"Die Zukunft ist elektrisch": So stellt sich Spaniens Autobauer Seat jetzt auf

Vor allem die Sportmarke Cupra entwickelt sich zum großen Verkaufsschlager der Tochter des VW-Konzerns

Seat-Chef Wayne Griffiths, König Felipe VI. und Premier Sánchez mit einem Elektro-Cupra.

Seat-Chef Wayne Griffiths, König Felipe VI. und Premier Sánchez mit einem Elektro-Cupra. / JOSÉ JORDAN

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die Autofabrik von Seat in Martorell, vor den Toren von Barcelona, feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Nach dem coronabedingten Rückgang der Produktion herrscht mittlerweile wieder reichlich Betrieb. Computerarme und Scanner erledigen Funktionen, die früher von Menschenhand erfüllt wurden. Nebenan auf dem riesigen Gelände werden in einem Testzentrum Batterietypen auf ihre Belastbarkeit geprüft, nicht nur für die Marken Seat und Cupra, sondern für die ganze Volkswagengruppe. Im Designcenter arbeitet man unter Geheimhaltung am neuen Cupra-Modell Tavascan.

Die Marke Cupra, die sich aus Cup Racing ableitet, gibt es erst seit 2018, doch es sind diese futuristisch gestalteten Pkw mit ihrer ausgefeilten Technik, die zum großen Verkaufsschlager der spanischen Tochter des Wolfsburger Konzerns geworden sind. 2022 machten die verschiedenen Cupra-Modelle, wie der Formentor, 152.900 von insgesamt 385.600 abgesetzten Fahrzeugen aus. Für dieses Jahr erwarten die Manager, dass die neue Marke sogar mehr Umsatz macht als die klassischen Seat-Modelle, wie der Ibiza oder der Leon.

Cupra-Verkäufe verdoppelten sich 2022

Jetzt wird Cupra verstärkt auf Elektromobilität umgerüstet. „Die Zukunft ist elektrisch und das bedeutet, die Zukunft unseres Unternehmens ist Cupra“, formulierte der CEO von Seat, Wayne Griffiths, bei der Vorstellung der Jahreszahlen vergangene Woche in Barcelona. Die neue Marke kommt vor allem bei einer jüngeren Kundschaft gut an. Die Verkäufe verdoppelten sich vergangenes Jahr, Deutschland war der größte Absatzmarkt. Griffiths sprach von einer „rasanten“ Entwicklung, „einzigartig für die Automobilindustrie“.

Wichtiger als das Volumen sei, dass die Marke den Nerv der neuen Generation getroffen hat, sagte der Brite, der auch einen deutschen Pass hat. Derzeit teste Seat, ob sich der Cupra auch in den USA gut verkaufe, die ersten Ergebnisse stimmten zuversichtlich. Die Corona-Pandemie hatte die spanische VW-Tochter zum Umdenken gezwungen. Wegen des Mangels an Halbleitern setzte man vornehmlich auf Autos mit größeren Gewinnmargen, sprich Cupra, und nahm dafür geringere Absatzzahlen in Kauf.

Zukunft von Seat bleibt vorerst ungewiss

Die Zukunft der Marke Seat, mit der Generationen von Spaniern und Spanierinnen aufgewachsen sind, bleibt dagegen vorerst ungewiss. Eine Entscheidung über neue Modelle und Elektroautos werde erst zu einem „späteren Zeitpunkt“ fallen, so Griffiths. Seat habe Potenzial für die sogenannte „Mikromobilität“, also als städtisches Verkehrsmittel. Es gibt bereits einen E-Scooter, den Seat Mó 125.

Dennoch ist die Zukunft der Produktionsstätte Martorell im harten internationalen Wettbewerb gesichert. Für drei Milliarden Euro wird das Werk auf Elektromobilität umgerüstet. Es soll bald ein sogenannter Hub für kleine batteriebetriebene Fahrzeuge von VW werden. Eine Schlüsselrolle fällt dabei der neuen Batteriefabrik in Sagunto bei Valencia zu.

Die Wolfsburger investieren zehn Milliarden Euro in das Projekt, das auch andere Autobauer versorgen könnte. Zur Grundsteinlegung am 17. März kamen König Felipe VI. und Ministerpräsident Pedro Sánchez. „Diese Gigafabrik hilft dabei, die Zukunft der spanischen Automobilindustrie zu gewährleisten, die acht Prozent unserer Wirtschaftskraft ausmacht und fast zwei Millionen Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt“, sagte Sánchez.

Werben mit EU-Fonds

Noch vor wenigen Jahren sah die Lage der Branche ganz anders aus. Spanien, 2022 der zweitgrößte Autobauer Europas hinter Deutschland mit 2,2 Millionen Einheiten, drohte den Anschluss bei der Elektromobilität zu verpassen. Im Land gibt es zwar 16 Werke diverser Hersteller, doch die Konzernzentralen, in denen die Entscheidungen getroffen werden, liegen allesamt im Ausland. Die Linksregierung warb aktiv um Investitionen in die Elektrifizierung und konnte dabei unverhofft mit den Milliarden an Hilfsgeldern aus dem NextGeneration-EU-Fonds zählen.

Außer der VW-Fabrik in Sagunto sind derzeit drei weitere Batterieproduktionsstätten im Bau. In der Extremadura ziehen Envision aus China und die spanische Phi4tech Werke hoch. Im Baskenland wird die lokale Firma Basquevolt Autobatterien fertigen. Inobat aus der Slowakei plant eine Fabrik in Valladolid, und Spanien buhlt noch um Tata Motors aus Indien. Der Ausbau der erneuerbaren Energien, bei dem das Land weiter ist als andere in Europa, gilt als wichtiger Standortvorteil.

Nur wenig verkaufte E-Autos in Spanien

Doch gibt es auch ein großes Manko. Der Markt für Elektromobile steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Weniger als zehn Prozent der 813.000 Autos, die 2022 verkauft wurden, entfielen auf E-Vehikel, und davon waren der Großteil Hybridwagen mit Steckeranschluss. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Der Markt für E-Autos ist derzeit nicht vorhanden“, mahnte Griffiths in Barcelona. Tage zuvor hatte der Seat-Chef, der auch Präsident des spanischen Automobilverbandes Anfac ist, zusammen mit anderen Branchenvertretern Sánchez in Madrid getroffen. Die Regierung reagierte auf die Beschwerden der Industrie mit Zusagen für neue Hilfen, etwa Kaufanreize für die Elektrisierung von Unternehmensflotten.

Mit frischen Subventionen will man auch das dürftige Netz an Ladestationen ausbauen, wo Spanien ebenfalls hinterherhinkt. Denn einer der Hauptgründe für die Zurückhaltung der Kundschaft beim Kauf eines Elektroautos ist der Mangel an Ladesäulen. Ein neues Geoportal soll den Fahrern demnächst bei der Planung helfen und nicht nur die Stationen anzeigen, sondern auch, ob sie tatsächlich funktionieren. Sánchez versprach außerdem Maßnahmen zum Abbau der Bürokratie, die dem Ausbau der Elektromobilität oft im Wege steht. Am guten Willen fehlt es in Spanien nicht.

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