Ein Aktivposten der spanischen Regierung geht nach Luxemburg

Wirtschaftsministerin Nadia Calviño kehrt zur EU zurück und übernimmt den Vorsitz der Europäischen Investitionsbank. Auch ohne Parteibuch war sie ein Anker der Linksregierung

Nicht nur kühle Technokratin: Nadia Calviño.  | FOTO: MARÍA JOSÉ LÓPEZ/EUROPAPRESS

Nicht nur kühle Technokratin: Nadia Calviño. | FOTO: MARÍA JOSÉ LÓPEZ/EUROPAPRESS / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Wohl zum letzten Mal vertrat Nadia Calviño am Mittwoch (13.12.) bei der Fragestunde im Unterhaus die Regierung, als Ministerpräsident Pedro Sánchez zur gleichen Stunde in Straßburg vor dem Europaparlament sprach. Denn die Wirtschaftsministerin und erste Stellvertreterin des Regierungschefs wechselt im neuen Jahr nach Luxemburg, nachdem ihre EU-Kollegen sie letzte Woche als neue Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg ausgewählt haben.

Die Volkswirtin nutzte den Auftritt im Parlament für eine Kurzbilanz der wirtschaftspolitischen Ergebnisse ihrer fünfjährigen Amtszeit. Die spanische Wirtschaft habe die Pandemie gut überstanden und EU-Fördergelder für Zukunftsprojekte gesichert. Die Inflation sei unter Kontrolle, der Arbeitsmarkt stabil, die Zahlungsbilanz positiv. „Spanien ist eine der wenigen, wenn nicht gar die einzige große Volkswirtschaft in Europa, die für das kommende Jahr positive Perspektiven aufweist“, resümiert Calviño. „All das habe ich in den vergangenen Wochen mit internationalen Investoren und Analysten besprochen, die diese Diagnose teilen.“

Aktivposten im Kabinett

In der Tat steht Spanien wirtschaftlich besser da als viele europäische Nachbarn. Viele Menschen im Lande sehen die Lage freilich etwas kritischer angesichts der anhaltend hohen Preise und einer Arbeitslosenquote von fast zwölf Prozent, obwohl diese auf den Tiefststand seit 2008 gefallen ist. Mit Calviño verliert Sánchez einen seiner wichtigsten Aktivposten im Kabinett. Nachdem der Sozialist 2018 durch ein konstruktives Misstrauensvotum an die Macht gelangt war, holte er die damals recht unbekannte Galicierin aus Brüssel, wo sie nach einer langen Karriere zur Generaldirektorin der Haushaltsabteilung aufgestiegen war.

Am Anfang bestand die Hauptaufgabe von Calviño darin, den Investoren und der Europäischen Kommission die Bedenken vor der neuen Koalitionsregierung der Sozialisten mit dem Linksbündnis Unidas Podemos zu nehmen. Die Wirtschaftsministerin vertrat das Land im Ecofin, dem finanzpolitischen Gremium der EU, wo die wichtigen fiskalischen Beschlüsse gefasst werden, und traf sich regelmäßig mit Anlegern aus aller Welt. Mit der turnusgemäßen spanischen EU-Ratspräsidentschaft leitet Calviño seit vergangenem Juli selbst den Ecofin, wobei ihr der Durchbruch beim neuen europäischen Stabilitätspakt bislang versagt geblieben ist.

Die vier Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez:Teresa Ribera, María Jesús Montero, Nadia Calviño, Yolanda Díaz (v. li.).

Die vier Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez:Teresa Ribera, María Jesús Montero, Nadia Calviño, Yolanda Díaz (v. li.). / Juan Carlos Hidalgo/Efe

Kühle Technokratin?

Innenpolitisch war Finanzministerin María Jesús Montero in den ersten Jahren der Sánchez-Regierung das Aushängeschild der Wirtschaftspolitik. Calviño dagegen galt vielen als kühle Technokratin. Sie ist keine Karrierepolitikerin und bis heute nicht Parteimitglied der PSOE von Sánchez. Doch nach und nach legte die 55-Jährige die vermeintliche Scheu ab und bestach mit leidenschaftlichen Auftritten. So verteidigte sie die zeitlich begrenzte Sondersteuer auf die Übergewinne der Banken und Energieversorger gegen die Kritik aus dem Unternehmerlager. „Wer mehr hat, muss auch mehr beitragen“, erklärte die Ministerin und wetterte gegen die „Milliardengewinne“ einiger Konzerne.

Innerhalb der Regierung bremste Calviño jedoch die radikaleren Vorhaben des linken Koalitionspartners oft aus. Das führte zu einer Art Dauerstreit mit der Arbeitsministerin und zweiten Vizepremierministerin Yolanda Díaz. In den letzten Tagen lieferten sich die beiden starken Frauen am Kabinettstisch eine Debatte über die Reform des Arbeitslosengeldes.

Wer wird Nachfolger?

Nun beerbt Calviño den Deutschen Werner Hoyer nach zwölf Jahren an der Spitze der EIB, einer der prestigeträchtigsten Posten in Europa. Über ihre Nachfolge wird bereits spekuliert. Bislang kursieren zwei Namen: Finanzministerin Montero, die auch die Nummer zwei in der PSOE ist, und José Luis Escrivá. Dieser wechselte in der jüngsten Regierungsumbildung vom Ministerium für Sozialversicherung und Migration an die Spitze eines Ministeriums für Digitale Transformation, einen Bereich, der zuvor dem Wirtschaftsministerium von Calviño zugeteilt war.

Beide sind zweifellos Fachexperten. Doch Sánchez braucht vor allem jemanden, der Spanien im Ausland so gut vertreten kann, wie es seiner scheidenden Stellvertreterin gelungen ist.