Ingo Volckmann bricht sein Schweigen: Warum der Atlético Baleares-Boss die Gehälter der Spieler einbehalten hat

Der deutsche Chef des Fußball-Drittligisten über Personal, Leistungstief und Budget seiner Mannschaft

Ingo Volckmann (li.) ist wieder besser drauf. Sein Sportdirektor Patrick Messow (re.) aber muss nun mit weniger Geld auskommen.  | FOTO: NELE BENDGENS

Ingo Volckmann (li.) ist wieder besser drauf. Sein Sportdirektor Patrick Messow (re.) aber muss nun mit weniger Geld auskommen. | FOTO: NELE BENDGENS / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ingo Volckmann gehört eigentlich nicht zur ruhigeren Sorte Mensch. „Einfach nur im Stadion sitzen und klatschen, kann ich nicht. Ich schreie beim Spiel herum und gebe alles“, sagt der Eigentümer des Fußball-Drittligisten Atlético Baleares. Seit der verpassten Play-off-Teilnahme im Sommer 2022 hat der Berliner sich jedoch selbst einen Maulkorb verpasst. Volckmann gab trotz vieler Trainerwechsel und der wohl größten sportlichen Krise seiner Ära weder Interviews noch hielt er Pressekonferenzen ab. Gegenüber der MZ brach der 55-Jährige nun bei einer Trainingseinheit vor der 1:2-Heimpleite am Sonntag (7.5.) gegen Real Sociedad B sein Schweigen.

Warum haben Sie knapp ein Jahr lang geschwiegen?

Was sollte ich groß sagen? Dass es nicht läuft und ich nicht weiß, woran es liegt? Ich hätte wie alle in der Branche dem Trainer das Vertrauen aussprechen und ihn die Woche darauf rauswerfen können. Ich wusste schlicht nicht, was ich sagen soll.

Wissen Sie es jetzt?

Jetzt haben wir mit Tato einen Trainer, der einen guten Job macht. Er setzt auf einfache Dinge. Das sind die Sachen, die funktionieren. Das musste ich erst lernen. Früher hatten wir mit Christian Ziege oder Armando de la Morena Trainer, die eine hochkomplexe Taktik hatten. Die war genial, die Spieler haben es aber nicht verstanden. Die Null hinten muss stehen, und zur Not kloppen wir den Ball auf die Tribüne. Es gab Kritik, dass Tato die Liga nicht kennt. Letztlich entscheide ich, wie ich mein Geld am besten investiere. Manchmal setzt Tato den aus meiner Sicht besten Spieler auf die Bank, und ich fasse mir an den Kopf. Dann macht dessen Ersatz das Tor und der Trainer hatte recht. Fußball ist bekloppt.

Warum ging Ihnen die vergangene Saison so zu Herzen? Im Vergleich zu den Vorjahren gab es kein Drama im Elfmeterschießen oder die Rettung am letzten Spieltag …

Mein Minimalziel sind immer die Play-offs. Und da haben wir es nicht reingeschafft. Mir ist es lieber, wenn ich ein Finale verliere. Dann kann es an einem schlechten Tag liegen. Natürlich bin ich dann eine Woche stinksauer. Danach ist das aber abgehakt. Wenn wir die ganze Saison gut spielen und unser Ziel verfehlen, ist das schwer zu verarbeiten.

In der Vorsaison war es der teuerste und vermeintlich beste Kader, den Sie zusammengestellt haben. Für diese Spielzeit gab es kaum Änderungen. Wieso ist das Team derart in Abstiegsnot geraten?

