Finanzkrise, die größte Rezession seit Kriegsende, ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Prognosen für 2009 sind alles andere als rosig. In solchen Zeiten sollte man sich das Kölner Grundgesetz zur Hand nehmen, rät Kafi Biermann, die Stimme von "Bläck Fööss". Seit 1995 gehört er der mit 38 Jahren ältesten Kölschen Gruppe an. Außer für Stimmungsmusik zu Karneval sind die Musiker auch für nachdenkliche und kritische Texte bekannt. Kafi Biermann kommt seit 27 Jahren regelmäßig nach Mallorca, wo er eine Finca bei Capdepera besitzt. Die MZ traf ihn im an einem Markttag an der Plaça Orient in Capdepera.

Freuen Sie sich trotz aller Hiobsbotschaften auf 2009?

Ja. Ich freue mich einfach darauf, weiterhin Musik zu machen und an Liedern zu arbeiten, die für die Menschen wichtig sind und mit denen wir ihnen eine Freude machen. Das gibt mir Hoffnung und Zuversicht für das kommende Jahr, auch wenn allerorts Katzenjammer herrscht.

Ginge es uns besser, wenn wir alle nach dem Kölner Grundgesetz leben würden?

Ich glaube ja. Denn dann wären alle insgesamt etwas gelassener und fröhlicher und würden die Dinge nicht mehr so bierernst nehmen. Es würde zudem ein Klima geschaffen, in dem der wirtschaftliche Aufschwung besser gedeihen könnte.

Woher stammt der rheinische Frohsinn?

Das Kölsche Grundgesetz ist ja bereits uralt. Doch bekam es vor allem nach dem Krieg eine große Bedeutung. Aus den Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass in der Stadt kein Stein mehr auf dem anderen stand. Man konnte von überall den Dom sehen, weil es keine Häuser mehr gab, die den Blick hätten versperren können. Die Menschen waren gebeutelt. Sätze wie et hät noch immer jot jejange oder et kütt wie et kütt bekamen angesichts dieser Katastrophe eine neue Bedeutung. Der Krieg hat die Mentalität der Kölner stark geprägt. Angesichts der Krisen, denen wir heute gegenüberstehen, wissen die Menschen: Es kann noch schlimmer kommen. Und außerdem: Es geht auch wieder aufwärts.

Also keine deprimierten Narren im Jahr 2009?

Nein, im Gegenteil. Die Krise bringt auch Positives hervor.

Zum Beispiel?

Ein neues Gemeinschaftsgefühl, das wir bereits verloren glaubten. Wir rücken wieder enger zusammen und helfen uns gegenseitig. Im Karneval konnte man dies vielerorts bereits in diesem Jahr beobachten. Einige Sitzungen wurden abgesagt, weil sie von den Veranstaltern nicht mehr finanziert werden konnten. In kleinen Vereinen und in den Kirchengemeinden ging das Leben dagegen weiter, weil man sich zusammengetan hat. Es wurden Büttenredner und Chöre aus den eigenen Reihen aufgestellt. Das ist ein wunderschöner Trend. Die Krise führt dazu, dass die Leute wieder enger zusammenrücken, zusammen etwas anpacken und feststellen, wie schön die Gemeinschaft ist. Mein Frau, mein Sohn und ich leben mit meinen Schwiegereltern, dem Schwager und der Schwägerin unter einem Dach. Jeder hat seine eigene Etage. Bei dieser Entscheidung stand auch der Gedanke des Zusammensrückens im Vordergrund. Jeder kann jedem helfen. Wir leben sehr glücklich damit.

Muss es erst zur Krise kommen, um die Gemeinschaft wiederzuentdecken?

Manchmal ja. Aus Krisen erwachsen auch immer neue Chancen.

Um etwa neue Wege einzuschlagen?

Genau. Das kann man auch an der Geschichte unserer Band ablesen. Als Tommy Engel Mitte der 90er ging, sahen viele die Band vor dem Aus. Dass es uns noch gibt, liegt daran, dass wir den Kopf nicht in den Sand gesteckt haben. Wir haben vielmehr die Taktik gewechselt, um es in der Sprache der Fußballer zu sagen. Tommy Engel war der Mittelstürmer. Unbestritten die Nummer eins in Köln. Wir haben lange überlegt, wie wir seinen Weggang auffangen können. Uns war klar: Es kann niemals wieder einer alleine vorne an der Spitze spielen. Wir müssen die Verantwortung irgendwie verteilen. Heute singen alle mit. Wir haben ja ganz gute Sänger. Das funktioniert wunderbar. Wir haben quasi aus der Not eine Tugend gemacht.

Sind Sie denn auch bereit, auf Dinge zu verzichten?

Ja, ich könnte überall Abstriche machen. Ich habe ohnehin schon immer das älteste und kleinste Auto gefahren und hätte hier auf Mallorca lieber einen Esel und eine Kutsche statt eines Autos. Mal sehen: Irgendwann lege ich mir beides zu. Wie Sie sehen, trage ich auch keine Designerklamotten (lacht und zupft an seiner ausgeblichenen Lederjacke). Ich bin auf dem Land groß geworden und habe gelernt, mich mit den einfachen Dingen zu begnügen.

DAS KÖLSCHE GRUNDGESETZ

Wat wells de maAche?

ARTIKEL 1

Et es wie et es!

Sieh den Tatsachen ins Auge!

ARTIKEL 2

Et kütt wie et kütt!

Hab keine Angst vor der Zukunft!

ARTIKEL 3

Et hät noch immer jot jejange!

Lerne aus der Vergangenheit!

ARTIKEL 4

Watt fott es, es fott!

Jammer den Dingen nicht nach!

ARTIKEL 5

Et bliev nix wie et wor!

Sei offen für Neuerungen!

ARTIKEL 6

Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet!

Sei kritisch, wenn Neuerungen überhand nehmen!

ARTIKEL 7

Wat wells de maache?

Füg dich in dein Schicksal!

ARTIKEL 8

Maach et jot, ävver nit ze off!

Achte auf deine Gesundheit!

ARTIKEL 9

Wat soll dä Käu?

Stell immer zuerst die Universalfrage!

ARTIKEL 10

Drinks de eine met?

Komm dem Gebot der Gastfreundschaft nach!

ARTIKEL 11

Do laachs de dich kapott.

Bewahr dir deine Einstellung zum Humor!