Auch auf Mallorca gibt trotz ansonster hoher Impfquoten viele Menschen, die sich nicht impfen lassen möchten. Laut offiziellen Zahlen haben rund 26.000 Personen den Behörden diese Entscheidung mitgeteilt. Wie Nicht-Geimpfte auf der Insel den Alltag erleben, welche Konflikte deswegen mit ihren Freunden, Partnern und Familien entstehen, erzählen hier fünf von ihnen. Den richtigen Namen wollte keiner der Protagonisten veröffentlicht sehen.

Anna Morales* (32): Stress mit dem Partner

Die Deutsche gerät mit ihrem mallorquinischen Partner regelmässig aneinander, wenn ausgerechnet er, der Geimpfte, mal wieder Kontaktperson war

So richtig hochgeschaukelt hat sich die ganze Corona-Diskussion bei meinem Freund und mir, als er an Weihnachten nicht nach Deutschland nachfliegen konnte. Ich war schon eher dort bei meinen Eltern und quasi auf dem Weg zum Flughafen, um ihn abzuholen. Da erzählte er mir im letzten Moment, dass er nicht in den Flieger steigen könne: Der Freund, mit dem er am Abend zuvor drei Stunden bei uns zu Hause in Palma ein Gesellschaftsspiel gespielt hatte, war positiv getestet worden.

Ob – oder für mich eher: wann – sich jeder von uns mit Corona infiziert, ist meiner Ansicht nach zu einem großen Teil Glückssache. Trotzdem war ich sauer. Musste er sich im milden Mallorca und in so wilden Zeiten kurz vor einem Treffen mit meiner ganzen Familie wirklich unbedingt drinnen treffen, während ich mit meinen Freunden in Deutschland bei Minusgraden mit drei Tees to go bewusst nur spazieren ging? Es kam noch besser: Ich fragte ihn – zugegebenermaßen ziemlich wütend –, wo er denn vorhabe, die Quarantäne zu verbringen, sofern er sich infiziert habe. Schließlich stand ein paar Tage später mein Rückflug auf die Insel an, und da ich keine anderen Familienmitglieder auf der Insel habe ...

"Du hättest dich impfen lassen können"

„Natürlich bei uns in der Wohnung“, entgegnete er mir. „Wenn ich wählen muss, wen ich im Zweifelsfall in Gefahr bringe, meine Mutter oder dich, nehme ich selbstverständlich dich. Du hättest dich ja impfen lassen können.“ Dieser Satz hat mich wirklich mitten ins Herz getroffen. Als Ungeimpfte, so seine Argumentation, sei ich schließlich selbst schuld, wenn ich mich eher oder schwerer infiziere. Seine geimpfte Mutter ist wegen ihres Alters einerseits selbst Risikogruppe, andererseits muss sie den behinderten Bruder meines Freundes pflegen. Der Vater meines Freundes ist schon verstorben.

Am Anfang hat sich mein Freund regelrecht geschämt, seiner Mutter zu sagen, dass ich nicht geimpft bin. Er wollte nicht, dass sie denkt, er sei mit einem verantwortungslosen Menschen zusammen. Dass gerade er, der mich am besten kennen müsste, meine (bisherige) Entscheidung nicht nachvollziehen kann, macht mich oft traurig.

Bei Ereignissen wie dem beschriebenen stelle ich deswegen die ganze Beziehung infrage. Gerade sind wir übrigens, für mich das erste Mal in zwei Jahren, in Quarantäne. Der Grund: Er wurde positiv getestet. Da konnte ich mir den ein oder anderen neckischen Spruch jetzt auch nicht verkneifen.

Michelle Weise* (38): Das Aus einer Freundschaft

Die Residentin hat keinen Kontakt mehr zu ihrer besten Freundin und Freundesclique in Deutschland

Ich habe meine beste Freundin und meine ganze Freundesclique um sie herum in Deutschland wegen der Impfdiskussion verloren. Im Sommer 2021 bin ich für einige Tage nach Deutschland geflogen, zufällig auch über den Geburtstag meiner besten Freundin. Wir haben uns beide schon lange im Voraus darauf gefreut, zusammen feiern zu können. Einen Tag bevor ich geflogen bin, habe ich dann indirekt über eine andere Freundin erfahren, dass ich auf ihrer Feier wohl gar nicht erwünscht bin. Ich bin ungeimpft, mein kompletter Freundeskreis in Deutschland geimpft.

