden, zu aktualisieren.

Warum sind diese Berichte notwendig?

Um eine Zwangsräumung zu stoppen, erstellen wir Gutachten über die Vulnerabilität der Betroffenen. Diese werden vor Gericht vorgelegt, der Richter prüft, ob die Familie in einer prekären, verwundbaren Lage ist, und entscheidet aufgrund dessen, ob er die Räumung stoppt oder nicht. Nicht wir stoppen die Zwangsräumung, das Gericht trifft diese Entscheidung. Im Jahr 2023 haben wir 240 dieser Vulnerabilitätsberichte verfasst. Im Allgemeinen berücksichtigen die Richter sie. Wir legen alle erforderlichen Unterlagen bei.

Ordnen die Richter weniger Zwangsräumungen als vor der Pandemie an?

Ja, viele Zwangsräumungen wurden gestoppt. Es gibt Verfahren, die seit 2020 ausgesetzt sind, und wir erstellen wie gesagt Berichte, ob sich an der Situation dieser Familien etwas geändert hat. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Leute keine andere Unterkunft finden. Viele von ihnen arbeiten, aber sie finden keine erschwingliche Wohnung.

Arbeitnehmer, die sich keine Miete leisten können?

Die Mieten sind gestiegen, die Löhne jedoch nicht. Zu uns kommen Familien mit Einkommen von 1.800 Euro. Sie sind nicht vulnerabel, können aber nicht mieten, weil sie keinen unbefristeten Arbeitsvertrag haben oder weil die Vermieter vier Mieten im Voraus verlangen. Wenn drei Kinder hinzukommen, kann auch das ein Problem sein, oder die Hautfarbe. Wir können ihnen keine finanzielle Hilfe anbieten, weil sie die Bedingungen nicht erfüllen, aber sie stehen auf der Straße.

Ist Rassismus auch ein Hindernis?

Ich kenne den Fall einer nigerianischen Familie mit drei Kindern, deren Mietvertrag aus diesem Grund nicht verlängern wurde. Sie hatten Einkommen, waren eine völlig solvente Familie, fanden jedoch keine bezahlbare Wohnung und mussten zu Verwandten ziehen.

Helfen Sie allen von einer Zwangsräumung bedrohten Bürgern oder gibt es Filter?

Es gibt einen Filter: Wir beraten niemanden, der eine Wohnung von einer Privatperson oder einer öffentlichen Einrichtung besetzt hat. Wenn sie mit einer Räumungsklage zu uns kommen, sagen wir ihnen, dass sie einen Anwalt hinzuziehen sollen. Und wenn sie unsere Intervention wünschen, sollen sie dies beim Richter beantragen.

Ist es einfacher, eine Zwangsräumung zu stoppen, als eine Wohnung für eine bedürftige Familie zu finden?

Ja. Eine Alternative zu finden ist sehr schwierig. Wir verweisen an die Wohnungsbehörde IBAVI, aber die Warteliste ist enorm. Und die Stadt hat sehr wenige Wohnungen. Wir können eine Zwangsräumung stoppen, aber wir haben wenig Möglichkeiten, eine angemessene Unterkunft zu finden. Letztlich tun sich die Leute zusammen, teilen sich eine Wohnung, manchmal bringen wir sie in Kontakt.

Braucht Palma eine Beratungsstelle gegen Hausbesetzungen?

Ich denke nicht. Ich weiß auch nicht, welche Funktion sie haben würde. Auch zu uns kommen Eigentümer, deren Wohnungen besetzt wurden, und wir raten ihnen, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Dort endet unser Eingriff. Wir können nichts weiter tun, als zu informieren, daher glaube ich nicht, dass solch eine Beratungsstelle notwendig ist.

Vox rechtfertigt die Notwendigkeit durch einen Anstieg der Hausbesetzungen. Gibt es ein Problem mit Hausbesetzungen in Palma?

Die meisten Hausbesetzungsfälle, die wir hier sehen, betreffen Wohnungen von Banken und Geierfonds. Im Jahr 2023 kamen 82 Familien zu uns, die eine Wohnung besetzt hatten; zu 98 Prozent gehörten die Wohnungen Großeigentümern. Wie gesagt, beraten wir nicht diejenigen, die Wohnungen von Privatpersonen besetzen, es sei denn, ein Richter bittet uns darum.

Beide Büros sollen sich Räumlichkeiten und Budget teilen. Hat man Ihnen erklärt, wie das vonstattengehen soll?

Wir haben darüber immer noch keine Informationen. Auch nicht über die Funktionen dieser Beratungsstelle. Schon jetzt beraten wir Privatpersonen, die Opfer von Hausbesetzungen wurden, aber dann gibt es einen Gerichtsprozess, in den wir nicht eingreifen können.

Ist jemand, der die Miete nicht zahlt, ein Hausbesetzer?

Nein. Wer die Miete nicht zahlt, hat ein wirtschaftliches Problem und kann es nicht bewältigen. Deshalb wird er oder sie nicht zum Hausbesetzer. Laut unserer Erfahrung zahlen sie die Miete nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht können. Wir haben auch viele Fälle von Mietern, bei denen der Eigentümer Eigenbedarf geltend gemacht und sie aufgefordert hat, die Wohnung zu verlassen. Sie hören nicht auf, die Miete zu zahlen, ziehen aber auch nicht aus, weil sie keine andere Unterkunft finden.

Gewähren Banken mehr Sozialmieten als die Immobilienfonds?

Lange Zeit haben Banken gar keine Sozialmieten gewährt. In letzter Zeit haben wir einige vereinbart und freuen uns darüber. Bei den Geierfonds ist das unmöglich, wir wissen nicht einmal, wer dahintersteht. Es ist sehr schwer, einen Gesprächspartner zu finden.

Wie überzeugen Sie eine Bank?

Die Banken wissen, dass es besser ist, eine Wohnung vermietet zu haben, als sie leer stehen zu lassen. Wenn sie eine Familie vertreiben, wird eine andere kommen. Wobei ihnen das oft egal ist. Viele denken, dass Hausbesetzer schlechte Menschen sind, aber viele von ihnen besetzen aus Not. Ist das falsch? Ja, aber sie haben keine Alternative.

Wie würde Margalida Cladera das Wohnungsproblem in Palma lösen?

Schwierig. Es muss sozialer Wohnraum geschaffen werden, aber das reicht nicht aus. Gut wäre es, die Mietpreise zu begrenzen. Das würde nicht das gesamte Problem lösen, ginge aber in die richtige Richtung. Seit der Eröffnung unseres Büros hat sich die Lage immer weiter zugespitzt, immer mehr Arbeitnehmer können die Miete nicht mehr zahlen. Wenn sie von außerhalb sind, fragen wir sie, ob sie schon daran gedacht haben, auf dem Festland zu suchen. Auf Mallorca, nicht nur in Palma, ist es sehr schwierig, eine Wohnung zu finden.

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