Der Verkehrsdezernent von Mallorca zu Tempo 100 auf der Ringautobahn: „Es geht nicht ums Schnellerfahren“

Auf der Ringautobahn dürfen Autofahrer ab Montag (18.12.) wieder mehr Gas geben. Der Verkehrsdezernent im Inselrat erklärt die Gründe – und welche Vorstellungen er beim Thema Mobilität hat

Die Schilder für Tempo 100 stehen schon, sind bis Montag aber abgeklebt.

Die Schilder für Tempo 100 stehen schon, sind bis Montag aber abgeklebt. / Miguel Vicens

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Tempo 100 auf der Ringautobahn von Palma, die Abschaffung der Busspur VAO: Die konservative Volkspartei PP hat im Wahlkampf auf Mobilitätsthemen gesetzt und gewonnen. Von außen betrachtet wirkt so manche Entscheidung rückwärtsgewandt – der zuständige Verkehrsdezernent des Inselrats, Fernando Rubio, will das beim Interview mit der MZ aber so nicht stehen lassen.

Ist Tempo 100 statt 80 tatsächlich eines der drängendsten Probleme auf den Inseln?

Ich bin nun mal der Mobilitätsdezernent. Und für mich ist es eines von vielen Themen, die wir angehen wollten. Die Ringautobahn ist die Straße mit der niedrigsten Unfallrate auf Mallorca. Und sie ist eine Autobahn. Da ist es merkwürdig zu sehen, dass man auf kurvigen Landstraßen teilweise 90 km/h schnell fahren darf. Weitere Projekte werden die Verbesserung der Infrastruktur oder die Beseitigung von Unfallschwerpunkten. Und wir wollen Projekte anschieben, die blockiert waren, wie etwa der Straßenausbau auf dem Land.

Wir befinden uns in einer Klimakrise, jede Maßnahme zählt. Wo ist der Gewinn für die Bevölkerung, wenn Autofahrer eine nicht einmal zehn Kilometer lange Strecke zwei Minuten schneller zurücklegen können?

Es geht nicht ums Schnellerfahren. Es geht darum, dass eine Geschwindigkeit gefahren wird, die eher der Straße entspricht und die für einen flüssigeren Verkehr sorgt. Mit 80 km/h zu fahren und vielleicht in einem niedrigeren Gang, kann für die Umwelt schädlicher sein als Tempo 100. Laut der Studien, die wir für die Ringautobahn in Auftrag gegeben haben, spart die Erhöhung der Geschwindigkeit 20.078 Liter Benzin und 397.755 Liter Diesel im Jahr. Damit einher geht ein Rückgang der Emissionen. Weil die Studien erst angefertigt werden mussten, haben wir für diese Maßnahme länger gebraucht als geplant.

Der Verkehrsdezernent im Inselrat, Fernando Rubio.  | FOTO: NELE BENDGENS

Der Verkehrsdezernent im Inselrat, Fernando Rubio. / Nele Bendgens

Wir reden über Maßnahmen, die den Pkw-Verkehr erleichtern. Mobilitätsexperten sind sich einig, dass der Weg entgegengesetzt verlaufen müsste. Welche Philosophie vertreten Sie?

Es gibt tatsächlich einen Philosophiewechsel mit der neuen Regierung, aber nicht in die Richtung, auf die Sie anspielen, sondern in die entgegengesetzte. Wir sind sehr wohl der Meinung, dass wir ein Problem mit der Menge an Autos auf der Insel haben, vor allem im Sommer, wenn viele Urlauber auf der Insel sind. Deshalb werden wir eine Studie in Auftrag geben, um herauszufinden, wie viele Autos auf der Insel unterwegs sind. Das hat bisher niemand gemacht, und das gibt uns eine Grundlage für die Entscheidungen, die wir in Zukunft treffen wollen. Wenn diese Studie ergibt, dass wir den Zutritt von Autos auf die Insel ordnen und regulieren müssen, dann werden wir das machen müssen. Das hat nichts damit zu tun, dass man nicht auch die Infrastruktur verbessern kann. Wir haben klargestellt, dass wir keine neuen Autobahnen bauen. Die Fertigstellung des Abschnitts 1 des zweiten Rings kommt aus der vorherigen Legislaturperiode. Wir für unseren Teil wollen die Mobilität auf Mallorca nachhaltiger machen.

Welche Möglichkeiten schweben Ihnen da vor? Schließlich sind Sie nach wie vor nicht für den öffentlichen Nahverkehr zuständig, der bei der Landesregierung angesiedelt ist.

