Mallorca Zeitung

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Clans, Drogenpaläste und Hintermänner: Wie das Geschäft mit dem Kokain auf Mallorca vor der Großrazzia funktionierte

Die Guardia Civil zerschlägt in einer Großrazzia ein internationales Netzwerk, das die Insel mit Drogen versorgte. Unter den Festgenommenen ist auch der Patriarch der Drogensiedlung Son Banya

Im Innenhof der Villa von El Pablo in Palmas Stadtviertel La Soledat.

Das Kokain auf Mallorca dürfte künftig teurer werden. Die Guardia Civil hat ein internationales Netzwerk zerschlagen, das zumindest für einen Teil der Lieferungen des weißen Pulvers auf die Insel verantwortlich sein soll. Die Beamten nahmen in der „Jaque mate“ (Schachmatt) getauften Operation auf dem spanischen Festland und auf Mallorca 65 Personen fest, neben Spaniern auch Kolumbianer. Darunter befinden sich Carlos „El Charly“ Cortés, Präsident des balearischen Gitano-Verbands (so werden die Roma in Spanien genannt) und Patriarch der Drogensiedlung Son Banya sowie Joaquín „El Prestamista“ Fernández, ein durch die spanische TV-Sendung „Gipsy Kings“ bekannter Geldverleiher.

Ein Zehn-Kilo-Kokain-Päckchen brachte die Ermittlungen vor anderthalb Jahren ins Rollen. In drei Phasen schlug die Guardia Civil zu: zuerst im Dezember auf dem Festland, Ende Januar in Palma, Valencia und Toledo und am vergangenen Mittwoch (13.3.) noch einmal in Palma sowie den Gemeinden Marratxí und Algaida.

Eine palastartige Festung: Hier hauste Mallorcas Drogenbaron

Dabei stürmten die Polizisten auch das palastähnliche Anwesen des Drogenbosses Pablo „El Pablo“ Campos, der seit 2021 im Gefängnis sitzt, dessen Clan aber weiter im Drogengeschäft ist. Gleich zehn von außen unscheinbare Häuser im Carrer del Teix im ehemaligen Arbeiterviertel La Soledat in Palma verband El Pablo, um sich darin eine festungsartige Villa einzurichten. Obwohl es gerade mal zwei Stockwerke gibt, gönnte sich der Drogenbaron einen Fahrstuhl.

El Pablo verband zehn Häuser zu einem Palast. Google

Überwachungskameras filmten, was rund um das 1.000 Quadratmeter große Anwesen geschah. Der Carrer del Teix fungierte als eine Art Drive-in für Drogen. Innerhalb des Komplexes fanden die Beamten einen Fluchttunnel und Metallbecken, in denen im Notfall Geld und Rauschmittel zügig verbrannt werden konnten. Ordnung war hingegen keine Priorität. Der Palast soll von oben bis unten zugemüllt gewesen sein.

So kommt das Kokain nach Mallorca

Die beschlagnahmten Drogen ließen sich zurückführen auf die Organisation von Daniel Barrera, Spitzname „El Loco“ (Der Verrückte). Der Kolumbianer galt lange Zeit als einer der größten Drogenhändler der Welt, wurde aber 2012 festgenommen und von einem US-Gericht zu 35 Jahren Haft verurteilt. Seine Organisation existiert bis heute und verschickt die Drogen tonnenweise nach Europa. In diesem Fall erreichte das Kokain über Portugal den Hafen von Valencia. Die Guardia Civil vermutet, dass die Drogenhändler dort wie auch in Palmas Hafen korrupte Polizisten auf der Gehaltsrechnung stehen haben. In Spanien soll das Kokain von einem weiteren Kolumbianer, Eduardo López Miranda, in Empfang genommen worden sein. Die Polizei nahm ihn in der ersten Phase der Operation Schachmatt fest, als er in Murcia dabei war, 1,3 Tonnen Kokain zu erhalten, die in Granitblöcken versteckt waren. Die Guardia Civil schaffte die Päckchen später auf die Insel, um sie hier der Presse zu präsentieren.

Carlos Cortés bei seiner Festnahme. Ramon

In Valencia verkauften die Kolumbianer die Drogen an verschiedene spanische Clans, darunter die „Valencianos“. Bei ihnen handelt es sich um den Gitano-Clan, der die Rauschmittel nach Mallorca brachte. Erster Empfänger auf der Insel soll Carlos „El Charly“ Cortés gewesen sein. Der Präsident des Gitano-Verbands ist mit einer Tochter des Clanchefs der Valencianos, Julián Santiago, verheiratet. In Zehn-Kilo-Päckchen gelangten die Drogen nach Mallorca und Ibiza, wo sie letztlich von örtlichen Banden an die Konsumenten verkauft wurden. Eine große Rolle hier spielten „El Ove“ im Drogendorf Son Banya und „El Pablo“ in La Soledat. „El Prestamista“ soll gemeinsam mit einem am Dienstag (19.3.) nachträglich festgenommenen Goldhändler die Drogengeschäfte mitfinanziert haben.

Mallorcas Politiker in Sorge

Mit der Razzia sind auch die politischen Verbindungen der Clans in den Blickpunkt geraten. Die konservative PP und die rechtsextreme Vox hatten über Jahre hinweg um die Stimmen der Clans geworben. Der Drogenumschlagplatz Son Banya galt gewissermaßen als ihr Revier. Die Nachwellen der Razzia könnten unter anderem einen PP-Dezernenten im Rathaus erfassen. José Luis Haro ist derzeit für die Neugestaltung des an La Soledat angrenzenden Stadtviertels Nou Llevant zuständig. Bei einem abgehörten Gespräch mit „El Charly“ soll er gesagt haben: „Ich habe Angst, dass die ganze Sache auffliegt.“ Die Guardia Civil glaubt, dass Haro ein Mittelsmann des früheren konservativen Bürgermeisters Joan Fageda (1991 bis 2003) war. Auch der ehemalige General und Vox-Chef in Palma Fulgencio Coll unterhielt Beziehungen zu „El Charly“, der alle Vorwürfe gegen ihn abstreitet.

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