"Höhere Steuern für die Reichen": So stellt sich Pedro Sánchez eine weitere Amtszeit vor

Der geschäftsführende Ministerpräsident präsentierte am Mittwoch (15.11.) sein Regierungsprogramm. Scharfe Kritik der Opposition

Alberto Nuñez Feijóo (vorne) und Pedro Sánchez (dahinter) am Mittwoch (15.11.) im Parlament.

Alberto Nuñez Feijóo (vorne) und Pedro Sánchez (dahinter) am Mittwoch (15.11.) im Parlament. / Martínez /Europa Press

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Mehr als eine Stunde sprach Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident Pedro Sánchez im Parlament bei der Sitzung für seine Wiederwahl am Mittwoch (15.11.). Der Sozialist erwähnte die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, den Klimawandel, er machte Ankündigungen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, zum kostenlosen Nahverkehr für junge Menschen und Arbeitslose, über mehr Geld für die Bildung und das Gesundheitssystem, gegenfinanziert durch höhere Steuern. „Tut mir leid, aber die Reichen und Großunternehmen werden mehr Steuern zahlen müssen“, so der Regierungschef.

Ein großer Teil der Ansprache richtete sich jedoch gegen die konservative Volkspartei (PP) und den Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo. Ihm warf er vor, die Gesellschaft zu spalten und für die teils gewalttätigen Straßenproteste verantwortlich zu sein, ganz zu schweigen von der Annäherung an die rechtsextreme Vox, mit der die Konservativen in fünf Regionen und Hunderten Rathäusern regieren.

Dann kam Sánchez schließlich auf das heikelste Thema zu sprechen, das Spanien in den vergangenen Tagen aufgewühlt und massive Proteste im ganzen Land provoziert hat – das Amnestiegesetz für die Beteiligten rund um die Unabhängigkeitsbestrebungen und das illegale Referendum in Katalonien im Jahr 2017. Die Einigung mit den separatistischen Parteien ERC und Junts ebnet den Weg für die Wiederwahl des Ministerpräsidenten am Donnerstag, die nur eine faustdicke Überraschung noch verhindern kann. Sánchez hatte 179 der 350 Abgeordneten für sich gewonnen. Nur die PP, ihr Partner in Navarra (UPN) und Vox positionierten sich gegen ihn.

Politiker, Polizisten und Schuldirektoren kommen in den Genuss der Amnestie

Sánchez musste die auch in juristischen Kreisen höchstumstrittene Maßnahme rechtfertigen. Er argumentierte, dass die Verwerfung der strafrechtlichen Verfolgung die Situation in Katalonien weiter entspannen werde. Die Amnestie kommt einigen Hundert Personen zugute, etwa Schuldirektoren, die ihre Institute für das vom Verfassungsgericht verbotene Referendum zu Verfügung gestellt hatten, aber auch Polizisten, die gewalttätig gegen Demonstranten vorgingen.

Vor allem aber: Auch der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, der vor der Justiz nach Belgien floh, wird dank des Gesetzes rehabilitiert. „Das Zusammenleben ist auf die Straßen Kataloniens zurückgekehrt“, rechtfertigte Sánchez die Initiative. „Wir glauben, dass ein vereintes Spanien ein besseres und prosperierenderes Spanien ist“, so der Kandidat. Die Amnestie solle nach Lesart des Sozialisten weiter dazu beitragen, „die Spaltung von 2017 zu überwinden“.

Doch PP-Chef Núñez Feijóo wusste den Finger in die Wunde zu legen. Denn Sánchez hatte vor den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli eine Amnestie ausdrücklich ausgeschlossen, da diese „nicht in die Verfassung passt“. Außerdem hatte der Sozialist versprochen, Puigdemont nach Spanien zu bringen, damit der Separatistenführer sich vor der Justiz verantworten müsse. Núñez Feijóo warf ihm „massiven Betrug am Wähler“ vor und forderte sofortige Neuwahlen, „aber diesmal mit der vollständigen Information auf dem Tisch“.

Extrem verhärtete Fronten

Die Parlamentsdebatte verdeutlichte in aller Klarheit, wie verhärtet die Fronten gegenwärtig in Spanien sind. Sánchez erklärte „Respekt“ für die „Meinungen und Emotionen“ der Hunderttausenden von Bürgern, die seit fast zwei Wochen täglich gegen die Amnestie auf die Straße gehen. „Sie hüllen sich in die Nationalflagge, aber diese Flagge ist auch unsere“, unterstrich Sánchez. Núñez Feijóo hielt dagegen, dass eine Mehrheit der Gesellschaft das Gesetz ablehne, darunter seien auch viele Wähler der PSOE von Sánchez.

Die PP hat sich mit der Oppositionsrolle abgefunden, obwohl sie bei der Wahl im Juli die meisten Stimmen und Mandate errungen hatte. Ihr Kandidat erreichte bei der Abstimmung Ende September jedoch nur 172 Stimmen im Parlament. Die PP versucht nun, die Amnestie auf juristischer und internationaler Ebene zu stoppen, um die Regierung zu Fall zu bringen.

PP-Vize geißelt Sánchez als "Diktator"

Auf einem Treffen mit Auslandskorrespondenten am Tag vor der Parlamentsdebatte verglich Núñez Feijóo die Lage in Spanien mit der in Ungarn oder Polen, die von der Europäischen Union wegen des Eingriffs in die Unabhängigkeit der Justiz ermahnt wurden. Der Vorsitzende der PP unterstrich die Aussage seines Vizes, Esteban González Pons, wonach das Amnestiegesetz „Züge des Franquismus“ habe. Im Unterhaus zeigte sich Núñez Feijóo gemäßigter als einige seiner Parteispitzen, die seit Tagen Sánchez als „Diktator“ bezeichnen und Spanien auf dem Weg zu einem autoritären Staat sehen.

Der Ministerpräsident hielt dem Oppositionsführer eine Rechnung vor. Die acht Parteien, die für ihn stimmen wollten, kommen auf 12,6 Millionen Wählerstimmen gegenüber den 11,3 Millionen von PP, Vox und UPN. „Das Problem von PP und Vox ist nicht die Amnestie, sondern dass sie das Wahlergebnis nicht akzeptieren“, erklärte Sánchez.

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