Deutsche U23 trainiert auf Mallorca: Welches Talent die größte Hoffnung für den Radsport ist

Der Nachwuchs wird zwar weniger, an Qualität mangelt es aber nicht, sagt Trainer Ralf Grabsch. Mit seinen Jungs war der Ex-Profi im Winter wochenlang auf der Insel

Ralf Grabsch (li.), Bundestrainer der U  23-Nationalmannschaft, mit drei seiner Fahrer in Port d‘Alcúdia.

Ralf Grabsch (li.), Bundestrainer der U  23-Nationalmannschaft, mit drei seiner Fahrer in Port d‘Alcúdia. / NELE BENDGENS

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Februar ist auf Mallorca Großkampfzeit fürdie europäischen Radsportler. Unter anderem weilte in den vergangenen Tagen die deutsche U 23-Nationalmannschaft in Port d’Alcúdia. Nationaltrainer Ralf Grabsch jagte seine 16 Schützlinge täglich über die Inselstraßen. Am Montag (20.2.) reiste der ehemalige Profi, der schon gemeinsam mit Jan Ullrich Rennen fuhr, mit seinem Team ab und machte Platz für die U 17- und U 19-Mannschaften aus Deutschland. Die MZ erwischte Ralf Grabsch am Freitag (17.2.) am Telefon.

Wie lässt sich der Saisonstart auf Mallorca an?

Super! Wir haben ja beste Bedingungen, nachdem wir zu Beginn des Trainingslagers etwas durchwachsenes Wetter hatten. Im Dezember und Januar waren wir an der Playa de Palma untergebracht, das ist unser Hauptstandort. Jetzt im Februar sind wir in Port d’Alcúdia einquartiert, weil wir die Wettkämpfe (der Rennserie „Un Hivern a Mallorca“, Anm. d. Red.) fahren. Die sind alle hier in der Region.

Sie waren also zwei Monate am Stück hier?

Nein, wir sind immer zwölf bis 16 Tage hier und dann zur Regeneration wieder zu Hause. Die gesamte Vorbereitung im Herbst und Winter absolvieren wir aber auf der Insel. Wir bauen uns hier das Grundgerüst für die Saison auf. Es sind ja auch andere Teams da, mit denen man sich mal verabredet und gemeinsam fährt. So kann ich mir ein gutes Bild über den Zustand der Jungs machen.

Bei „Un Hivern a Mallorca“ sind Sie mit einem Großteil Ihres Teams an den Start gegangen, Moritz Kretschy gewann die Gesamtwertung. War das wirklich ein Härtetest für Sie?

Es ist gut zum Einstieg und dafür, die ersten Wettkampfkilometer zu bekommen. Das Gute ist, dass die Rennen noch nicht so megalang sind. Sie passen gut in unsere Vorbereitung. In Deutschland haben wir nämlich das erste Bundesligarennen erst Ende März.

In Deutschland gibt es immer weniger Rennen. Was läuft da schief?

Die alteingesessenen Veranstalter, die das früher in die Hand genommen haben, werden immer weniger. Und jüngere rücken kaum nach. Hinzu kommt, dass die Ämter vieles blockieren, die Polizei gibt Strecken nicht frei. Das erschwert die Arbeit. Und all das führt dann dazu, dass die Starterfelder immer kleiner werden. Die Lizenzzahlen in den Jugendbereichen gehen sehr stark zurück. Aber das ist allgemein ein Problem, das sich durch alle Sportarten zieht.

Durch den Radsport vielleicht auch deshalb ein bisschen stärker, weil man nicht mal eben eineinhalb Stunden auf den Fußballplatz geht. Man muss da schon dahinterher sein.

Es ist ein sehr zeitintensiver Sport, und das Material für junge Sportler kostet nicht wenig Geld. Das müssen die Eltern erst einmal ausgeben. Und trotzdem stehen wir immer noch sehr gut da. Wir haben im vergangenen Jahr immer große Erfolge eingefahren.

Wie sieht das mit dem Nachwuchs bei Ihnen in der U 23 aus, haben Sie nach dem großen Umbruch im vergangenen Jahr genügend Fahrer, die aus dem Jugendbereich nachrücken?