Als ich meine beste Freundin daraufhin angerufen habe, hat sie mir offenbart, dass sich die Geburtstagsgesellschaft in meiner Anwesenheit unwohl fühlen würde, und mich auch noch einmal ganz offiziell selbst ausgeladen. Ich war sehr enttäuscht. Eigentlich war das doch eine Sache zwischen meiner besten Freundin und mir, doch sie hat sich offenbar von den anderen beeinflussen lassen. Es hat sich angefühlt, als hätten sich alle gegen mich verschworen. Zudem haben sie mir alle vorgeworfen, wie unsolidarisch ich mich verhalten würde, dadurch, dass ich mich bisher nicht habe impfen lassen. Bestimmt hatten sie auch Angst, dass ich das Virus aus Spanien einschleppe.

Meine freie Entscheidung

Da es bisher noch keine Impfpflicht gibt, finde ich trotzdem, es ist meine freie Entscheidung, ob ich mich impfen lasse oder nicht. Und durch diese Aktion habe ich mich nur wegen dieser Entscheidung erstmals wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt, ausgegrenzt aus der Gemeinschaft der Geimpften. Bis dahin war die ganze Diskussion für mich nur eine medizinische oder politische.

In meinem Freundeskreis hier auf der Insel etwa hat jeder seine Meinung, und sie wird toleriert. Bei meinem Deutschlandbesuch wurde das Thema plötzlich zu einem ganz persönlichen. Bis dahin hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich aus einer Freundschaft, die schon seit Jahrzehnten besteht, ausgeschlossen werde. Wir wurden schon alle zusammen eingeschult, und für mich gibt es kaum etwas Wichtigeres als Freundschaften.

Zu meinen einstigen Freunden habe ich bis heute keinen Kontakt – auch weil sie meine Enttäuschung zu keinem Zeitpunkt verstanden haben. Keiner von ihnen hat mich gefragt, warum ich nicht geimpft bin, oder sich noch einmal bei mir gemeldet. Dennoch bin ich fast dankbar: Wenn so etwas eine Freundschaft zerstören kann, war sie nicht so, wie man dachte, dass sie ist. Und es ging nur um Corona. Ich habe doch nicht mit dem Mann meiner besten Freundin geschlafen.

Francisca Moll* (48): Mein Partner sorgt sich um mich

Die Mallorquinerin wird oft von ihren Freunden geneckt

Ich muss mir von manchen Freunden immer noch oft Neckereien und blöde Sprüche anhören, weil ich nicht geimpft bin. Als sich meine Altersgruppe impfen lassen konnte, hat mir ein Freund jeden Morgen nach dem Aufstehen einen personalisierten Sticker auf WhatsApp geschickt. Er zeigt ihn neben einer Spritze mit erhobenem Zeigefinger. Oben drüber steht „Lass dich impfen!“ Das hat er über einen Monat lang so durchgezogen. Als wir uns vor Kurzem bei einem Sportevent gesehen haben, hat er mich auf dem Weg zum Auto wieder gefragt, ob ich mich nun habe impfen lassen. Als ich es verneint habe, hat er mich erneut zum Impfen aufgefordert.

Lasse mich auf keine Diskussionen ein

Das Gute ist: Ich bin standhaft und lasse mich erst auf gar keine Diskussion ein. Sollte ein Freund von mir sauer auf mich sein, weil ich mich nicht impfen lasse, ist das sein Problem. Ich respektiere schließlich auch die Entscheidung eines jeden Einzelnen. So kommen wir nun ganz gut klar. Mein Freund meidet mich also nicht. Wenn wir zusammen Sushi essen gehen, sitzen wir derzeit eben im Außenbereich des Restaurants. Dann beschwert er sich kurz oft, dass es ihm zu kalt ist, beruhigt sich aber auch schnell wieder.

Ein anderer Freund sagt mir manchmal im Spaß, dass er zwar zu meiner Beerdigung kommen, aber nicht weinen wird. Denn: Er hat mich ja gewarnt, dass ich sterben könnte, wenn ich mich nicht impfen lasse. Das klingt erst einmal hart. Ich nehme ihm solche Kommentare aber trotzdem nicht übel. Er sagt, dass er Derartiges auch nur loslässt, weil er mich mag und Angst um ich hat. Am Ende ist die ganze Impfdiskussion auch eine Probe für die jeweilige Freundschaft. Und die haben in meinem Fall bisher glücklicherweise alle Freunde bestanden.

Der besagte Sticker. Privat

Lisa-Marie Schneider * (28): Ungeimpft tindern ist schwierig

Der Deutschen steht der Impfstatus bei der Partnersuche im Weg

Ich bin mir sicher, dass ich mit Jonas* jetzt eine schöne Beziehung hätte, wenn wir uns in Nicht-Pandemiezeiten kennengelernt hätten. Obwohl wir versucht haben, die Diskussion ums Impfen und Coronathemen nicht anzuschneiden, stand beides die ganze Zeit zwischen uns. Jonas ist ein großer Impfbefürworter und würde sich am liebsten jede Woche impfen lassen. Bis auf dieses eine Thema hat es gut zwischen uns gepasst, also habe ich ihm gesagt, ich sei geimpft – um Diskussionen zu vermeiden.

