Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Warum es die Weinbauern auf Mallorca immer schwerer haben, Erntehelfer für die Weinlese zu finden

Bürokratische Hürden und die Konkurrenz durch die touristische Hochsaison sind nur zwei der Gründe

Für Joan Jaume ist es schon die vierte Weinlese bei der Bodega Can Majoral in Algaida. | FOTO: MIREIA OLIVER

Als Joan Jaume am Dienstagmittag (29.8.) an sein Handy geht, ist er ausnahmsweise noch in den Weinfeldern in der Gemeinde Algaida bei der Traubenernte. Normalerweise knallt die Sonne im August um die Mittagszeit so sehr, dass der 31-Jährige auf der Bodega Can Majoral die Arbeit im Freien schon am Morgen hinter sich bringt. Vergangene Woche fingen er und die weiteren Erntehelfer daher bereits um 6 Uhr an und waren so schon gegen 1 1 Uhr fertig. „Heute sind aber einige Wolken am Himmel“, meint Jaume. „Außerdem hat es nach dem Sturm am vergangenen Wochenende deutlich abgekühlt.“

Dem hochsommerlichen Klima ausgesetzt

Während andere Arbeitnehmer in klimatisierten Büroräumen sitzen, können sich Erntehelfer dem hochsommerlichen Klima kaum entziehen. Aber das nimmt Jaume in Kauf: Er liebt die „Welt des Weins“, wie er sagt. Schon früher hat er immer wieder auf einer Bodega beim Abfüllen von Wein mitgeholfen. „Bei den Weinlesen hier lerne ich zudem immer auch viele Leute kennen, mit denen ich nach wie vor in Kontakt bin. Die Stimmung ist gut, und das Gehalt stimmt auch“, sagt er. Bei Can Majoral verdiene er etwas mehr als den vorgegebenen Mindestlohn.

Harte Arbeit

Obwohl sich die Arbeit zwischen den Reben im Vergleich zu anderen Jobs als besonders hart erweist, ist es schon Jaumes vierte Weinlese bei der Bodega Can Majoral. Rund einen Monat lang packt er hier jedes Jahr mit an. An seine allererste Saison erinnert er sich noch genau: „Es war sehr hart und hat eine Weile gedauert, bis mein Körper und ich uns an die Arbeit gewöhnt haben“, so Jaume, der den Rest des Jahres von anderen Jobs lebt, die sich mit etwas Glück finden.

Durch seine Flexibilität ist er für die Weinbauern ein attraktiver Helfer, auf den sie im besten Fall auch im Folgejahr wieder setzen können. Denn welcher normale Arbeitnehmer hat schon zum Zeitpunkt der Weinlese mehrere Wochen am Stück frei und will sich währenddessen noch dazu körperlich so hart betätigen?

Viele Trauben, wenig Erntehelfer. Xisca Armero

Wenige Interessenten

Mireia Oliver koordiniert das Familienunternehmen Can Majoral. Wie viele ihrer Kollegen stellt sie während der Weinlese zusätzlich zu dem ganzjährig bei ihr arbeitenden Personal weitere Helfer ein. In diesem Jahr sind es drei Mallorquiner. Neben Joan Jaume packen auch zwei 17-Jährige mit an. „Sie wollen sich, bevor die Schule wieder losgeht, noch etwas dazuverdienen“, erklärt Oliver. Mit 100.000 Kilo Trauben, die geerntet werden müssen, ist ihr Betrieb vergleichsweise klein. Größere Bodegas bräuchten leicht um die zehn Erntehelfer für ihre vendimia.

Alle von der MZ befragten Weinbauern sind sich einig: Es wird immer schwieriger, Personal für die Weinlese zu finden. „Es ist nicht so, dass hier jede Woche Lebensläufe eintrudeln“, stellt Oliver klar. Ein zusätzliches Problem: Die Weinlese fällt jedes Jahr mit der touristischen Hochsaison zusammen, Gastro-Betriebe und Hotels machen den Weinbauern auf dem Arbeitsmarkt große Konkurrenz. „Es ist leichter, im Schatten den Urlaubern Essen zu servieren, als in der prallen Sonne Trauben zu ernten“, betont Oliver.

