Fast eine halbe Stunde begutachten verschiedene Tierärzte und Polizisten am diesem Dienstagmorgen (2.8.) das Pferd „Camarón des Molí“. Die MZ erhält keinen Einblick, einer der Mediziner zieht demonstrativ vor den Augen der Zuschauer die Tür zu. Das Resultat nach der Untersuchung fällt dann denkbar knapp aus. „Caballo o. k.“ (Pferd o. k.) steht auf einem unterschriebenen Zettel. Der Hengst darf somit wieder seinen Dienst als Kutschpferd aufnehmen. Vorübergehend zumindest. Denn das Rathaus von Palma hat am Donnerstag (28.7.) beschlossen, dass bis spätestens 2024 Schluss mit der Touristenattraktion sein soll.

Warum war das Pferd gestürzt?

Ein Video vor anderthalb Wochen hatte für Aufregung gesorgt und die seit Jahren geführte Debatte um die Kutschpferde mal wieder befeuert. In diesem war zu sehen, wie „Cameron des Moli“ auf dem Boden liegt. Da am Tag der Aufnahme eine Hitzewarnung galt, lag der Schluss nahe, dass das Pferd einen Hitzschlag erlitten hat. „Eine Frau mit einem Kinderwagen hatte mich geschnitten. Eines der zwei Pferde kam ins Stolpern und stieß das andere um. Wenige Sekunden danach konnte es schon wieder aufstehen. Doch ehe das zu sehen ist, endet das Video. Man will uns in ein schlechtes Licht stellen“, sagt Venancio Vargas, der die Kutsche steuerte.

Regelmäßige Kontrollen

„Ich kann es nicht glauben, dass wir wegen eines Sturzes hier antanzen müssen“, sagt Manuel Vargas immer wieder und schüttelt den Kopf. Er ist nicht nur der Vater von Venancio, sondern bezeichnet sich auch als Pressesprecher der Kutscher. „Ständig werden unsere Tiere untersucht. Täglich kommt die Reiterstaffel der Polizei vorbei. Dennoch werfen Tierschützer uns vor, dass wir Gesetzlose sind, und die Lage völlig außer Kontrolle sei.“ Auf seinem Handy spielt er Videos vor, die Passanten zeigen, die die Kutscher und deren Passagiere wüst beschimpfen.

Je nach Zustand der Pferde müssen die Tiere alle ein bis drei Monate zum Gesundheitscheck gegenüber der Trabrennbahn Son Pardo in Palma antraben. Oder wie am Dienstag nach einem Unfall. In einer Pressemitteilung hatte das Rathaus die Untersuchung angesetzt und die Kutsche bis dahin aus dem Verkehr gezogen. „Uns persönlich hat aber niemand informiert. Wir haben alles nur aus den Zeitungen erfahren“, sagt Manuel Vargas.

In diesem Zusammenhang klagt der Pressesprecher auch über Rassismus. Bei den Kutschern in Palma handelt es sich in der Regel um gitanos, wie die Roma in Spanien genannt werden. „Wir sind ständig die Sündenböcke. Die Leute auf der Straße reden unseren Kunden – meist Deutsche und Engländer – ein, dass wir sie bestehlen würden“, sagt Vargas.

Aussortierte Tiere werden zu Kutschpferden

Während der Familienvater auf das Ergebnis des Tierarztes wartet und sich in Rage redet, gesellen sich andere Kutscher hinzu. „Sag ihnen, wie viele Pferde du in den vergangenen fünf Jahren gerettet hast“, sagt einer von ihnen. „Bestimmt 50 bis 60“, lautet die Antwort von Manuel Vargas. Bei den Kutschpferden handelt es sich gewissermaßen um B-Ware. Alte Rennpferde, die für den Wettkampf nicht mehr geeignet sind, oder Tiere, die Privatbesitzer sich nicht mehr leisten können, werden vor die Kutschen gespannt. „Die Alternative wäre, sie zum Abdecker zu bringen. Ein Pferd ist kein Hund. Es ist wahnsinnig teuer im Unterhalt“, sagt der Pressesprecher.

Das gleiche Schicksal droht den Tieren, wenn die Kutschen wirklich verboten werden. „Von uns kann sich es niemand leisten, die Pferde einfach auf der Weide zu halten“, sagt Vargas, der schätzt, dass es in Palma an die 24 Pferdekutschen gibt, die das Einkommen von 50 bis 60 Familien sicherstellen. 150 Euro pro Tag habe er verloren, da das Rathaus seine Kutsche nach dem Sturz stillgelegt hat.

In der Sommersaison brummt das Geschäft. „Wobei wir auch immer öfter im Winter Kunden finden. Dazu zählen vor allem Zweithausbesitzer. Manche Leute zeigen uns Fotos, dass sie seit 30 Jahren regelmäßig eine Kutschfahrt durch Palma machen“, sagt Manuel Vargas. Wenn die Kutscher nicht gerade die Pferde antreiben, halten sie sich mit Nebenjobs über Wasser. „Manche ziehen dann auf das Festland weiter.“

Kutscher gehen gegen Verbot vor

Der Familienvater will gegen den Entschluss des Rathauses vorgehen. Schon bei der Ratssitzung, die das Verbot beschloss, stürmte er in den Plenarsaal und brachte seine Meinung vor. „Von sich aus sprechen die Politiker nicht mit uns“, sagt er, und vermutet hinter dem Kutschenverbot eine Wahlkampfstrategie. Dabei ist vor allem die sommerliche Hitze ein wichtiger Faktor. In Kürze soll im Amtsblatt veröffentlicht werden, dass die Kutschen nicht mehr fahren dürfen, wenn der Wetterdienst Aemet die Warnstufe Gelb ausgibt. Ähnliche Beschlüsse gab es in der Vergangenheit immer wieder.

Dass er das für Unfug hält, will Manuel Vargas so nicht sagen, umschreibt es aber: „Es gibt Pferde, die in der Wüste leben. Wir parken die Kutschen im Schatten und fahren im Sommer nur durch enge Gassen, in denen kaum Sonne scheint.“ Er könne sich schwarz ärgern über die Behauptung, die Pferde würden Hitzschläge erleiden. „Tausende Menschen sterben daran jedes Jahr. Das hinterfragt keiner. Die Kutschpferde in Palma haben noch nie einen Hitzschlag erlitten.“

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In diesem Zusammenhang erwähnt Vargas die 150.000 Euro, die das Rathaus 2014 im Budget vorgesehen hatte, um neue Unterstände für die Kutschpferde zu errichten. Dazu kam es aber nie. „Das Geld ging an die Tierschützer, die nun gegen uns wettern“, vermutet Vargas. Der Plan der Stadt sieht nun vor, die Arbeit der Kutscher zu erhalten und Elektrogefährte zu subventionieren. Wie die aussehen sollen, weiß noch keiner. Die Kutscher können sich das auch gar nicht vorstellen. „Dafür lieben die Kunden und wir die Tiere zu sehr“, sagt Manuel Vargas.