Wie ein deutsches Frauenradsportteam auf Mallorca zur Weltspitze aufschließen will

Die Lücke zwischen Profis und Amateuren wird immer größer. Ein deutsches Team will das nun ändern. Am besten schon bei der ersten Mallorca Challenge für Frauen

Lydia Ventker (re.) im Trainingslager auf Mallorca.

Lydia Ventker (re.) im Trainingslager auf Mallorca. / Maxx Rose Solar

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Der Frauenradsport boomt, die Gleichberechtigung schreitet voran. Mittlerweile haben die drei großen Radrennen der Welt – Tour de France, Giro d’Italia und Vuelta a España – eigene Wettbewerbe für die Damen. Auch die Challenge Mallorca bietet im Jahr 2024 (20. bis 22.1.) erstmals ein Frauenrennen an, und gleich zwei deutsche Teams gehen an den Start. Dass die Deutschen auf der Insel jubeln werden, scheint aber recht unwahrscheinlich.

Sebastian Ventker, Sportdirektor von Maxx-Solar Rose, und seine Frau Lydia, Fahrerin des Teams, waren im Dezember bereits im Trainingslager auf Mallorca und kommen im Januar zurück – erst zum Training, dann zur Challenge. Was für die Profis Alltag ist, stellt für die Düsseldorfer eine hohe Hürde dar. „Unser Team ist noch nicht so groß, dass wir vom Sport leben können“, sagt die 38-jährige Radsportlerin. „Wir sind alle nebenbei berufstätig.“

Einzige deutsche Zweitligist im Radsport

Das Ehepaar ist gerade dabei, das Team mit offiziellem Sitz in Erfurt vom Amateurlevel zu den Profis zu befördern. Der Club entstand 2012 als reiner Hobbyverein. In den vergangenen Jahren ging es steil bergauf. 2023 trat Maxx-Solar Rose als Continental Team bei den Radrennen an. Hinter den World Teams ist das die zweite (und derzeit noch letzte) Kategorie im professionellen Frauenradsport. „Die Schere ist in den vergangenen Jahren immer weiter auseinander gegangen“, sagt Sebastian Ventker. „Die Spitze wird immer besser im Vergleich zu den Amateuren. Eine Mittelklasse fehlt komplett.

Maxx-Solar Rose ist das einzige deutsche Continental Team. „Das steht und fällt alles mit dem Geld“, sagt der Sportdirektor. „Lizenzen und Versicherungen werden teurer, die Reisekosten steigen.“ Ab einem gewissen Niveau wäre eigentlich auch eine Bezahlung der Radsportlerinnen und des Betreuerstabs angebracht. Ein vorgeschriebenes Mindestgehalt gibt es bei den Continental Teams aber nicht. Mehr als Reise- und Materialkosten kann der semiprofessionelle Club derzeit nicht stemmen.

Kaum Rennen und kaum Profi-Teams in Deutschland

Mit Canyon SRAM Racing und Ceratizit – Letzteres fährt auf Mallorca bei der Challenge mit – gibt es in Deutschland zwei World Teams. Auf dem Papier zumindest. Ceratizit ist eine Aktiengesellschaft aus Luxemburg. Das Radsportteam wurde 2014 in England gegründet, wechselte 2019 zur deutschen Flagge. Die Website und die sozialen Medien betreibt der Rennstall noch immer ausschließlich auf Englisch. „Im Kader stehen nur zwei deutsche Fahrerinnen“, so Sebastian Ventker.

Wie die Teams, so sind auch die Rennen in Kategorien eingeteilt. Als Continental Team darf Maxx-Solar Rose nur auf Einladung bei den erstklassigen Wettkämpfen teilnehmen. An einen Startplatz zu kommen, sei gar nicht so einfach. „Die Veranstalter bevorzugen Continental Teams aus der Heimat. Und in Deutschland haben wir kein erstklassiges Rennen“, sagt Sebastian Ventker. Nur bei der Tour de Suisse durften die Deutschen mal Profiluft schnuppern. „Wir haben uns Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Das gefiel den Schweizern. Die Veranstalter schauen, welche Konzepte zum Rennen passen, und prüfen, ob es eine gute Story und in dem Fall kein Greenwashing ist“, sagt der Sportdirektor.

Großer Leistungsunterschied

Die erstklassigen Rennen sind aus mehreren Gründen eine hohe Belastung für das Team. Einerseits radelten die Fahrerinnen vor kurzer Zeit noch „wie aufgescheuchte Hühner“ einfach drauflos und haben wenig Erfahrung mit Renntaktiken. „Während wir in der deutschen Bundesliga, wo keine World-Tour-Teams mitfahren, das Maß aller Dinge sind, gehen wir bei den World-Tour-Rennen als krasser Außenseiter an den Start“, sagt der Deutsche.

Andererseits sind es praktische Hürden. „Die World-Tour-Rennen sind in der Regel unter der Woche. Ohne Urlaub bei unseren Firmen können wir da nicht mitfahren“, sagt Lydia Ventker. Sie selbst wechselte für den Sport den Arbeitgeber und ist im IT-Bereich in der Justiz tätig. Mit einem hohen Homeoffice-Anteil sind die täglichen Ausfahrten und Trainingslager auf Mallorca möglich. Wobei sich das nicht alle Teammitglieder erlauben können. „Wir haben im Januar drei Wochen eine Finca gemietet und stellen es den Fahrerinnen frei, wann sie kommen wollen“, sagt Sebastian Ventker. Außer einer Schwedin besteht das Team nur aus deutschen Fahrerinnen.

Immer mehr Frauen radeln auf Mallorca

Der Weltradsport UCI will 2025 eine dritte Kategorie, die Pro Continental Tour, bei den Frauen einführen. Eine derartige Liga gibt es bereits bei den Männern. Das dürfte besonders für die Nachwuchsfahrerinnen wichtig sein. „Derzeit ist das ein bisschen so, als ob ein Jugendlicher im Fußball direkt in der Champions League auflaufen müsste“, sagt Sebastian Ventker. „Die Nachwuchsarbeit ist in Deutschland eine große Baustelle.“ Da es in diesem Bereich keine eigenen Wettkämpfe für Frauen gibt, fahren sie eben bei den Männern mit. Da zögen sie oft den Kürzeren und verlören die Motivation. „Viele verlieren dann die Lust“, sagt Lydia Ventker. Dabei sei der Frauenradsport so populär wie nie. „Vor 15 Jahren waren fast nur Männer auf Mallorca unterwegs. Heute sind fast die Hälfte der Radfahrer Frauen.“

Dass die Profirennen der Damen deutlich kürzer sind, störe sie wenig. „Dadurch wird meist aggressiver gefahren, was es spannender macht“, sagt Lydia Ventker. „Zudem würde ich bei einer dreiwöchigen Tour meinen ganzen Jahresurlaub aufbrauchen.“

Abonnieren, um zu lesen