"Hauptwache" in Wetzlar

Petra Mandra ist seit sechs Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Antonino Mandra, einem Italiener, Pächter der „Hauptwache" im hessischen Wetzlar. Das Restaurant liegt direkt am Domplatz, einem gerade auch von Touristen häufig frequentierten Platz der beschaulichen Fachwerkstadt. Seit dem 2. November ist das Lokal für den Publikumsverkehr wieder geschlossen, die Bundesregierung hatte den Lockdown veranlasst, um die Infektionszahlen nicht weiter ansteigen zu lassen. Am Mittwoch wurde der Lockdown zunächst bis 20. Dezember verlängert. Wahrscheinlich ist aber, dass es danach noch einmal eine zweiwöchige Verlängerung gibt. Das zweite Mal nach dem vergangenen Frühling muss Mandra sehen, wie sie über die Runden kommt. „Dieses Jahr existiert für uns nicht, wir haben kein Geld verdient", sagt die 56-Jährige am Telefon. Ihr Ziel: mit möglichst wenig Verlust aus dem Jahr herausgehen.

In Deutschland gibt es für die Gastronomen, genau wie für die anderen Branchen, die nun vom November-Lockdown betroffen sind, großzügige Unterstützung. Die Bundesregierung hat zehn Milliarden Euro locker gemacht, um den Branchen, die ihre Betriebe nun schließen mussten, 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 zu zahlen. Auch für den Dezember soll es noch einmal 17 Milliarden Euro an Hilfen geben. „Dieses Geld müssen wir nicht zurückzahlen", sagt Mandra, die sich zwar über das Geld freut, aber auch sagt: „Das rettet einem nicht das Jahr, zumal da einiges herausgerechnet wird." So etwa weitere Überbrückungshilfen oder das Kurzarbeitergeld, das Mandra allerdings nicht in Anspruch genommen hat. Für Angestellte in Deutschland, die von der Arbeit freigestellt sind, gibt es in den ersten drei Monaten 60 Prozent des Nettoverdienstes, ab dem vierten Monat 70 Prozent und ab dem siebten Monat 80 Prozent. Diese Regelung gilt noch bis zum 31. Dezember.

Dass sie die gesamten Umsätze, die sie durch Außer-Haus-Verkauf von Speisen behalten darf, wusste Mandra bisher nicht. Diesen Sonderfall hat die Bundesregierung für die Gastronomiebranche vorgesehen. Unter Umständen kann damit ein Restaurant sogar mehr erwirtschaften als im vergangenen November. Rechnet man, wie die Bundesregierung, dass ein Betrieb im November 2019 etwa 8.000 Euro Umsatz gemacht hat, dann würde die November-Hilfe 6.000 Euro abdecken. Verkauft das Lokal dann noch für 2.500 Euro Essen an Abholer, hat es unter dem Strich 500 Euro mehr Umsatz gemacht als vergangenen November.

Dennoch: Die Lage sei richtig mies. Bereits im Frühjahr musste Mandra die „Hauptwache" zehn Wochen lang schließen. „Dafür haben wir eine Soforthilfe von 8.000 Euro bekommen", sagt sie. Dieses Geld sei zu einem Teil im Sommer in die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen geflossen. Das Geld kam erst mehrere Wochen nach der Schließung des Lokals auf dem Konto an. Von Kollegen wisse sie aber, dass manche die Hilfen schon nach wenigen Tagen bekommen haben. „Das hat ganz gut funktioniert", sagt sie.

Anders als jetzt im November. Erst seit Mittwoch (25.11.) kann überhaupt der Antrag für die neuen Hilfen gestellt werden - möglich nur durch einen Steuerberater. „Für manche, die seit Anfang November keinen Cent mehr verdienen, ist das schon zu spät", berichtet Mandra. Der Branchenverband Dehoga befürchtet, dass rund ein Drittel der Betriebe den Beginn des neuen Jahres nicht mehr erleben könnten.

Und das, obwohl es neben den Direkthilfen Förderkredite gibt, so etwa einen Schnellkredit der KfW im November. Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern können bis zu 300.000 Euro beantragen. „Wir haben das aber nicht getan, das muss man ja alles wieder zurückzahlen", erklärt Mandra. „Da werden im kommenden Jahr einige Gastronomen in große Schwierigkeiten kommen."

Weitere Entlastungen der Gastronomen, wie etwa die Senkung der Mehrwertsteuer auf das Essen in Restaurants Anfang Juli brachte kaum spürbare Entspannung. Weiter bezahlen musste Petra Mandra auch das gesamte Jahr über die Gebühren an die Stadt. „Wir durften lediglich im Sommer unsere Außenfläche erweitern, ohne dafür extra zu zahlen." Auch bei der Pacht kam der Vermieter kein Stückchen entgegen.

Personal abbauen musste die Gastronomin nicht, da sie zuletzt ausschließlich mit Aushilfen oder Teilzeitkräften arbeitete. „Aber nicht, weil ich das will, sondern weil es in Deutschland massiv an Menschen mangelt, die in der Gastronomie hart arbeiten wollen", sagt Mandra.

