Die Verkäuferin im Schuhladen d’Estaka in Palmas Einkaufsstraße Carrer Sindicat schwitzt trotz 35 Grad Außentemperatur nicht. „Mir reicht der Ventilator, den ich hier an der Kasse aufgestellt habe“, berichtet sie gut gelaunt. Die Klimaanlage ist an diesem Dienstag (9.8.) nicht eingeschaltet, die Temperatur im Geschäft noch einigermaßen erträglich. „Gehen Sie mal ins Mango Outlet, da holen Sie sich eine Erkältung“, sagt sie.

Bisher zumindest. Mango kühlte seinen Laden nahe der Porta Sant Antoni im Sommer üblicherweise sehr stark herunter. Aber das hat sich geändert. „Wir haben die Temperatur heute auf 25 Grad eingestellt, und es ist wirklich warm hier drin“, beklagt sich eine Verkäuferin. „Wir können ja nichts anderes machen, als die Vorgaben der Politik einzuhalten. Aber angenehm ist es nicht.“ Bisher, erklärt die junge Frau, war die Klimaanlage im Geschäft auf 22 bis 23 Grad eingestellt.

Die neuen Energiesparmaßnahmen gelten in ganz Spanien

Die Vorgaben der Politik – das bedeutet unter anderem, dass die Klimaanlage in öffentlichen Räumlichkeiten ab sofort im Sommer im Prinzip nicht niedriger als auf 27 Grad eingestellt sein darf. Ein entsprechendes Dekret der spanischen Zentralregierung gilt seit Mittwoch (10.8.) im ganzen Land. Um Strom zu sparen, hat die sozialistische Linksregierung darüber hinaus verfügt, dass bis 31. Oktober 2023 im Winter bis maximal 19 Grad geheizt werden darf. Die Luftfeuchtigkeit muss zwischen 30 und 70 Prozent liegen.

Aus einem Footlocker-Geschäft ein paar Meter weiter im Carrer Sindicat weht eine äußerst kühle Brise auf die Straße, eine Tür gibt es nicht. Das geht laut dem neuen Dekret auch nicht mehr, peu à peu müssen die Geschäfte und Gastronomiebetriebe Automatik-Türen einbauen. „Es war so heiß hier drin, als wir geöffnet haben. Wir müssen erst einmal ein bisschen kühlen, dann stell ich die Klimaanlage etwas nach oben“, versucht sich die Angestellte zu rechtfertigen. Sie wisse natürlich, dass Temperaturen knapp über 20 Grad ab sofort tabu seien. „Wir werden schwitzen, und die Kunden werden sich über die Wärme beklagen, aber was bleibt uns übrig?

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In Palma de Mallorca gehen mit den Energiesparmaßnahmen die Lichter aus - zumindest zum Teil

An diesen Orten sollte es auf der Insel nicht unter 27 Grad kühl sein

Die neuen Regelungen gelten im Prinzip für die öffentliche Verwaltung, für Bürogebäude, die Gastronomie, den Einzelhandel einschließlich der Supermärkte, Kulturstätten wie Museen, Kinos oder Theater sowie Bahnhöfe, Busbahnhöfe und Flughäfen. In den Verkehrsmitteln selbst kommt das Dekret nicht zum Tragen.

Hotels sind ein Sonderfall. In den Gemeinschaftsbereichen gilt die Sparmaßnahme, in den Zimmern aber können die Urlauber ihre Klimaanlage weiter nach Belieben einstellen. Diese gelten als private Räume und sind wie alle Privatwohnungen und -häuser von dem Dekret ausgenommen. Ebenfalls nicht gespart werden muss in Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen, Gesundheitszentren und Krankenhäusern, Friseurläden, Wäschereien oder Fitness-Zentren.

Arbeitsschutz geht vor: Diese Ausnahmen gelten bei den Temperaturen

Und selbst die 27-Grad-Regelung im Sommer und die 19-Grad-Regelung im Winter sind nicht in Stein gemeißelt, wie die Ministerin für die Energiewende in Spanien, Teresa Ribera, erklärte. Die Arbeitsbedingungen hätten einen höheren Stellenwert als die Energieersparnis. Die Temperatur-Regelungen müssten sich den Gesetzen für Arbeitsschutz unterordnen, speziell einem Dekret aus dem Jahr 1997. Dort ist festgehalten, dass an Arbeitsplätzen, an denen Tätigkeiten im Sitzen ausgeführt werden, Temperaturen zwischen 17 und 27 Grad herrschen müssen.

An Orten, an denen sich die Beschäftigten bewegen und körperlich leichten Arbeiten nachgehen, muss die Temperaturspanne zwischen 14 und 25 Grad liegen. An diese Regelung können sich nun auch die Geschäfte im Einzelhandel sowie die Hotels mit ihren Gemeinschaftsbereichen klammern.

Schaufenster dürfen ab 22 Uhr nicht mehr beleuchtet werden

Ein weiterer Teil der Sparmaßnahmen ist, dass Schaufenster von Geschäften nach 22 Uhr nicht mehr beleuchtet werden dürfen, so denn die Läden nicht mehr geöffnet sind. Unter anderem die Kaufhäuser von El Corte Inglés in Palma blieben in der Nacht auf Mittwoch nach Geschäftsschluss finster. Ein ungewohnter Anblick, vor allem im Fall des monströsen Baus an den Avenidas, doch Pressesprecher Toni Sánchez will erst gar nicht klagen:

„Wir setzen die Vorgaben selbstverständlich um, und die Kunden werden sich daran gewöhnen.“ In Sachen Temperatur richte man sich nach den Arbeitsschutzgesetzen. „Wir kühlen die Luft in den Kaufhäusern auf rund 25 Grad ab. Das dürfen wir, weil sich unser Personal ständig in Bewegung befindet.“

Erst einmal keine strengen Kontrollen der Energiesparmaßnahmen auf Mallorca

Noch nicht ganz geklärt ist die Frage, wie die Einhaltung der Regelungen kontrolliert werden soll. Der zuständige Energieminister auf den Balearen, Juan Pedro Yllanes, ließ bereits durchblicken, dass er vor allem auf die Eigenverantwortung der Unternehmen setzt. Zwar gibt es einen Bußgeldkatalog für die Missachtung der Regelungen, doch laut Yllanes vertraut man den Händlern und denke weder über Strafen noch über Inspektionen nach, um die Temperatur zu kontrollieren.

Man sei vielmehr damit beschäftigt, zu prüfen, inwieweit man die Branche bei der Umsetzung der Maßnahmen unterstützen könne. Auswirkungen auf den Tourismus erwartet der Politiker der Linkspartei Podemos nicht. Die Menschen in Nord- und Mitteleuropa seien sich der Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges sehr bewusst und trügen die Regelungen mit, so seine Hoffnung.

Konservative Landesegierungen widersetzen sich den Energiesparmaßnahmen

Widerstand gegen das Dekret kommt in Spanien von konservativen Politikern, allen voran in der Hauptstadt Madrid. Die Autonome Gemeinschaft Madrid hat bereits angekündigt, gegen das Dekret vor dem Verfassungsgerichtshof vorzugehen und einen Katalog ausgearbeitet, in dem zehn Punkte festgehalten wurden, die angeblich nicht verfassungskonform sind. Darunter etwa die Dauer der Einschränkungen bis Herbst 2023 sowie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, da es in Spanien anders als in anderen Ländern keine Engpässe bei der Gasversorgung gibt.