Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

"Zwei völlig unterschiedliche Leben": So wirkt sich die Arbeit im Sommer auf das Sozialleben der Saisonarbeiter aus

Drei Paare und Familien erzählen von ihren Erfahrungen

Links: Yaye Yakha Seck und ihr Mann Mouhamadou Falilou Diop. Rechts: Felix Stadtlander und seine Freundin Daniela Bunk. Privat

Den allerersten großen Abschied von ihrer damals gerade einmal 19 Monate alten Tochter im Senegal im April 2016 wird Yaye Yakha Seck vermutlich ihr ganzes Leben lang nicht vergessen. „Es war wirklich furchtbar. Ich habe auch danach noch lange jede Nacht geweint“, erinnert sich die 32-Jährige, die vor zwanzig Jahren mit ihrer Mutter nach Mallorca gekommen war, den Winter aber stets im Senegal verbringt. „Mir ging es dann die ganze Saison lang auf der Insel so schlecht, dass ich mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren konnte“, so Seck. Die Senegalesin arbeitet wie ihr Mann als Saisonkraft (fijo discontinuo) im Restaurant Mile’s in Cala Millor. Obwohl die junge Mutter das schlechte Gewissen gegenüber ihrer Tochter fast auffraß, versuchte sie, bis zum Ende der Saison durchzuhalten. Doch es ging nicht. Letztlich flog Seck Anfang Oktober, noch bevor ihr Vertrag endete, wieder in den Senegal.

Yaye Yakha Seck während der Arbeit. Privat

Lange von den Kindern getrennt

Mittlerweile hat das senegalesische Paar auch einen sieben Jahre alten Sohn. Die Winter verbringt die vierköpfige Familie komplett im Senegal, zum Saisonbeginn geht es für Seck und ihren Mann dann nach Mallorca. Die Kinder verbleiben im Senegal. Während der Schulferien, von Juni bis September, kommen sie dann nach Mallorca – meist mit Secks Mutter, die in Sa Coma Haare flicht. Genauso hat es auch Secks Mutter schon damals mit Seck gehandhabt. Die 32-Jährige ist sehr froh über die Unterstützung ihrer Mutter auf der Insel. „Da mein Mann und ich Vollzeit arbeiten, wäre es sonst schwer, alles zu organisieren.“

Sind eher Freunde als Chef und Angestellte: Mark Wycislik vom "Mile's" in Cala Millor und Yaye Yakha Seck. Privat

Auch in Sachen Arbeitgeber hat Seck Glück: Ihr Chef, der mittlerweile vielmehr ein Freund ist, hat zwei Kinder im selben Alter. Ihre Kids seien eng mit seinen befreundet, würden viel Zeit miteinander verbringen. Wohl auch deshalb ist Secks Chef besonders verständnisvoll und flexibel, etwa was die Arbeitszeiten des Paares betrifft. Die Barfrau beginnt ihren Arbeitstag am Vormittag, der Kellner am Nachmittag. „Anders könnten wir unsere Kinder nicht betreuen“, so Seck.

Die Kleinen würden Mallorca lieben, gingen gerne an den Strand. Manchmal hat Seck dafür nach der Arbeit allerdings keine Kraft mehr. Und der Haushalt muss schließlich auch erledigt werden. „Teilweise vertröste ich sie dann auf den nächsten Tag. Wenn es dann auch nicht klappt, insistieren sie“, weiß Seck.

Yaye Yakha Seck und ihr Mann Mouhamadou Falilou Diop. Privat

Doppelleben für eine Familie

Ihre Eltern ganzjährig bei sich hat die fünf Jahre alte Tochter von Liliana Costa* (Name geändert) zwar. Dennoch hätte sie im Gegensatz zu Secks Kindern am liebsten, dass immer Winter ist. Dann haben sowohl ihr Papa als auch ihre Mama frei. Costa arbeitet seit 2013, ihr Partner schon seit 2009 einen Großteil des Jahres als fijos discontinuos an der Rezeption in Hotels in Cala Mesquida. Sie haben sich bewusst ähnlich wie Seck und ihr Mann organisiert. Einer macht die Morgenschicht, der andere die Nachmittagsschicht.