La Paloma und Chez Camille in Palma de Mallorca

Probleme, Personal zu finden, hat Mikael Appelqvist auf Mallorca nicht. Der 58-jährige Schwede ist Besitzer von zwei Restaurants in der Altstadt von Palma, dem La Paloma im Carrer Apuntadores und dem Chez Camille im Carrer im Carrer de la Mar. Zwar müsste er laut der momentanen Corona-Vorschriften auf den Balearen seine Lokale nicht schließen, der Umsatzeinbruch hätte ihm aber keine andere Wahl gelassen, berichtet Appelqvist. So kann er zumindest die Gehälter der Angestellten sparen, die sich allesamt derzeit in einem hundertprozentigen ERTE befinden, also von der Arbeit komplett freigestellt sind. Dafür bekommen sie 70 Prozent ihres Gehalts vom Arbeitsamt. Etwa 30 Mitarbeiter hat Appelqvist in seinen beiden Restaurants, viele davon in Vollzeit.

Es war auch für ihn ein vermaledeites Jahr auf der Insel, vor allem im ersten Lockdown, als alle Restaurants geschlossen waren. Mit dem 15. März stellte er seine Mitarbeiter frei. „Das war schon eine große Hilfe vonseiten der Politik", sagt er. „Wir haben dann Anfang Juli aufgemacht und zumindest ein paar Monate lang ein bisschen von dem Geschäft wieder reingeholt, das uns verloren gegangen ist", erzählt der Schwede am

Telefon. Als es im Sommer wieder losging, holte er die Mehrheit seiner Angestellten aus dem ERTE. Weil die Menschen verständlicherweise lieber im Freien sitzen wollten, erweiterte Appelqvist seine Außenflächen. Weil er das aber nicht beim Rathaus offiziell beantragte, setzte es einen Strafzettel von der Ortspolizei.

Und auch sonst sah es laut Appelqvist mit Unterstützung auf Mallorca sehr mau aus. „Es gibt nicht viel an Hilfen. Ende Oktober konnten Unternehmer in Palma maximal 2.500 Euro beantragen, aber das Budget reichte gerade mal für etwas mehr als 500 Betriebe, dann war es aufgebraucht", schildert er. Das Problem war, dass das Geld nicht nur für Gastronomen gedacht war, sondern für alle kleineren Betriebe in Palma. Er selbst schaffte es nicht, diese Förderung rechtzeitig zu beantragen.

Das Geld stammte von PalmaActiva, das gesamte Budget umfasste rund 1,77 Millionen Euro. 1,35 Millionen Euro gingen dabei als Direkthilfen an betroffene Unternehmen, weitere 426.000 Euro gab es für Betriebe, die ihre Angestellten wieder aus einem ERTE zurückgeholt haben, Arbeitsplätze erhalten oder gar geschaffen haben. Maximal 3.000 Euro bekam ein Betrieb, wenn er einen Arbeitnehmer aus einem ERTE holte, 2.000 Euro gab es für eine Neueinstellung und mit 1.500 Euro wurde die Umwandlung eines befristeten Vertrages in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis belohnt. Aber eben nur für die Schnellsten. Die Flut der Anträge war enorm, das Budget innerhalb von drei Tagen aufgebraucht, heißt es vom Branchenverband.

Sonstige Finanzspritzen oder Direkthilfen in bar gibt es bislang überhaupt nicht, weder vom spanischen Staat noch von der Balearen-Regierung. Auf nationaler Ebene wird derzeit an einem Hilfspaket für die Gastronomie gebastelt, spruchreif ist noch nichts. Einzelne Regionen in Spanien haben bereits Soforthilfen bezahlt, so etwa Galicien oder Murcia, wo Gastronomen teils bis zu 10.000 Euro bekommen haben.

„Wir hier können lediglich Kredite beantragen, die aber auch nur dann genehmigt werden, wenn es dem Unternehmen bis zum Beginn der Pandemie gut ging", sagt Appelqvist, der sich gezwungen sah, einen dieser zinslosen Kredite der mit der KfW vergleichbaren Förderbank ICO aufzunehmen. „Die Pause, die wir jetzt vor uns haben, bis im März vielleicht die Saison wieder losgeht, ist viel zu lang, als dass ich sie mit Rücklagen finanzieren könnte."

Ein paar wenige weitere Hilfen gab es indes für Unternehmer wie Appelqvist in diesem Jahr noch. So mussten sie während des Alarmzustandes im Frühjahr die Sozialversicherungsbeiträge für Selbstständige nicht bezahlen. Einzelne Gemeinden kamen den Wirten zudem bei örtlichen Gebühren entgegen. So verlangte Calvià etwa nur die Hälfte der eigentlich fälligen Müllgebühren. In Palma mussten diese Beträge komplett bezahlt werden, dafür verzichtete die Stadt darauf, die Gebühren für die Außenbewirtungsflächen zu kassieren.

Mit der Miete hatte Appelqvist weniger Probleme. Da seiner Gesellschaft auch das Gebäude gehört, in dem La Paloma untergebracht ist, konnte er sich die Miete für die Monate, in denen geschlossen ist, deutlich senken. Auch für ihn ist das Jahr ein verlorenes: „Ich rechne damit, dass wir etwa 90 Prozent des Vorjahresumsatzes einbüßen werden", sagt er.