Woran es hakt und wo es vorwärts geht: So steht Mallorca bei den Next-Generation-Fonds da

Bárbara Barceló, die Zuständige im balearischen Wirtschaftsministerium auf den Balearen, über die unübersichtliche Zahl an Problemen und die ersten Fortschritte

Bárbara Barceló.

Bárbara Barceló. / Nele Bendgens

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Bárbara Barceló dürfte einen der kompliziertesten Jobs in der Landesregierung haben. Die Generaldirektorin im Wirtschaftsministerium ist zuständig für die Abwicklung der EU-Fonds, speziell der Next-Generation-Fonds, die nach der Pandemie aufgelegt wurden und Investitionen in Höhe von weit mehr als einer Milliarde Euro auf den Inseln entsprechen – so denn alles klappt. Nach einer Fülle von Ankündigungen häuften sich in den vergangenen Wochen die Nachrichten über Schwierigkeiten bei vielen Projekten. Die oppositionellen Sozialisten im Balearen-Parlament forderten zuletzt eine Untersuchungskommission. Droht gar ein Großteil der Gelder verloren zu gehen? Eine Frage, bei deren Beantwortung Barceló etwas ausholen muss.

Die Opposition im Balearen-Parlament kritisiert mangelnde Transparenz bei der Bearbeitung der Next-Generation-Fonds. Haben Sie noch den Überblick?

Wir müssen zwei Dinge unterscheiden, wenn wir von EU-Fonds sprechen – die Kohäsionsfonds, genannt FEDER, und die Next-Generation-Fonds, die einmalig nach der Pandemie aufgelegt wurden. Bei den FEDER ist das Verfahren sehr standardisiert und eingeübt, das Risiko beschränkt sich darauf, ein Budget nicht zu erhalten, das wir vorgestreckt haben.

Die Next-Generation-Fonds dagegen haben die öffentliche Verwaltung kalt erwischt?

Sie machen uns das Leben schwer. Zum einen die Eile. Gerade auf den Balearen reichen die Ressourcen der Behörden gerade so für laufende Projekte aus. Gewöhnlich verwalten wird in fünf Jahren rund 300 Millionen Euro an EU-Fonds – nun gilt es, über eine Milliarde Euro zu verteilen, dafür fehlen uns die Leute. Hinzu kommt: Bei den Strukturfonds wählen die Regionen die Projekte aus. Die Next-Generation-Fonds dagegen hat die Zentralregierung mit der EU ausgehandelt. Da wird dann etwa der Anbau von Walnüssen gefördert, die aber auf den Balearen gar nicht wachsen. Wir mussten beispielsweise rund 1,2 Millionen Euro an Hilfen für die Digitalisierung zurückgeben, weil wir in unseren Gewerbegebieten gar keine Probleme mit der Netzabdeckung haben.

Wie stehen wir derzeit auf den Balearen da? Wie viel Geld aus den Next-Generation- Töpfen ist in trockenen Tüchern, wie viel in Bearbeitung, wie viel verloren?

Zunächst einmal haben wir, also die Regionen, diese Gelder nicht beantragt, sondern sie wurden uns zugewiesen. Im Fall der Fonds für Aufbau-und Resilienzfähigkeit (MRR) sind es voraussichtlich 1,026 Milliarden Euro, im Fall des REACT-EU knapp 300 Millionen. Zusammen mit weiteren Töpfen wie dem Fonds für einen gerechten Übergang (FTJ) – er dient etwa der Dekarbonisierung – kommen wir im Zeitraum 2020 bis 2023 auf 1,58 Milliarden Euro.

Und was davon ist nun in trockenen Tüchern?

Ich muss weiter ausholen, sonst versteht man das nicht richtig. Nur ein Teil der Fonds wird von den Regionen ausgeführt, ein anderer Teil, besonders beim MRR, direkt von den Ministerien der Zentralregierung mittels direkter Ausschreibungen. Im Fall des REACT-EU und weiteren Töpfen kann ich sagen, dass es keinerlei Risiken gibt, die Fristen sind ausreichend. Zum Beispiel hat der Inselrat bereits mit der Entgiftung des Komplexes des früheren Heizkraftwerks von Alcúdia begonnen, darauf entfallen rund fünf Millionen Euro. Die meisten Risiken gibt es dagegen wegen des Volumens und der Komplexität beim MRR.