Wir haben ja immer Umbrüche, ich muss im Grunde jedes Jahr ein neues Team zusammenstellen. Im Moment verfüge ich über sehr gute Sportler mit viel Potenzial. Bei denen sehe ich, dass sie alle Möglichkeiten haben, um wirklich Profis zu werden. Natürlich kommt nicht mehr die Masse nach wie in früheren Jahren. Aber die Qualität ist sehr hoch.

Hat die Zurückhaltung auch immer noch mit der Doping-Vergangenheit des Sports zu tun?

Nein, das Thema ist abgeschlossen. Der Radsport ist inzwischen Vorreiter mit all den Maßnahmen im Kampf gegen das Doping. Da sind wir ja weit vor anderen Sportarten.

Können Sie von Ihrer Warte ausschließen, dass es im Radsport heute noch Doping gibt?

Ausschließen kann ich es nicht. Ich halte ja nicht die Hand drüber. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe. Die wird es auch weiterhin geben. Aber der Sport ist deutlich sauberer geworden.

Sie halten es für wichtig, dass die Fahrer, die zu Ihnen stoßen, die vier Jahre U 23 durchlaufen und nicht zu früh zu Profis werden. Dann gibt es aber die Gegenbeispiele, wie etwa Georg Steinhauser, der nach nur zwei Jahren U 23 zu einem Profi-Team wechselte. Gibt es keine allgemeingültige Regel?

Manche Fahrer entwickeln sich erst ein wenig später, die brauchen wirklich die vier Jahre, wie etwa Emanuel Buchmann oder Pascal Ackermann. Dann hat man aber auch Fahrer wie Georg Steinhauser, Michel Heßmann oder Maurice Ballerstedt, bei denen man direkt im ersten U 23-Jahr sieht, dass sie in ihrer neuen Altersklasse mehr als konkurrenzfähig sind. Wenn die direkt so anschlagen, dann reichen auch zwei U 23-Jahre, bevor man den Schritt in den Profibereich geht.

Manche Fahrer werden schon mit 18 oder 19 Jahren zu Profis. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Verfechter davon, dass Sportler direkt in die World Tour gehen. Andererseits bekommen die Jungs eben die Möglichkeit und haben im Team ein professionelles Umfeld. Für die Entwicklung ist es aber gut, ein paar Jahre U 23 zu fahren.

Sehen Sie kurz- oder mittelfristig einen deutschen Fahrer, der um Siege bei den großen Rundfahrten kämpfen kann?

Ich habe immer noch die Hoffnung, dass Emanuel Buchmann noch einmal den Sprung macht, er ist ja auch bei mir in der U 23 lange gefahren. Buchmann war Vierter bei der Tour de France (2019, Anm. d. Red.) und ist derjenige, der die Fähigkeiten für eine dreiwöchige Rundfahrt mitbringt. Aber auch Maximilian Schachmann oder Lennard Kämna haben dieses Potenzial. Bei den jungen Fahrern zeigt Hannes Wilksch gute Ansätze, er fährt dieses Jahr noch im letzten U 23-Jahr bei mir. Er ist mit allen nötigen Fähigkeiten ausgestattet.

Aber den absoluten Überflieger gibt es nicht?

Also, wenn mir ein Pogačar (der slowakische Überflieger Tadej Pogačar, Anm. d. Red.) untergekommen wäre, dann hätte ich Bescheid gesagt. Obwohl man mal die Entwicklung von Emil Herzog abwarten muss. Er ist jetzt im ersten Jahr in der U 23. Im Juniorenbereich hat er fast jede Rundfahrt gewonnen. Wenn er in der U 23 auch so einschlagen würde, können wir uns gerne Ende des Jahres noch einmal unterhalten. Vielleicht ist er derjenige. Aber ich will ihn nicht zu früh loben. Wir hatten auch schon mal einen Junioren-Weltmeister, der in der U 23 gar nicht auf die Beine gekommen ist. Generell haben wir leider zu wenige Fahrer, die im Hochgebirge konkurrenzfähig sind.

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