Neues Album von Mallorcas bekanntestem Songwriter – die eine entscheidende Zeile

Joan Miquel Oliver hat ein neues Album herausgebracht. Er kehrt darin zur Popmusik zurück. Auch wenn die bei ihm immer etwas anders klingt

Joan Miquel Oliver bei der Präsentation seines Albums im Plattenladen „Xocolat“. | FOTO: DM

Joan Miquel Oliver bei der Präsentation seines Albums im Plattenladen „Xocolat“. | FOTO: DM / Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Ein bisschen ist Joan Miquel Oliver wie Noel Gallagher. Nicht so sehr, was die Angeberei angeht. Vermutlich auch nicht, was den Kontostand betrifft. Aber genau wie der ehemalige Songwriter und Gitarrist von Oasis schafft es der 49-Jährige seit Jahrzehnten, Songs zu schreiben, die Generationen prägen – sowohl mit seiner Band Antònia Font als auch als Solokünstler. Und noch etwas haben Noel Gallagher und Joan Miquel Oliver gemeinsam: Sie bringen in ihren Liedern Zeilen unter, die bei den Konzerten von den Massen aus vollem Leibe mitgesungen werden – obwohl man nicht so sicher ist, was der Text eigentlich bedeutet. Oder was zum Teufel ist die „Wonderwall“ bei Oasis?

„Macht euch keine Sorgen, wenn der Text nicht gleich Sinn ergibt“, erklärt Joan Miquel Oliver denn auch bei einer Masterclass zum Thema Songwriting, die er vergangene Woche in Palma gab. Der Mann hat schon über „Gummistiefel-U-Boote“ und „schwerelose Landwirte“ geschrieben.

Die Methode, auf so etwas zu kommen, ist einfach: Joan Miquel Oliver läuft ständig mit einem Notizblock herum. Dort schreibt er Sätze, Wörter und Gedanken auf, die er so aufschnappt. Nicht selten, erklärt er in der Masterclass, schreibe er einen Song genau auf so eine Zeile hin. Mit etwas Glück wird daraus dieser eine Moment in einem Lied, in dem dann Tausende Menschen „But Don’t Look Back in Anger, I Heard You Say“ singen. Oder, bei Antònia Font etwa „Retxes de sol atravessen blaus marins“ (Sonnenstrahlen durchbrechen das Blau des Meeres).

Heißer Ohrwurm-Kandidat

Ob eine oder mehrere Zeilen aus dem neuen Album „Electronic Devices“ diesen Status erreichen, muss sich erst noch herausstellen. Ein heißer Kandidat ist jedenfalls der Refrain aus dem auf Italienisch, Katalanisch und Spanisch gesungenen „Siento feelings“: „Digas lo que digas, y hagas lo que hagas, esta noche no me quito las bragas“, singt Gastsängerin Stefania Lusini, die von der Punkband Sandré bekannt ist. (Was du auch sagst, was du auch machst, heute Nacht ziehe ich mein Höschen nicht aus).

Es ist einer der eingängigeren Songs auf dem Album, beginnt mit einem typischen breiten Synthesizer-Teppich und beweist, dass Oliver den Weg zurückgefunden hat zum Pop. Bei seinem vorherigen Soloalbum von vor drei Jahren hatte er noch mit abstrakter, instrumentaler Musik experimentiert. Es war eher etwas für den Kopf als für das Herz. Ganz nett, aber nichts, was bleibt.

Das Cover des Albums „Electronic Devices“   | FOTO: BLAU

Das Cover des Albums „Electronic Devices“ / | FOTO: BLAU

So ganz auf Experimente verzichtet er aber auch bei „Electronic Devices“ nicht (den Albumtitel hatte er sich ebenfalls notiert, vermutlich im Flugzeug). Gleich der dritte Song kombiniert etwas hölzern klingende Dip-Düp-Döp-Synthesizer-Klänge – auch die kennt man von Oliver – mit einer rund dreiminütigen WhatsApp-Audionachricht, die ihm ein Freund aus Portocolom geschickt hat. Der Freund erzählt ihm darin, wie er auf dem Nachhauseweg 50 Euro auf einer Brücke findet. Und sich darüber des Lebens freut. Je häufiger man diesen „Song“ anhört, desto mehr wächst er einem ans Herz.

Langer Anlauf

Das ist eines der Phänomene, die Joan Miquel Olivers Soloalben so besonders machen. Viele der Lieder wollten erst einige Male gehört sein, bis einem plötzlich eine Melodie auffällt oder dieser eine Clou. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich seine Musik so schwer mit der von anderen Künstlern vergleichen lässt. Ganz unbeeindruckt von Trends, bedient sich Oliver an allen möglichen Sounds.

Und er ist ein Geschichtenerzähler, der schon immer ein wenig in seiner eigenen, von Marsmännchen, Eisverkäufern und Automaten bevölkerten Welt gelebt hat. Die erste Single auf dem neuen Album ist denn auch„Robot mayordomo“. Oliver singt darin über einen „Roboter-Butler“, der ein tristes Leben fristet. Er macht die Wäsche, serviert die Drinks und hat auch noch einen großen Haufen Klamotten, die er bügeln muss. Dabei würde er sich nur wünschen, dass er endlich mal für eine Weile ausgeschaltet wird. Aber die bösen Menschen beuten ihn weiter aus.

Alleine mit der Gitarre

Bei seiner Masterclass skizziert Oliver zwei Situationen, in denen er komponiert. Die eine ist sein Gang ins Studio. Eine Aufgabe, so klingt es zumindest durch, die er wie eine Art Bürojob angeht. Die andere Situation ist „gelangweilt auf dem Bett liegen und auf der Gitarre herumklimpern.“ Womöglich will er damit den Workshop-Teilnehmern vermitteln, dass man Songs am besten schreibt, indem man anfängt, Songs zu schreiben. Egal, wo man sich befindet.

Aber vielleicht ist das Zufällige auch der wahre Kern seiner Arbeitsweise. Darauf deutet auch der letzte Song auf dem Album hin. „Georgina“ ist ein exakt einminütiges Lied, das so klingt, als wurde es nicht in einem Studio aufgenommen. Vier Akkorde, im Arpeggio heruntergeklimpert, und Joan Miquel Oliver schildert darin lose Alltagsbeobachtungen. Und so unwahrscheinlich es klingt: Womöglich ist auch dies eines dieser Lieder, die bald von Hunderten Zuschauern bei Konzerten gesungen werden.

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