Weltrekordversuch vor Mallorca und Ibiza: Neil Agius will drei Tage ohne Pause schwimmen

Neil Agius aus Malta will in über 70 Stunden 160 Kilometer zurücklegen - und damit auch sonst eine große Welle machen

52 Stunden ist Neil Agius schon geschwommen. Diesmal braucht er wohl an die 70 Stunden, um 160 Kilometer zu kraulen. Und das ganz ohne Hilfsmittel.   | FOTO: KURT ARRIGO

52 Stunden ist Neil Agius schon geschwommen. Diesmal braucht er wohl an die 70 Stunden, um 160 Kilometer zu kraulen. Und das ganz ohne Hilfsmittel. | FOTO: KURT ARRIGO / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Zehn Kilometer ist die längste Strecke, die dieser Tage beim Freiwasser-Event Best Fest in Colònia de Sant Jordi (27.5. bis 2.6., Website: bestopenwater.com) zur Auswahl steht. Für Neil Agius ist das wohl nur die Aufwärmübung. Der Malteser hält den inoffiziellen Weltrekord für die längste Schwimmstrecke, die ein Mensch ununterbrochen ohne jegliche Hilfsmittel geschwommen ist. 52 Stunden brauchte der heute 36-Jährige im Juni 2021 für knapp 126 Kilometer. Die Marathon Swimmers Federation prüft die Leistung immer noch. Mittlerweile plant Agius, seinen Rekord auf Mallorca auszubauen. Dafür will er 70 Stunden lang 160 Kilometer nach Ibiza schwimmen und die Nachbarinsel noch teilweise umrunden. Ziel der Aktion ist es, Aufmerksamkeit für seine NGO Wave of Change zu erregen, die sich gegen die Vermüllung der Meere engagiert.

Wieso Mallorca als Ausgangspunkt Ihres zweiten Rekordversuchs?

Das Klima ist ähnlich wie in meiner Heimat und auch das Schwimmen im Meer wird sich vertraut anfühlen. Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich Malta verlassen muss. Ich will meine Botschaft in die Welt tragen. Die Mallorquiner sind ein offenes Völckchen und werden mich herzlich empfangen.

Sie haben an den Olympischen Spielen 2004 in Athen teilgenommen. Wie kam es, dass Sie von den kurzen Strecken zur Ultradistanz gewechselt sind?

2018 wollte ich zunächst Malta umschwimmen. Es war nicht geplant, dass ich ein Profi auf der Ultradistanz werde, aber habe gemerkt, wie sehr sich die Leute für solche Versuche interessieren und wie ich das nutzen kann, um der Umwelt zu helfen. Es wäre egoistisch von mir, wenn ich nicht weiter solche Events machen würde. Für mich ist das wie eine Reise. Die Weltrekorde sind mir dabei gar nicht so wichtig.

Inwiefern helfen Sie damit der Umwelt?

Wenn ich schwimme, bekomme ich für fünf Minuten die Aufmerksamkeit der Gesellschaft. Das klingt wenig, ist aber 2023 eine Menge Zeit, in der ich meine Botschaft übermitteln kann. Ich schwimme drei Tage lang, die Zuschauer können mit kleinen Dingen, die keine Minute dauern, die Welt nachhaltiger machen.

Glauben Sie, dass Sie mit dem Schwimmen einen Sinneswandel herbeiführen können?

Das ist ein harter Kampf. Die Leute müssen sich in den Ozean verlieben und erkennen, wie viel das Meer uns gibt. Es reicht, fünf Minuten auf die Wellen zu schauen, um die Laune zu verbessern. Ich kämpfe dafür, dass der Umweltschutz auf der Prioritätenliste nach oben rückt. Mit meiner NGO haben wir drei Wege eingeschlagen, um alle Altersklassen anzusprechen. „Dress For Change“ ist für die Jüngeren. Dabei geht es darum, dass Kleidung nicht nur für einen Sommer gekauft, sondern über Jahre getragen wird. „Eat For Change“ ist für Leute in meinem Alter. Es geht darum, auf die Ernährung zu achten und nicht jeden Tag Fleisch zu essen. „Live For Change“ steht für Veränderungen in den eigenen vier Wänden – etwa nicht den ganzen Tag die Klimaanlage laufen zu lassen. Ich denke, das zielt eher auf die ältere Generation ab.

Sie wollen den Rekord im Zeitfenster vom 25. Juni bis 17. Juli angehen. Warum genau dann?

Ich habe Meteorologen konsultiert, die mir gesagt haben, dass in diesen drei Wochen immer eine Phase herrscht, in der das Meer längere Zeit ruhig ist. Sprich wenig Wind und Wellen, die mich behindern. So war es zumindest in den vergangenen sieben Jahren.

Ist das Wasser dann auf Dauer nicht noch zu kalt? Sie tragen keinen Neoprenanzug.

Ich habe im Winter schon vor Ort trainiert. In meinem Zeitfenster dürfte das Wasser an die 22 Grad haben. Das sehe ich nicht als Problem. Um meine Körpertemperatur zu halten, nehme ich warme Getränke und Suppen zu mir. Die werden mir von den Booten, die mich begleiten, mit einem Stab gereicht. Denn ich darf das Boot nicht anfassen, da das als Hilfe gewertet wird.

Sie schwimmen durchgehend Freistil. Welches Körperteil ermüdet zuerst?

Ich kann bei den Armzügen die Technik variieren, um unterschiedliche Muskelgruppen zu beanspruchen. Auf die Schultern muss ich am meisten aufpassen. Dann kommt die Brust und irgendwann meldet sich der Bizeps. Es ist einfach eine lange Zeit im Wasser. Ab einem gewissen Punkt muss ich den Schmerz im ganzen Körper verdrängen.

Sie machen alle 28 Minuten eine Pause?

Das ist nicht vorgeschrieben, sondern ist meine Entscheidung. Da geht es darum, dass ich immer in kleinen Rationen essen und trinken kann. In den anderthalb Minuten muss ich aber permanent strampeln, um mich über Wasser zu halten. Schwimmhilfen sind natürlich nicht erlaubt.

Schlafmangel, der Kampf gegen Wind und Wellen, die Distanz – was sehen Sie als größte Herausforderung an?

Es gibt einige Dinge, die ich nicht kontrollieren kann, zum Beispiel das Wetter und die Anzahl an Quallen. Drei Tage ohne Schlafen durchzustehen, wird extrem. Es drohen Halluzinationen, die dazu führen, dass ich nicht mehr weiß, wo ich bin.

Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Das lässt sich nicht trainieren. Ich kann Kaffee trinken. Im Endeffekt muss ich aber die Konzentration darauf legen, wach zu bleiben.

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