25 Prozent mehr Gehalt als Mindestlohn

Damit die Erntehelfer auch im folgenden Jahr wieder kommen, müssen die Weinbauern sie gut behandeln und bezahlen, meint auch Joan Gaia, Koordinator des Bauernverbands Unió de Pagesos. Gibt es trotz der harten Arbeitsbedingungen gerade einmal den Mindestlohn, suchen sich viele mögliche Erntehelfer lieber einen anderen Job. Nach Angaben von Gaia zahlen viele Weinbauern 25 Prozent über dem Mindestlohn.

Um nicht für den kurzen Zeitraum der Weinlese ständig neue Mitarbeiter suchen und einlernen zu müssen, kommen bevorzugt bereits erprobte Helfer zum Einsatz. Da es sich bei den Bodegas mit Handlese meist um kleinere Betriebe handelt, sei die Einstellung unkomplizierter, der Kontakt persönlicher, so Gaia. Auch Bodegas, hinter denen zahlungskräftige ausländische Investoren stehen, behandelten ihre Erntehelfer gut. „Die Philosophie der ausländischen Weinbauern ist der mallorquinischen sehr ähnlich. Wenn sich jemand für die Weinproduktion entscheidet, macht er es, weil es ihm ein Herzensanliegen ist, er Mallorca, das Klima und die Produkte der Insel mag“, so Gaia.

Packt schon zum vierten Mal mit an: Joan Jaume. Can Majoral

Wenig Beachtung für einen kleinen Sektor

Der Weinbau sei auf Mallorca ein Sektor mit vergleichsweise wenig Mitarbeitern, so dass er arbeitsrechtlich für die Politik nicht an erster Stelle steht. So sei der für die Branche geltende Tarifvertrag seit 2006 nicht mehr erneuert worden. Gaia kritisiert etwa, dass er für die oft unter einem Monat angestellten Erntehelfer keine eigene Vertragsart vorsieht. Daher seien einige Weinbauern gezwungen, provisorische Lösungen zu suchen.

Kein festes Profil

Ein festes Profil der Helfer gebe es nicht, bestätigt Xisca Armero von der Bodega Armero i Adrover in Felanitx. Bei ihr helfen in diesem Jahr drei eigens für die Weinlese eingestellte junge Maghrebiner mit. Armero hat sie über das Arbeitsamt (SOIB) gefunden. Oft komme ein Kontakt zu möglichen Helfern über die ganzjährig auf der Bodega arbeitenden Mitarbeiter zustande. Wer jemanden kennt, der während der Weinlese arbeitslos ist, gibt Armero Bescheid. Etwa 80 Prozent der Erntehelfer seien Männer. „Es gibt aber zunehmend mehr Frauen“, stellt Armero klar.

Von klein auf bei der Weinlese dabei

Der 32-Jährigen wurde das Wein-Business praktisch in die Wiege gelegt. Sie wurde 1991 geboren, die Bodega 1992 von ihren Eltern gegründet. „Ich erinnere mich noch daran, dass die Weinlese in Zeiten meiner Kindheit etwas sehr Familiäres war. Mehrere Familien kamen zum Helfen zusammen. Und wir sind zur Weinlese aufs Festland zu Verwandten gefahren.“ Früher sei die Weinlese wie ein Fest für sie gewesen, so die Mallorquinerin.

Mittlerweile ist sie für Armero vor allem eines – harte Arbeit und der entscheidendste Moment im Jahresverlauf. „Schließlich steht die Arbeit eines ganzen Jahres auf dem Spiel.“ Und ob sie Früchte trägt, liegt nicht zuletzt an den Erntehelfern.

Artikel teilen

stats