Wir werden früher oder später die Zuständigkeit übernehmen, und so lange wir sie nicht haben, sind wir Teil des Konsortiums für den ÖPNV. Da werden wir Druck machen, dass es mehr Geld für den Schienenverkehr gibt. Wir setzen uns auch für mehr Überlandbusse ein. Hinzu kommen die geplanten Pendlerparkplätze an Bahnhöfen oder Busstationen.

Eine Infrastruktur zu haben, die nicht funktioniert, ist nicht sinnvoll. Die technischen Gutachten unterstützen unsere Thesen.

Die Busspur VAO abzuschaffen, war ein anderes Wahlversprechen. Es stimmt, dass diese Spur viel Kritik einstecken musste, aber die Erfahrung zeigt, dass sich die Menschen daran gewöhnen. Warum muss die Spur weg?

Wir sind nicht grundsätzlich gegen Busspuren. Es gibt Beispiele von VAO-Spuren, die bestens funktionieren, wie etwa in Madrid, Barcelona oder Valencia. Das könnte hier auch klappen. Das Problem ist die Umsetzung. Die Strecke ist sehr kurz, die Spur verbindet den Flughafen nicht mit der Stadteinfahrt, sondern endet vorher. Das führt zu gefährlichen Manövern und Spurwechseln. Die Unfallzahlen haben sich verdoppelt, die Leute nutzen die Spur nicht, weil Sie sie nicht einfach wieder verlassen können. Eine Infrastruktur zu haben, die nicht funktioniert, ist nicht sinnvoll. Die technischen Gutachten unterstützen unsere Thesen.

Wie ist der Stand der Dinge? Denn so einfach abschaffen können Sie die Spur ja nicht.

Wir haben zwei Berichte bei der spanischen Verkehrsbehörde vorgelegt und warten noch immer auf eine Antwort. Wir hoffen, dass die demnächst eintrudelt. (Am Tag nach dem Interview kam dann die Antwort der Behörde, dass die Spur erhalten bleiben soll, allerdings nur in den Stoßzeiten als VAO-Spur genutzt werden soll).

Sie sagen, Sie sind nicht per se gegen eine solche Busspur: Warum verbessern Sie sie nicht, statt sie abzuschaffen?

Wir würden ja mit der Verkehrsbehörde sprechen, aber momentan gibt es keinen Dialog. Die Spur zu verbessern, ist komplex. Man muss erst einmal schauen, ob und wie das überhaupt geht und die Investition abschätzen. So lange das nicht erfolgt, können wir die Spur lediglich abschaffen. Es ist ja beispielsweise auch nicht sinnvoll, dass es lediglich in eine Richtung eine Busspur gibt.

Schauen Sie sich die Sperrung der Landstraße zum Cap Formentor während der Saison für Autos an. Da sind wir dafür, das klappt gut.

Planen Sie eine Busspur an anderer Stelle?

Nein, derzeit gibt es kein Projekt. Das heißt aber nicht, dass wir komplett gegen Eingriffe in den Individualverkehr sind. Schauen Sie sich die Sperrung der Landstraße zum Cap Formentor während der Saison für Autos an. Da sind wir dafür, das klappt gut.

Der zweite Ring um Palma soll endlich fertiggestellt werden. Wann ist Baubeginn?

Das dauert noch. Erst muss das Projekt stehen, da fehlt nicht viel. Dann wird es ausgeschrieben und dann kommt der Bau. Wir würden gern in dieser Legislaturperiode beginnen, aber das liegt nicht allein in unserer Hand.

Sie sind auch für die Raumplanung zuständig. Bauen im ländlichen Raum auf Mallorca führt zur Zersiedelung, für Strafen ist die Agentur ADT zuständig. Llucmajor, eine der Gemeinden mit den meisten Verstößen, ist noch nicht dabei. Warum nicht?

Wir können uns da nicht auf Gemeindeebene einmischen. Die ADT wurde geschaffen, um Verstöße zu sanktionieren, und da spielt es keine Rolle, ob die Gemeinde dabei ist oder nicht. Sanktionieren kann die Behörde auch so.

Sie wollen das Bauen im öffentlichen Raum erleichtern. Wird es wieder einen Bauboom auf dem Land geben?

Nein. Die PP ist die Partei, die den ländlichen Raum bisher am meisten geschützt hat. Wir haben mehrere Gesetze verabschiedet zur Raumordnung, zu Naturschutzgebieten und die Landschaftsschutzfiguren ANEI und ARIP eingeführt. Eine Sache ist schützen, die andere Sache ist verbieten, blockieren, begrenzen. Die Leute haben ein Recht auf ein würdiges Dach über dem Kopf. Übrigens hat die Vorgängerregierung seit 2018 rund 3.100 Lizenzen im ländlichen Raum ausgestellt.

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