Da kommen viele Aspekte zusammen. Mit dem Trainer hat es nicht gepasst. Viele Verletzungen haben uns behindert, und dann kamen noch enge Partien hinzu, wo einfach das Spielglück fehlte. Da dominiert man den Gegner über 90 Minuten und frisst über einen Konter in der Nachspielzeit das 0:1. Es war auch mental nicht einfach für unsere Spieler. Die kannten alle den Abstiegskampf nicht. Wir haben es sogar mit einem Psychologen versucht. Zuletzt hatten wir zudem Spieler, wo die Leistung einfach nicht gestimmt hat. Da wurde uns die Vertragslänge zum Verhängnis. Erstmals hatten wir im Vorjahr Spieler für zwei Jahre verpflichtet. Da sind dann zwei, drei teure Kicker dabei, die es nicht bringen. Ich habe den Fußballern zwei Wochen das Gehalt nicht bezahlt und gesagt, es gibt erst wieder Geld, wenn wir da unten rauskommen. Das hat im Endeffekt sogar funktioniert.

Jordi Roger, der zu Saisonbeginn als Trainer auf der Bank saß, ist auch nach seiner zweiten Freistellung weiter Mitarbeiter des Vereins. Woher kommt diese besondere Beziehung?

Wenn ich sehe, dass ein Typ loyal ist und einen guten Job macht, dann will ich ihn behalten. Im Fußball gibt es genügend unehrliche Menschen. Wenn ich Geld ausgebe, möchte ich nicht noch verarscht werden. Vielleicht war es ein Fehler, mit Jordi in die Saison zu gehen. Ich hätte es am liebsten aber mit ihm bis zum Ende durchgezogen. Mit Patrick Messow habe ich eine ähnliche Beziehung.

Haben Sie mal ausgerechnet, wie viel Geld Sie in Atlético Baleares investiert haben?

Nur überflogen, aber es ist viel. Meine Frau ist Deutsche und kann lesen. Zahlen nenne ich daher lieber keine. Wir müssen das Budget herunterschrauben auf eine Summe, mit der ich leben kann. In den vergangenen Jahren sind wir so knapp am Aufstieg gescheitert, dass ich heißgelaufen bin und den Etat immer weiter erhöht habe. Das macht irgendwann keinen Spaß mehr. Die nächsten ein, zwei Jahre versuchen wir es mit einem niedrigerem Budget. Ich will immer noch aufsteigen. Aber nicht um jeden Preis. Ich will junge Spieler sehen, die laufen und kämpfen. Da muss Patrick auch mal zeigen, was er kann und nicht nur die besten Spieler der vergangenen Jahre holen. Gerne dürfen da auch ein oder zwei deutsche Profis dabei sein.

Wie läuft es mit Ihrem Boxclub Agon Sports?

Da ist alles schön. Ich trainiere viel mit. Der Club ist gerade auf der Insel und trainiert bei mir um die Ecke. Einer meiner Boxer bereitet sich auf die Weltmeisterschaft vor. Der Kampf steht im Juli an. Das lenkt mich auch mal vom Fußball ab. Aber auch da ist das Geld weniger geworden. Man könnte meinen, dass man bei einem WM-Kampf etwas verdient. Ich musste die Veranstaltung nach Deutschland holen. Das bedeutet Ausgaben. ARD und ZDF wollen nicht mal einen Sendeplatz einräumen. Boxen ist derzeit leider nicht in.

Sie sind der Chef einer Fabrik für Lüftungstechnik, einer Wasserabfüllanlage, leiten vier Hotels, Atlético Baleares und den Boxclub. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Ich habe meine Leute dafür. Die Hotels leitet ein Bekannter, die Lüfter-Fabrik ein Freund. Ich gucke mir die Zahlen an, und das war’s.

Also sind Sie im Vorruhestand?

Das dachte ich auch. Ich bin aber viel in der Welt unterwegs und habe immer zu tun. Das Haus in Berlin, das auf der Insel, das in Costa Rica – das sind alles Verpflichtungen. Fußball und Boxen sind heute meine Hauptarbeitsfelder. Mein Sohn steigt langsam in das Hotelgeschäft ein. Der soll mal mehr machen, und ist jetzt an der Reihe.

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