Das Team, die Strategie: So startet die neue spanische Regierung in die neue Legislaturperiode

Das Kabinett der Linksregierung steht. Es gibt jetzt vier Stellvertreterinnen für Premier Sánchez, jede Menge bekannte Gesichter – aber auch bereits Ärger in den eigenen Reihen

Die vier Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez:Teresa Ribera, María Jesús Montero, Nadia Calviño, Yolanda Díaz (v. li.).

Die vier Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez:Teresa Ribera, María Jesús Montero, Nadia Calviño, Yolanda Díaz (v. li.). / Juan Carlos Hidalgo/Efe

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Vor der ersten Kabinettssitzung der neuen Legislaturperiode am Mittwoch (22.11.) posierten die Minister und Ministerinnen beim traditionellen Gruppenfoto vor dem Eingang des Palacio de la Moncloa, dem Sitz des Ministerpräsidenten. Abgesehen von einer Mehrheit an Frauen gab es viele bekannte Gesichter zu sehen. Regierungschef Pedro Sánchez bestätigte 13 von 22 Kabinettsmitgliedern in ihrem Amt, darunter fast alle gewichtigen Ressorts wie Inneres, Außenpolitik, Verteidigung, Finanzen und Wirtschaft.

Sánchez bereitet sich auf eine äußerst stürmische Amtszeit vor, nach der bitteren Kontroverse um die Amnestie für die katalanischen Separatisten, die landesweit Massenproteste ausgelöst hat. Die Neuauflage der Koalition zwischen den Sozialisten (PSOE) des Regierungschefs und der neu formierten Linken von Sumar hat lediglich 152 der 350 Sitze im Unterhaus und muss sich für jedes Projekt die Unterstützung der katalanischen und baskischen Nationalisten sichern. „Es ist eine Regierung mit einem klaren politischen Profil“, kommentierte Sánchez seine Personalauswahl am Montag (20.11.): Das neue Kabinett müsse vor allem Einigungen aushandeln und gut kommunizieren können.

Ein neues, altes Team

Ein neues, altes Team / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Heikle Mission

Die wichtigste Rolle kommt dabei Félix Bolaños zu, der als Minister des Präsidialamtes auch noch das Justizressort übernimmt und damit für viele Beobachter zum mächtigsten Kabinettsmitglied aufgestiegen ist. Der Jurist aus Madrid war maßgeblich an dem Abkommen mit den katalanischen Separatisten beteiligt und wird nun das umstrittene Amnestiegesetz umsetzen müssen, gegen den heftigen Widerstand der Opposition und einem großen Teil der Judikative. Die konservative Volkspartei (PP) macht auch auf europäischer Bühne Front gegen den Straferlass für die Beteiligten am illegalen Unabhängigkeitsreferendum. Am Mittwoch fand eine Debatte im Europaparlament zu dem Thema statt.

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Ein neues, altes Team / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Sánchez erweiterte die Zahl der offiziellen Stellvertreterinnen auf vier. Hinzu kommt Finanzministerin María Jesús Montero, sie ist bereits die Nummer zwei in der PSOE hinter Sánchez. Bald könnte die Andalusierin zur ersten stellvertretenden Ministerpräsidentin aufrücken, sollte ihre Kollegin Nadia Calviño den Ministerrat verlassen. Die mächtige Wirtschaftsministerin gilt als eine Favoritin für den Chefsessel der Europäischen Investitionsbank (EIB), der noch in diesem Jahr neu besetzt werden soll. Als möglicher Nachfolger der angesehenen Ministerin wird José Luis Escrivá gehandelt, der bislang das Ressort für Sozialversicherung und Migration geleitet hatte. Dem Volkswirt und Finanzexperten wurde ein neues Ministerium für digitale Transformation anvertraut, ein Bereich, der bislang zu Calviños Ressort gehörte. Sollte die Galicierin zur EIB nach Luxemburg wechseln, könnte Escrivá diese Verantwortung wieder ins Wirtschaftsministerium mitnehmen.

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Ein neues, altes Team / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Die anderen beiden stellvertretenden Ministerpräsidentinnen, Yolanda Díaz und Teresa Ribera, behalten ihre Ministerien für Arbeit und Umwelt bei, ebenso Verteidigungsministerin Margarita Robles und Innenminister Fernando Grande-Marlaska, obwohl Letzterer durch den Umgang mit dem Thema Migration stark in der Kritik steht. Der Ministerrat bekommt ein neues Gesicht: Bildungsministerin Pilar Alegría übernimmt die Rolle der Regierungssprecherin von Isabel Rodríguez, die nun für Wohnungswesen zuständig ist.

Die Rolle von Podemos

Die Neuformierung des Kabinetts sorgte jedoch auch für großen Ärger, der einen neuen Graben in der Minderheitskoalition aufreißt. Denn die Linkspartei Podemos ging beim Personalkarussell leer aus. Die einst große Protestpartei trat bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli als Teil von Sumar an, einem breiten Bündnis von linken Kleinparteien im Lande, das von Arbeitsministerin Díaz geführt wird. Von den fünf Ministerien, die Sumar zustehen, ging keines an Vertreter von Podemos. Deren Vorsitzende Ione Belarra musste das Sozialministerium räumen, ähnlich die Ministerin für Gleichberechtigung, Irene Montero. Beide kritisierten bei der Übergabe der Amtsgeschäfte an ihre Nachfolger, dass Sánchez und Díaz Podemos aus der Regierung gedrängt hätten. „Wir werden rausgeschmissen, aber wir gehen nicht weg“, erklärten Belarra und Montero am vergangenen Dienstag (21.11.).

Die Frage ist, was nun mit den fünf der insgesamt 31 Abgeordneten von Sumar passieren wird, die sich Podemos zugehörig fühlen. Noch schließt die Linkspartei einen Austritt aus der Fraktion aus. Doch hat Podemos klargemacht, dass man in der neuen Amtszeit ein eigenes Profil wahren wolle. Es könnte also durchaus passieren, dass Sánchez künftig nicht nur um die Unterstützung der Nationalisten aus Katalonien für die Reformen und Haushalte ringen muss, sondern auch noch um die fünf Stimmen von Podemos. Ein Grund mehr, das „politische Profil“ der Regierung zu schärfen und auf Personal mit Verhandlungsgeschick zu setzen.

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