Entrevista | Cintia Rodríguez Mallorcas beste Turnerin

Mallorcas beste Turnerin tritt nach vielen Qualen ab: „Ich würde dieses Leben wieder wählen“

Nach neun Knie-OPs, unendlichen Schmerzen und Olympia-Aus beendet Cintia Rodríguez ihre aktive Karriere. Jetzt will sie Detektivin werden

Cintia Rodríguez und ihr Trainer Pedro Mir nach dem letzten Auftritt der Turnerin in der Sporthalle Son Moix.  | FOTO: XELSKA

Cintia Rodríguez und ihr Trainer Pedro Mir nach dem letzten Auftritt der Turnerin in der Sporthalle Son Moix. | FOTO: XELSKA / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ein letzter Abgang, und das war’s. Cintia Rodríguez hat sich Mitte November bei einem Turnier in der Halle von Son Moix in Palma vom aktiven Sport verabschiedet. Für den letzten Auftritt ihrer Karriere wählte die 28-Jährige aus Inca die Choreografie, die sie eigentlich bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio zeigen wollte – was ihre Knieverletzung verhinderte. Cintia Rodríguez (Inca, 1994) wurde ihm Laufe ihrer Karriere mehrfach spanische Meisterin im Kunstturnen und nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil. Ihr Club Xelska unterhält enge Beziehungen zu dem deutschen Bundesliga-Club Tittmoning, Rodríguez war dorthin zeitweise ausgeliehen. Mit ihren Erfolgen hat sie dazu beigetragen, das Kunstturnen auf Mallorca populär zu machen.

25 Ihrer 28 Jahre haben Sie an Turngeräten verbracht. Kennen Sie überhaupt das Leben außerhalb der Turnhalle?

Nicht wirklich, aber ich lerne es langsam kennen. Ich setze mir Ziele für die nächsten Aufgaben, so wie ich es auch immer im Turnen getan habe. Die erste Etappe besteht darin, mein Kriminologie-Studium zu beenden. Nebenbei arbeite ich in einem Fitnessstudio und gebe Kurse für Kinder und Erwachsene. Als Hobby habe ich das Radfahren für mich entdeckt.

Ist das Knie der größte Feind der Turner?

Irgendwie schon. Die Knie haben mich aber nie prinzipiell daran gehindert, meinen Sport auszuüben. Die Verletzungen haben mich stärker gemacht und mir den Charakter verliehen, den ich heute habe. Ich musste Hürden, Ängste und gewissermaßen mich selbst jeden Tag überwinden. Kein Leistungssportler auf dieser Welt trainiert ohne Schmerz. Wir bringen unsere Körper an ihre Grenzen. Da ist es normal, dass es täglich irgendwo zwickt. Das gehört zur Jobbeschreibung dazu.

„Was ich ausgehalten habe, kann sich niemand vorstellen“, haben Sie einmal gesagt. Geben Sie uns einen Eindruck.

Mein Knie war völlig im Eimer, musste insgesamt neun Mal operiert werden. Während der Pandemie habe ich mir den Innenmeniskus gerissen. Die erste OP verlief schlecht, und ich musste erneut unters Messer. Ich wusste, wie es um mein Knie steht. Dennoch habe ich versucht, mich unter diesen Umständen auf Olympia vorzubereiten. Das waren unsichere Zeiten. Es tat einfach nur weh, und ich wusste nicht, ob ich es zu den Spielen schaffe.

Spüren Sie heute noch Nachwirkungen?

Nein, mein rechtes Knie ist einwandfrei. Das linke zwickt an schlechten Tagen. Das hält mich aber nicht davon ab, mein Leben zu leben und Sport zu machen.

Diese ganzen Schmerzen, dieser ganze Stress: War es das rückblickend betrachtet wert?

Turnen ist meine Leidenschaft. Ich würde dieses Leben wieder wählen. In jedem Beruf gibt es Vor- und Nachteile, gute und schlechte Tage.

Die großen Titel fehlen Ihnen. Was sehen Sie als Ihren größten Erfolg an?

Ganz klar die Qualifikation für die Spiele in Tokio, die ich 2019 in Stuttgart geschafft habe. Leider konnte ich dann nicht teilnehmen.

Das dürfte Ihr größter Rückschlag gewesen sein. Sie haben sich damit abgefunden.

Als es feststand, habe ich alle Tränen, die ich hatte, geweint. Doch das Leben geht weiter. Die Olympischen Spiele machen aus dir weder einen besseren noch einen schlechteren Menschen. Ich hatte das Ticket in der Tasche, war zu dem Zeitpunkt unter den besten Turnierinnen der Welt und habe alles getan, um dabei zu sein.

Stimmt es, dass ein Unfall auf dem Sofa für das Olympia-Aus verantwortlich war?

Während des Lockdowns durften wir nicht in der Halle trainieren. Ich habe ein paar Übungen auf der Couch gemacht, den Abstand falsch eingeschätzt und bin mit dem Bein hängen geblieben. Dabei ist der Meniskus gerissen. Da ich danach auf eine schnelle Rückkehr gedrängt habe, war das Knie noch nicht so weit, und das Kreuzband ist gerissen. Das war das endgültige Aus.

Bis zu den Spielen in Paris fehlen nur anderthalb Jahre. War das keine Option?

Ich habe 13 Jahre auf Tokio hingearbeitet. Das sollten meine Spiele werden. Hätte ich dort teilgenommen, hätte ich direkt im Anschluss meine Karriere beendet. Jetzt habe ich mich noch zwei weitere Jahre gequält, um einen würdigen Abschluss zu haben. Nach neun Operationen habe ich aber keine langfristigen Pläne mehr gemacht. Paris war daher keine Option. Olympia ist nicht mehr mein Kampf.

Sie haben dennoch betont, dass Ihr Karriereende nichts mit den Verletzungen zu tun hatte.

Ich hätte auch noch ein Jahr auf hohem Niveau turnen können. Mit Xelska haben wir die Liga gewonnen. Bei der spanischen Meisterschaft wurde ich Dritte. Ich habe aber einfach alle meine Ziele erfüllt. Diese Etappe ist vorbei. Mit 28 Jahren will ich andere Dinge tun, ich werde diese Entscheidung nie bereuen.

Sie waren die erste mallorquinische Turnerin in der Bundesliga. Wie ist Ihr Verhältnis heute zum deutschen Club Tittmoning?

Seit Corona habe ich nicht mehr in Deutschland geturnt. Dass es eine spanische Liga gibt, haben wir Tittmoning zu verdanken. Durch die Leihe zum deutschen Club haben sich später italienische und französische Vereine für uns interessiert. So lernten wir das internationale Ligasystem kennen und adaptierten es in Spanien. Heute scheuen wir keinen Vergleich mit der Bundesliga.

Werden Sie dem Turnen erhalten bleiben?

Trainerin will ich nicht sein. Kampfrichterin würde mir gefallen, um die nächsten Generationen zu bewerten. Erst einmal muss ich nun aber das Studium beenden. Da bin ich im letzten Jahr. Mir würde gefallen, eines Tages als Detektivin zu arbeiten. Dafür ist aber ein weiteres dreijähriges Studium nötig. Wenn das nichts wird, werde ich Polizistin.