Warum es ein schlechtes Zeichen ist, dass Flamingos im Feuchtgebiet s'Albufera auf Mallorca auftauchen

40 junge Flamingos gibt es im Schutzgebiet. Der Nachwuchs zeigt, dass die Natur aus dem Gleichgewicht geraten ist

Der Flamingo-Nachwuchs ist kein Grund zur Freude. FOTO: M. MIELNIEZUK

Der Flamingo-Nachwuchs ist kein Grund zur Freude. FOTO: M. MIELNIEZUK

Anmutig im Flug, ungelenk an Land sehen sie aus, die langbeinigen Vögel mit den klobigen Schnäbeln. Wegen ihrer fotogenen rosafarbenen Federn sind Flamingo-Scharen beliebt bei Instagrammern. In Südspanien leben schon seit Längerem größere Populationen. In der s’Albufera auf Mallorca betrachten Umweltschützer, die sich für den Erhalt von Süßwasserreservoiren einsetzen, ihr Erscheinen mit Skepsis.

In dem bedrohten Feuchtgebiet an der Nordostküste gab es vor einem Jahr erstmals zwei Jungvögel. Nun haben die Flamingos deutlich mehr Nachwuchs: Etwa 40 Flamingokinder hat der Naturpark gezählt. Da Mitarbeiter die Brutstätten in einem abgelegenen Gebiet entdeckten und sie die Flamingofamilien bisher nur mit dem Teleskop beobachten können, gab es bislang noch keine Fotos.

Flamingos mögen Salz

Grund zur Freude ist der Nachwuchs nicht, sondern ein weiteres Indiz für eine ökologische Katastrophe: Das Wasser in den Lagunen versalzt immer mehr. Darum fühlen sich diese Vögel, die je nach Art zwischen 80 und 130 Zentimeter groß werden, hier so wohl. Flamingos leben normalerweise am Ufer von Seen, an Flussmündungen und in Lagunen, in denen sich salziges Meerwasser und Süßwasser vermischen. Sie sind aber so anpassungsfähig, dass sie – im Gegensatz zu anderen seltenen Vogelarten, die es in der s’Albufera gibt – mit extrem salzigen Gewässern zurechtkommen.

Krebse färben die Federn

Flamingos begeistern auch Vogelfreunde in den Salinen von Es Trenc an der Südküste Mallorcas. Ihre Färbung bekommen die Tiere durch die in Salinenkrebsen enthaltenen Carotinoide, die sie beim Staksen aufschrecken und mit ihren siebartigen Schnäbeln aus dem Wasser fischen.

Der Naturpark s’Albufera ist das größte Feuchtgebiet der Balearen. Das sumpfige Terrain umfasst eine Fläche von rund 2.850 Hektar, es bildete sich aus einer Lagune, die durch Dünen vom Meer getrennt war. Zu Zeiten der Römer lag der Wasserspiegel drei Meter höher als heute, das Süß- und Brackwasser reichte bis zum antiken Theater von Pollentia.

Im Sommer gelangt Meerwasser in die s’Albufera, in den übrigen Monaten nähren sie Fließgewässer. Bei anhaltender Trockenheit wie in den vergangenen Jahren gibt es zu wenig Süßwasser. Gleichzeitig sind in den Gemeinden Alcúdia und Muro mehr Siedlungen und Hotels entstanden. Seit 1999 zapfen Landwirte Wasser aus einer Quelle ab, der Font de Son Sant Joan. Im nahe gelegenen Sa Pobla verbraucht zudem die Landwirtschaft viel Wasser.

Wassermangel ist gefährlich

„Jedes Jahr seit 2018 wird das zulässige Maximum an Wasser entnommen“, sagt Antoni Muñoz vom Umweltschutzverband GOB, „das sind derzeit 1.580.000 Kubikmeter.“ Diese Menge müsste um mindestens 50 Prozent reduziert werden, um das Feuchtgebiet zu bewahren, schätzt Muñoz. Umweltschützer konnten in der Vergangenheit kleinere Erfolge erzielen. An der Playa de Muro werden Dünen hinter dem Strand renaturiert, sie sind für Urlauber tabu. Doch der Massentourismus und auch die Landwirtschaft haben eine starke Lobby. Nitrate und Phosphate von Feldern gelangen durch Regengüsse in die Lagunen, aus dem Osten dringt Meerwasser ein, das verdunstet, der Salzgehalt steigt immer weiter. „Die wirtschaftlichen Interessen stehen klar im Vordergrund“, ärgert sich Maties Rebassa, der Leiter des Naturparks.

Kein Schutz durch Konvention

Dabei ist das Gebiet – zumindest auf dem Papier – gut geschützt, Spanien muss Maßnahmen zu seiner Erhaltung nachweisen: Schon 1988 wurde die s’Albufera zu einem „international bedeutenden Gebiet“ nach dem Ramsar-Abkommen erklärt. Die Ramsar-Konvention ist ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag. Bei der Verabschiedung 1971 hatte sie den Schutz des Lebensraumes von Wasservögeln zum Ziel. Seit Jahren steht, auch durch verstärkte Dürren, der ganzheitliche Schutz von Feuchtgebieten und der Erhalt der Biodiversität fest im Programm.

Lagune in Gefahr

Das EU-Naturschutzgesetz könnte eine weitere Grundlage sein, um die Reduktion der Wasserentnahme zu erstreiten, hofft Naturschützer Muñoz. „Wir könnten Beschwerde bei der Europäischen Kommission einreichen.“ Die Schäden würden unterschätzt, meint Muñoz, sie seien weniger offensichtlich als etwa im Fall eines Ölteppichs. Die Besucher sehen viele Tiere und Pflanzen, das gaukle eine heile Welt vor. Die Situation müsse der Politik klargemacht werden, glaubt Muñoz. Nur mit Druck ändere sich etwas. „Von der Lagune wird sonst nichts übrig bleiben.“

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