Manche Passagiere können ein Alptraum sein. Bis zu acht Mal pro Jahr fliegt Michael H. (Name von d. Red. geändert) nach Mallorca. Ob mit einer Gruppe oder allein: In Stimmung bringt sich der Ballermann-Urlauber meist schon vor der Landung. In einer Bar im Terminal trinkt er die ersten drei bis vier Bier.

An Bord geht es weiter, aber bis der Getränkewagen vorbeikommt, vergeht mindestens eine halbe Stunde. Also schmuggelt Michael H. Alkohol an Bord. Die Mitnahme von Getränken ins Flugzeug ist erlaubt, der Konsum von mitgebrachtem Alkohol aber nicht. Der Trick: Noch vor dem Boarding den Alkohol aus dem Duty-Free-Shop in eine gekaufte Cola-Flasche mischen. Bei den Stewards oder Stewardessen bestellt der Urlauber dann oft weitere Biere.

Bier aus dem Schlauch auf Ex

„Wenn ich richtig gut drauf bin, kann es gut passieren, dass ich mich an Bord danebenbenehme, dabei will ich eigentlich gar nicht auffallen,“ meint der Partyurlauber. Da war etwa der Mallorca-Flug, auf dem er kurz nach dem Start seine Lautsprecherboxen bis zum Anschlag aufdrehte. Obwohl ihn die Flugbegleiter zuvor dreimal baten, die Musik leiser zu drehen, liefen die Ballermann-Schlager bis zur Landung weiter. Es habe sich niemand beschwert, versichert der Wiener. Und dann wurde ein Trinkschlauch mit Trichter ausgepackt, zentrales Reise-Utensil der Partygruppe „Malle Schlauch Combo e.V.“, und sogleich mit Bier gefüllt.

Auf Flügen mit Partyurlaubern sei die Stimmung oft ausgelassen, und die sich entwickelnde Dynamik von Gruppen könne schon einmal die anderen Passagiere stören, berichtet ein Sprecher der Gewerkschaft der Flugbegleiter (UFO) der MZ. In der Ausbildung habe man allerdings im Detail gelernt, wie man mit solchen Passagieren umgehe. Und in der Praxis seien alkoholisierte Fluggäste inzwischen eine Ausnahme, so der Sprecher.

Das sieht das Protokoll vor

Die Identifikation problematischer Reisender beginne bereits beim Boarding. „Kommt jemand schon grölend an Bord, schwankt oder ist verbal übergriffig, gehen bei uns die Alarmglocken an.“ Erst sucht ein Flugbegleiter, dann der Chef des Kabinenpersonals das Gespräch. „Wird er auch ihm gegenüber ausfallend oder widersetzt sich etwa beim Anschnallen den Anweisungen, wird der Kapitän informiert. Er kann dann entscheiden, dass der Passagier nicht mitfliegen darf.“ Die Sicherheit an Bord habe Priorität – ein betrunkener Passagier könne bei einem Notfall auch eine Gefahr für sich selbst sein.

Wirklich kompliziert seien Vorfälle, die sich erst in der Luft ereignen. Auch dann greife das Kabinenpersonal sofort ein. „Nehmen wir an, eine Gruppe singt auf einem Flug um 6 Uhr morgens ‚Layla‘. Dann gehen wir zu den Passagieren hin und erklären ihnen, dass die anderen schlafen wollen“, so der Gewerkschaftssprecher. Falls ein freundliches Gespräch keine Wirkung zeigt, werden die Flugbegleiter deutlicher. Der Großteil der Passagiere zeige spätestens dann Verständnis.

Ein anderes Szenario: Erwischen die Flugbegleiter einen Passagier dabei, wie er mitgebrachten Alkohol trinkt, nehmen sie diesen in Beschlag. Zudem können sie augenscheinlich betrunkenen Reisenden das Bestellen alkoholischer Getränke für den gesamten Flug verwehren. „Einmal habe ich aus dem Augenwinkel gesehen, wie ein Passagier eine kleinen, mitgebrachten Schnaps trank“, so der Sprecher. Als er ihn zurechtwies, entschuldigte sich der Mann. „Es stellte sich heraus, dass er unter starker Flugangst litt und sie mit dem Alkohol betäuben wollte.“

Wenn gar nichts mehr hilft

In ganz seltenen Fällen, wenn die Situation gänzlich außer Kontrolle gerät, muss die Airline-Crew härtere Geschütze auffahren. So kann der Passagier darüber informiert werden, dass die Maschine eventuell zwischenlanden muss und für den Passagier dann womöglich Kosten entstehen. Zudem drohen auch rechtliche Konsequenzen. Und auch das Sicherheitspersonal des Flughafens und die örtliche Polizei könne man im Bedarfsfall verständigen. „Das ist die komplette Eskalationsstufe, die so nie passieren sollte.“

Bei Michael H. kam es jedoch einmal soweit, bei einem Zwischenfall mit einem Megafon der Crew, auf das er bei einem Flug aufmerksam geworden war. „Das könnten wir am Ballermann gut gebrauchen“, dachte er sich – und steckte es kurzerhand seinem Kumpel in den Rucksack. Ein Flugbegleiter beobachtete ihn und forderte die Rückgabe des Megafons – zunächst ohne Erfolg. Es musste einer der Piloten kommen, um die Sache zu klären.

Zur Strafe kein Essen

Damals gab es für Passagiere noch kostenlose Getränke und Snacks. Doch die beiden Ballermann-Touristen gingen leer aus, erinnert sich Michael H. Nach der Landung wurden dann alle Passagiere aufgefordert, noch eine Weile sitzen zu bleiben. Zwei Polizisten kamen an Bord und nahmen den Kumpel des Urlaubers mit, der das Megafon eingesteckt hatte.

„Ich saß hinter ihm, habe immer noch gegrinst und mir gedacht: ‚Das kann doch jetzt nicht wahr sein, so eine Aktion wegen eines Megafons!‘“, erinnert sich Michael H. Als er selbst ausstieg, verabschiedete ein Flugbegleiter ihn mit den Worten: „You’re a lucky boy“ – „Du hast noch mal Glück gehabt!“ Der Steward erklärte ihm, dass die Protokolle an Bord seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 sehr streng gehandhabt würden.

Wiedersehen am Gepäckband

Und der Kumpel? Ihn traf Michael H. schon wenige Minuten nach dem Ausstieg an der Gepäckausgabe wieder. „Er wurde nur zehn Minuten lang in einem einsamen Raum verhört“, erinnert sich der Ballermann-Urlauber.

In den kommenden Tagen steht bereits die nächste Reise nach Mallorca an. Auch seine Kollegen des „Malle Schlauch Combo e.V.“ trifft er dann. „Ich werde sehr früh am Flughafen sein, damit ich noch länger an der Bar sitzen kann“, kündigt Michael H. schon mal an. „Lieber ein Bier mehr trinken als eines zu wenig.“ Am Mittag wird er dann auf der Insel landen. „Ich hoffe, dass ich dann noch halbwegs gerade aus dem Flieger aussteigen kann.“