Neue Regeln für die Serra de Tramuntana auf Mallorca
Das Welterbe im Gebirgszug darf nicht
sich selbst überlassen, sondern muss geschützt und bewirtschaftet werden. Ein neues Gesetz soll dies nun erleichtern
Dass die Tramuntana auf Mallorca in großen Teilen nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, zeigt sich an vielen Details. Wege wachsen zu und geraten in Vergessenheit, mühevoll angelegte Trockensteinmauern bröckeln, Olivenhaine werden sich selbst überlassen. Vor allem aber sind es die casetes und porxos, die zerfallen – Baracken und Schuppen, die zwar idyllisch gelegen sind, aber nicht als Ferien- oder Wochenendhäuschen gedacht waren. Vielmehr dienten sie als Unterstell- und Schlafgelegenheit, wenn sich der Abstieg zwischen arbeitsintensiven Tagen nicht lohnte.
Dass viele von ihnen dem Zerfall preisgegeben sind, liegt nicht nur daran, dass die Bewirtschaftung der Fincas kaum noch rentabel ist. Die Instandsetzung der Schuppen ist eine rechtliche Grauzone. Streng genommen dürfe man nicht mal kaputte Ziegel ersetzen, ohne eine Strafe fürchten zu müssen, sagt Miquel Martorell, Besitzer zweier porxos im Barranc de Biniaraix, mit Verweis auf die strengen Bauvorgaben im ländlichen Raum. Auch andere Dinge wie Zisterne, Waschgelegenheit oder Toiletten seien rechtlich gesehen ein Ding der Unmöglichkeit. „Wer hat da noch Interesse, das Kulturerbe zu bewahren?“
Diese und weitere Probleme in der Tramuntana soll nun ein neues Gesetz angehen, das der Inselrat auf den Weg gebracht hat. Es sieht einerseits vor, den Schutz des rund 90 Kilometer langen Gebirgszugs weiter auszudehnen, andererseits Mechanismen einzuführen, um die Instandsetzung dortiger Bauten zu erleichtern. Hintergrund ist auch der von der Unesco verliehene Welterbe-Titel, der die politischen Institutionen in die Pflicht nimmt, das Landschafts- und Kulturerbe der Tramuntana zu schützen und zu erhalten.
Gutachter vom Inselrat
Der Entwurf sieht vor, dass auf Antrag ein Sachverständiger des Inselrats vorbeischaut, um zu überprüfen, dass die Behausungen auch schützenswert sind und mit traditionellen Techniken erbaut wurden. Zudem soll festgestellt werden, ob sie als Lager oder aber als Wohnraum genutzt wurden – was dann auch den künftigen Verwendungszweck festschreiben würde. Mit diesem Gutachten in der Hand wäre dann eine Instandsetzung unter Einsatz traditioneller Baumaterialien und -techniken möglich, konkret genannt ist etwa der Trockensteinmauerbau (pedra en sec).
Der Entwurf sieht aber nicht nur Regeln, sondern auch Fördermittel vor. Eine Art mobiles Büro soll dabei helfen, beim Konsortium der Serra de Tramuntana bereitstehende Subventionen abzurufen – es gibt verschiedene Töpfe, vom Erhalt speziell geschützter ethnologischer Elemente wie Steinmauern, Schneehäuser oder Ölmühlen über die Landschafts- und Wegepflege bis hin zur Förderung landwirtschaftlicher Kooperativen.
Die Hilfen sind auch ein Grund für die Vergrößerung des Unesco-Schutzgebiets – auch Landbesitzer am Rande der Tramuntana sollen die Subventionen beantragen können. Das betrifft etwa die Ortschaften im Gebiet des Raiguer wie Selva, Caimari oder Campanet, aber auch Lloseta und Alaró. Des Weiteren kommen laut dem Entwurf Gebiete im Nordosten bei Pollença hinzu, aber auch Tramuntana-Ausläufer in der Comuna de Bunyola oder der Serra de na Burguesa westlich von Palma – insgesamt mehr als 5.000 zusätzliche Parzellen im ländlichen Raum.
Im Fall der Gutshäuser (cases de possessió), von denen viele ein ähnliches Schicksal erleiden wie die porxos und casetes, will der Inselrat sogar neue Verwendungszwecke erlauben, konkret ist die Rede beispielsweise von „kulturellen, wissenschaftlichen und Freizeitaktivitäten“, etwa der zeitlich befristeten Unterbringung von Gruppen.
Gemischte Reaktionen
Das Gesetzprojekt des linksregierten Inselrats ist auf ein geteiltes Echo gestoßen, die schärfste Kritik kommt von Bürgermeistern der Volkspartei (PP). Carlos Darder in Sóller etwa spricht von „Pfusch“, die neuen Regeln erschwerten den Menschen in der Tramuntana zusätzlich das Leben. Der linke Bürgermeister von Deià wiederum, Lluís Apesteguia, vermisst Maßnahmen gegen Gentrifizierung und Overtourism in der Serra.
Martorell, der sich in einem Buch ausführlich mit der Geschichte der porxos im Barranc de Biniaraix beschäftigt hat, begrüßt einerseits, dass die Instandsetzung jetzt erleichtert und gleichzeitig über die Bauweise gewacht werden soll. „Derzeit macht jeder, was er will, da wird auch Kunststoff verbaut, oder Steine werden mit Zement verfugt.“ Andererseits kritisiert der Mallorquiner, dass der Inselrat auch die Nutzung der traditionellen Bauten festlegen will.
Man müsse den Eigentümern zugestehen, dass sie ab und an in ihrem porxo übernachten wollten, und dafür müssten diese behutsam hergerichtet und eingerichtet werden können, ohne freilich die traditionelle Ästhetik zu verändern. Der Einbau einer Trockentoilette in einen Olivenhain sei möglich, ohne dass sie auffalle. Ohnehin ließen sich die anfallenden Arbeiten zur Bewirtschaftung eines abgelegenen Grundstücks schwerlich ohne dortige Übernachtung organisieren.
Restriktionen für Mobilität
Eine weitere Stoßrichtung des Gesetzesprojekts ist der Bereich der Mobilität. So wie schon jetzt die Zufahrt zum Cap de Formentor reguliert ist – im Sommer verkehren dort Shuttle-Busse –, soll die Ley de la Serra ein juristisches Fundament für weitere, in Zukunft möglicherweise notwendige Auflagen bieten. Festgeschrieben werden soll zudem auch, wie viele Autorallyes im Gebiet der Tramuntana erlaubt sind. Das letzte Wort darüber werde das Plenum des Inselrats haben, kündigte Verkehrsdezernent Ivan Sevillano an. Eine Übergangsregelung werde ihre Zahl aber zunächst auf null reduzieren.
Offen bleibt allerdings noch, wann das Gesetz in Kraft treten wird. Es ist zwar ausgearbeitet, aber zunächst läuft die Frist für Eingaben. Sollte das Gesetz nicht vor den Wahlen im Mai 2023 vom Inselrat verabschiedet werden, müsste es in der neuen Legislaturperiode erneut auf den Weg gebracht werden.
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