Besonders zugespitzt hat sich die Stimmung zwischen uns ab dem Zeitpunkt, als Ungeimpfte nicht mehr in Restaurants mit mehr als 50 Personen essen durften. Wir waren in einem Hotel, durften aber nicht ins Restaurant, da ich keinen Impfpass vorweisen konnte. Ihm hatte ich gesagt, ich hätte ihn zu Hause vergessen. Dass wir das Essen dann aufs Zimmer bestellen mussten, fand er überhaupt nicht toll.

Auch als wir einmal gemeinsam bei einem befreundeten Paar von mir waren, das dem Thema Impfung wie ich skeptisch gegenübersteht, ist es ausgeartet. Als Jonas mit dem Partner meiner Bekannten heftig ins Diskutieren kam, bin ich auf die Toilette gegangen. Ich konnte es mir einfach nicht anhören. Es hätte so ein schöner Abend werden können. Danach hat Jonas mir gesagt: „Bring mich nie wieder zu solchen Covidleugnern!“

Er hat mich nicht mehr angefasst

Das war auch der Zeitpunkt, ab dem er mich nicht mehr angefasst hat. Schon wenig später haben wir unser sonst sehr erfolgreiches Kennenlernen beendet. Er meinte, er bräuchte eine Partnerin, mit der er offen über Corona-Themen sprechen könnte. Dass die Beziehung am Ende nur wegen der Pandemie gescheitert ist, hat mir echt wehgetan. Ich war auch sehr wütend darüber, wie die Gesellschaft dadurch gespalten wurde.

Danach war ich wieder auf der Dating-App Tinder unterwegs. Doch auch da kommt das Thema spätestens auf, wenn man ausmacht, wo man sich trifft. Als Ungeimpfte ist es mir fast unmöglich, ein ganz normales Date im Restaurant zu haben. Am Abend ist es oft schon zu kalt, um auf der Terrasse zu sitzen. Also treffe ich mich meist tagsüber, etwa am Strand.

Die Tatsache, dass die Nutzer der App oft direkt in ihr Profil ihren Impfstatus schreiben, sagt schon viel über die ganze Spaltung aus. Wenn ich jemanden sehe, der „geimpft“ dort stehen hat, will ich erst gar kein Match mit ihm. Oft sind es Menschen, die stolz auf ihren Impfstatus und fanatisch sind. Da weiß ich dann schnell, dass das mit uns sowieso nichts werden kann.

Guillem Forteza* (51): Solidarität von den Kollegen

Der mallorquinische Krankenpflegehelfer sorgt sich um Datenschutz und Impfpflicht

Ich arbeite als Krankenpflegehelfer und habe gerade „Glück“: Die Stimmung unter den Kollegen ist angespannt, weil für Mitarbeiter des Gesundheitssystems der Covid-Pass schon jetzt Pflicht ist und über eine Impfpflicht diskutiert wird. Das bekomme ich gerade Gott sei Dank nicht mehr täglich direkt mit, Kollegen berichten mir aber regelmäßig davon. Einige haben Anfeindungen erlebt, weil sie ungeimpft sind. Ich bin aktuell krankgeschrieben und werde Ende Januar an der Hüfte operiert, falle danach also auch noch eine Zeit lang aus. Eigentlich müsste ich mir überhaupt keine Sorgen machen, wie es ab schätzungsweise April für mich weitergeht.

Und doch mache ich es. Das Thema schwirrt mir oft im Kopf herum, obwohl ich gerade ganz alleine auf dem Land lebe. Das macht mich wütend, es nimmt einem die gedankliche Freiheit. Im beruflichen Bereich persönlich angegriffen wurde ich bisher noch nicht – auch weil ich potenziellen Diskussionen keinen Nährboden biete.

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Die Stimmung leidet

Seit wir auf der Arbeit aber aufgefordert wurden, unser Covid-Zertifikat zu schicken, wächst der Druck, und die Stimmung leidet. Einige Kollegen und ich haben uns daraufhin in einer WhatsApp-Gruppe zusammengetan, um dagegen vorzugehen. Der Großteil ist sogar geimpft. Es geht uns vor allem auch um Datenschutzanliegen, etwa dass wir nicht gezwungen werden, den Zugang zu unserer Krankengeschichte zu erlauben. Viele haben sich aus Angst um ihre Arbeit nun impfen lassen. Mal abwarten. Bis ich wieder fit bin, kann noch viel passieren.