Blick ins alte Heizkraftwerk

Blick ins alte Heizkraftwerk / Consell

Inwiefern?

Es gibt zweierlei Risiken. Wir haben wenig Zeit und wenig Leute. Die kurzen Fristen betreffen beispielsweise die Finanzierung von neuen Pflegeplätzen in Seniorenheimen oder auch die Digitalisierung. Zum anderen fehlen die Ressourcen: Gerade wenn die Gelder direkt an Inselrat oder Gemeinden gehen, reichen die Mitarbeiter zur Bearbeitung oft nicht aus.

Jetzt aber die Zahlen, bitte.

Bislang initiiert wurde die Ausführung der Projekte – das heißt, es gibt eine Ausschreibung, ein Abkommen oder einen Vertrag – im Fall von 672 Millionen Euro oder 66 Prozent. Bereits ausgeführt davon werden Projekte im Fall von 359 Millionen Euro. Wie viel Geld ist in Gefahr? Die restliche Summe über 34 Prozent. Einige Fristen wurden inzwischen verlängert – das größte Risiko besteht also darin, dass wir Projekte erst gar nicht auf den Weg bringen. Wir bemühen uns deswegen derzeit verstärkt, kleinere Verwaltungen wie die Gemeinden sowie auch die anderen Landesministerien administrativ zu unterstützen. Eine andere Frage allerdings, über die niemand spricht, sind die Kriterien, nach denen die Ausführung der Projekte überprüft werden und mit denen letztendlich entschieden wird, ob Gelder zurückgezahlt werden müssen – mit Zinsen.

Zusätzliche Mitarbeiter einstellen ist keine Option?

In einigen Fällen klappt das. Wir vergeben in Kürze einen Vertrag mit einer Consultingfirma, die überlastete Stellen unterstützen soll. In einigen Landesministerien ist es möglich, EU-Gelder für zusätzliche Stellen zu verwenden, in anderen nicht. Aber ohnehin ist es hier auf den Balearen schwer, die nötigen Profile wie Anwälte oder Ingenieure zu finden. Wir arbeiten zudem an einer Zentralstelle, bei der nicht nur die Buchhaltung zusammenläuft, sondern die auch leichter eingreifen kann. Inzwischen haben wir auch Abkommen mit den lokalen Wirtschaftsverbänden, um die Ausschreibungen breiter bekannt und die bürokratischen Schritte transparenter zu machen. Wenn ein Bäcker oder ein Taxifahrer eine Ausschreibung auf den Tisch bekommt, soll er sich nicht erschrecken und denken: Dafür habe ich keine Zeit.

Hat die EU mit den Next-Generation-Fonds ein realitätsfremdes Projekt aufgelegt?

Ich sehe das Problem eher beim spanischen Staat, unabhängig von der politischen Couleur, Madrid hat schließlich die Vorschläge gemacht. Und die spanische Regierung hat auch das Tool „CoFFEE“ aufgelegt, mit dem die Projekte zentral verwaltet werden sollen. Der Aufbau des Tools hat lange auf sich warten lassen, es ist wenig praktisch und bedeutet viel Bürokratie. Und mir fällt noch ein anderes Problem ein. Den Mitarbeitern in unserer Abteilung fehlt es an Zuständigkeiten. Statt Informationen von anderen Ministerien zu erbetteln, müssten wir sie verlangen können.

So soll die Straßenbahn von Palma zum Flughafen eines Tages durch das Viertel Molinar fahren

So sollte die Straßenbahn von Palma zum Flughafen eines Tages durch das Viertel Molinar fahren / CAIB

Was ist mit dem Geld, das von der vorherigen Linksregierung für das Projekt einer Straßenbahn in Palma beantragt wurde?

Da wurde nichts beantragt. Das hat die Vorgängerregierung lediglich als strategisches Projekt definiert und angekündigt. Um Gelder zu beantragen, muss man ein ausgearbeitetes Projekt vorlegen, nicht nur eine Idee.

Können Sie denn ein Next-Generation-Projekt nennen, bei dem alles optimal klappt?

Ja, im Gesundheitsbereich sind die Projekte zu 77 Prozent umgesetzt. In den Krankenhäusern etwa wurden beim Projekt INVEAT für mehr als 22 Millionen Euro die Diagnostik- und Operationsgeräte erneuert, das Projekt ist praktisch abgeschlossen. Ich denke, dass wir in den kommenden Monaten ein bedeutendes Stück weiterkommen werden.

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