Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Pferdekutscher in Alcúdia auf Mallorca steigen schon mal auf Elektrokutschen auf

Alcúdia könnte die erste Gemeinde Spaniens sein, in denen Elektrokutschen die Pferdekutschen ersetzen. Auch auf Initiative der Kutscher selbst

Azahara Machado und die Kutscher von Alcúdia beim Prototyp-Test in Valencia. Rathaus Alcúdia

„Misshandler“, „Ihr solltet euch schämen!“, „Wie abscheulich“ sind nur einige der Kommentare, die Kutschfahrer auf Mallorca täglich zu hören bekommen. Nicht wenige Menschen empfinden diese Touristenattraktion als eine nicht mehr hinnehmbare Tierquälerei. Die caleseros (Kutscher) sehen das anders, aber der Druck auf sie ist über die Jahre immer weiter gewachsen. Zumindest in Alcúdia gewöhnen sie sich daher mittlerweile an den Gedanken, in Zukunft nicht mehr Zügel in der Hand zu halten, sondern das Lenkrad einer Elektrokutsche.

„Wir wissen, dass sich die Gesellschaft verändert hat. Die Touristen selbst wollen keine Pferde auf der Straße sehen, und wir verstehen das. Wir sind selbst Pferdeliebhaber. Deshalb wissen wir auch, dass es nicht gut für die Tiere ist, wenn es im Sommer so heiß ist“, sagt José Antonio Salazar (39), Sprecher der caleseros in Alcúdia.

Schon seit Jahren im Gespräch

Elektrokutschen sind in Spanien schon seit Jahren im Gespräch, geschehen ist aber bisher noch nichts. Nun könnte Alcúdia zum Vorreiter werden. Die öffentliche Kritik und der Druck der Gemeindeverwaltung haben Salazar und seine Kollegen zum Handeln bewegt. „Wir wollen arbeiten, ohne als die Bösen dazustehen“, erklärt er.

Die caleseros selbst waren die treibende Kraft hinter diesem Pionierprojekt, wie Azahara Machado, die zuständige Gemeinderätin erklärt. „Die Kutschfahrer misshandeln die Tiere nicht und kümmern sich gut um sie, aber sie konnten die ständigen Beschimpfungen nicht mehr ertragen“, sagt die Lokalpolitikerin von der Partei Unió per Alcúdia.

Hergestellt werden die Elektrokutschen von dem Unternehmen Beer Bike Spain in Xàtiva (Valencia). Die Gemeinderätin reiste persönlich mit den Kutschern aufs Festland, um den ersten Prototyp des Fahrzeugs zu begutachten und an die Bedürfnisse der caleseros anzupassen. Nun liegt es an der Firma, die Zulassung für die Fahrzeuge zu erhalten. „Die Kutschen können eine Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h erreichen und bis zu fünf Personen befördern“, erklärt Machado.

Es kann bis zu einem Jahr dauern

Die Zulassung der Elektrokutschen könnte ein Jahr dauern. „Sie werden also wahrscheinlich schon im Dezember auf unseren Straßen fahren“, hofft die Gemeinderätin. Bis dahin seien die Pferdekutschen noch erlaubt. Ab der vollständigen Zulassung aber müsse dann auf die Elektrokutschen umgestiegen werden. Die Gemeinde hatte bereits im Vorfeld viel Druck aufgebaut: Von 12 Uhr mittags bis 5 Uhr nachmittags durfte in der Hochsaison nicht mehr gefahren werden. Außerdem erließ das Rathaus ein Dekret, das erstmals vorsah, den Kutschverkehr während der vom staatlichen Wetterdienst Aemet festgelegten Zeiten bei gelben, orangen oder roten Hitzewarnungen auszusetzen.

Für die caleseros kann das empfindliche Einnahmeverluste bedeuten. Die Kutschfahrer in Alcúdia sind, wie auch anderswo häufig auf Mallorca, gitanos. So werden die spanischen Roma genannt. Sie verdienen sich schon in dritter Generation mit den Pferdekutschen ihren Lebensunterhalt. José Antonio Salazar denkt schon seit zehn Jahren über eine Veränderung nach: „Wir haben zu wenig Arbeitsstunden am Tag. Und nur sechs Monate, um Geld zu verdienen“, rechnet er vor.

Anderswo auf der Insel sind die Kutscher eher skeptisch. Die meisten sind fest davon überzeugt, dass ihr Angebot mit den Elektrofahrzeugen seinen Charme verlieren würde. Auch in Alcúdia haben die Kollegen Angst vor der Veränderung. Sie werden sich von ihren Tieren trennen müssen. „Wir haben keine andere Wahl, als sie zu verkaufen. Die Kosten der Pferdehaltung sind viel zu hoch, das ist heutzutage Luxus. Ein oder zwei Pferde würde ich gern behalten. Den restlichen werde ich ein besseres Leben ermöglichen“, sagt der Kutscher, dem ein halbes Dutzend Pferde gehört.

Zwischen 9.800 und 13.500 Euro

Es ist nicht einfach, ein ganzes Gewerbe auf den Kopf zu stellen – auch die Einführung der Elektrokutschen wird voraussichtlich noch viele Komplikationen mit sich bringen. Die Fahrer müssen die Kutschen aus eigener Tasche bezahlen – sie kosten zwischen 9.800 und 13.500 Euro. „Manche hatten das Geld für die Anzahlung, aber nicht für die ganze Kutsche. Also mussten sie private Kredite aufnehmen. Niemand subventioniert uns“, sagt Salazar. Außerdem seien die Wartungskosten sehr hoch. „Obwohl das Material lange hält, kosten die Batterien zwischen 3.000 und 6.000 Euro. Nicht alle haben das Geld – schließlich müssen sie sich ja noch weiter um die Tiere kümmern“, sagt Salazar.

Dennoch ist er zuversichtlich, dass es klappen wird. „In Deutschland hat die Umstellung ja auch funktioniert“, sagt er. „Die Pferde waren unsere einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Aber wir wissen, dass wir uns mit der Gesellschaft weiterentwickeln müssen, um voll akzeptiert zu werden. Auch für das Wohl unserer Tiere.“

Artikel teilen

stats