Obwohl Costas Eltern teils auf der Insel leben, hat sie ihre Stunden mittlerweile auf 30 pro Woche reduziert. „Meine Eltern helfen mir zwar, ich will sie aber dennoch nicht regelmäßig mit der Betreuung unserer Tochter beauftragen“, sagt die 40-Jährige. Während der Saison komme es kaum vor, dass alle, Mama, Papa und Tochter, Zeit zusammen verbringen können. Dann zählt nicht nur für die Fünfjährige jeder Tag. Das weiß die Kleine längst. Erst kürzlich wollte sie sich mit einer Freundin zum Spielen treffen. Als diese nicht konnte, schlug ihre Mutter vor, das Treffen auf Mittwoch (8.5.) zu verschieben. „An dem Tag lieber nicht. Da habt ihr beide frei“, sagte die Kleine.

Die Saison naht

Ich will nicht, dass ihr wieder anfangt zu arbeiten“, klage die Fünfjährige, wenn sie spürt, dass der Frühling nach den wie im Flug vergangenen Wintermonaten wieder vor der Türe steht. Nicht nur mit ihren Eltern und ihrem Partner muss Costa dann alles genauestens planen. Auch Treffen mit ihren Freunden, ebenfalls hauptsächlich fijos discontinuos, seien für sie dann wieder deutlich schwieriger zu organisieren. „Ich habe Frühschicht“, „Ich Spätschicht“, „Ich kann nicht so spät ins Bett gehen“, höre die studierte Psychologin dann oft von ihnen.

Fernbeziehung muss flexibel sein

Felix Stadtlander kümmert sich rund um die Playa etwa um Urlaubergruppen, die eine Finca suchen oder diverse Aktivitäten buchen wollen. „Schon an Weihnachten bekomme ich wieder zahlreiche Anfragen – ob für Junggesellenabschiede, von Kegelclubs oder Freundesgruppen“, erzählt Stadtlander. Je näher die Saison dann rückt, desto kleiner werden die Abstände, in denen sein Handy klingelt oder Nachrichten aufploppen. „Ich lade während der Saison zweimal pro Tag meinen Handyakku auf und habe immer ein Zweithandy dabei. Schließlich muss ich erreichbar sein, wenn etwa der gebuchte Bus zu spät kommt oder eine Gruppe spontan eine Aktivität buchen will“, erzählt der 37-Jährige, der mit seiner in Deutschland lebenden Freundin Daniela Bunk eine Fernbeziehung führt.

Wenn das Handy beim Essen im Restaurant klingelt

Während Stadtlander im Winter auch mal für mehrere Wochen bei der 35-Jährigen ist, ist es im Sommer an ihr, ihn einmal pro Monat auf der Insel zu besuchen. Und selbst dann muss Stadtlander teils beim Restaurantbesuch spontane Anrufe entgegen nehmen. „Im Winter ist die gemeinsame Zeit auf jeden Fall entspannter“, weiß Bunk. Im Sommer an der Playa spazieren zu gehen, wo fast jeder ihren Freund kennt, sei eher ein nerviges Unterfangen. „Er hält alle paar Meter an, um mit jemandem zu schnacken“, sagt sie aber liebevoll. Der gebürtige Bremer wohnt bewusst nicht dort, sondern in Bahía Grande, an der „Grenze zum Spaß“, wie er sagt. Irgendwann ist schließlich auch mal gut.

Felix Stadtlander und seine Freundin. Privat

Zwischen den Welten

Wenn man Seck fragt, welches Leben sie lieber hätte, sagt sie. „Es sind zwei völlig unterschiedliche Leben. Und beide gefallen mir. Wenn ich im Senegal bin, vermisse ich es, auf Mallorca auf der Arbeit von A nach B zu rennen. Wenn ich auf Mallorca bin, vermisse ich die Ruhe.“ Wenn sich ihre beiden Kinder mittlerweile Anfang des Frühjahrs von ihr verabschieden, weinen sie nicht einmal mehr. „Die Situation hat sich längst normalisiert. Und ihnen geht es gut im Senegal“, sagt Seck.

Artikel teilen

stats