Montagmorgen (25.10.): An Cala Ratjadas Hauptverkaufsstraße Carrer de l’Agulla beginnen Arbeiter mit einem typischen Winterprojekt. Große Fichten sollen abgesägt, der Straßenbelag erneuert werden. Das Kreischen der Motorsägen wirkt wie ein greller Signalton. Die Urlaubssaison ist zu Ende, die Winterzeit wird eingeläutet. Dabei ist am südlichen Teil der Straße noch Urlaubs-Feeling angesagt – Touristen schlendern durch geöffnete Boutiquen und Souvenirshops. Es sind diese Tage Ende Oktober, die den Übergang vom quirligen Urlaubsort hin zum verschlafenen Küstendorf prägen. Ein Teil der Hotels ist bereits dicht, die restlichen werden bis Ende des Monats ihre Pforten schließen.

Bereit für den Winter: Der Großteil der Hotels im Inselosten hat bereits geschlossen. Nele Bendgens

Von 88 Unterkünften im Raum Capdepera werden weniger als eine Handvoll den Winter über geöffnet bleiben. „Saisonverlängerung, das ist doch ein Hirngespinst der Landesregierung“, sagt Joan Ferrer. Der Vorsitzende der Hoteliersvereinigung Capdepera hat seine Unterkünfte Quijote Park und Vista Sol bereits eingemottet. „Einige Kollegen wollten dieses Jahr bis Dezember durchhalten, aber das lohnt sich einfach nicht“, sagt er. Die Kosten für den Betrieb eines Hotels, das kaum genutzt wird, seien enorm. „Da ist es sinnvoller, ein paar Tage darauf zu verwenden, alles winterfest zu machen und zu schließen.“

Ferrer wirkt deutlich entspannter als beim letzten Treffen mit der MZ. Im März hatte der Hotelier über die Politik geschimpft und vorhergesagt, dass viele der Familienbetriebe in die Insolvenz gehen würden, sollte die Pandemie die Sommersaison durchkreuzen. „Glücklicherweise ist das nicht geschehen. 90 Prozent der Häuser hatten geöffnet, die Auslastung lag zwischen 40 und 70 Prozent. Es war keine normale Saison, aber immerhin war es eine.“ Alle Hoteliers in Capdepera und den umliegenden Urlaubsorten hätten sich vor dem Ruin retten können. Selbst für die politischen Akteure hat Ferrer diesmal ein gutes Wort übrig. Einige Kollegen hätten Direkthilfen von der Landesregierung erhalten, das Rathaus habe sich letztlich doch auf eine Senkung der Müllgebühren eingelassen.

Durchwachsen in Cala Millor

Ähnliches berichtet Inés Batle, Vorsitzende des Hoteliersverbands Cala Millor. Hier hatten im Sommer etwa 80 Prozent der touristischen Unterkünfte wenigstens für ein paar Monate geöffnet. Fast alle gehen Ende Oktober in den Winterschlaf. „Bei uns war die Auslastung ebenfalls durchwachsen, aber bisher konnten alle überleben. Auch wenn ich mich bei einigen frage wie.“ Ihr sei der Sommer wie russisches Roulette vorgekommen. „Die Angst, dass wieder die Grenzen geschlossen werden oder Auflagen das Reisen erschweren, steckte uns immer im Nacken.“ Auch die im Hochsommer geltende Quarantänepflicht für ungeimpfte Reiserückkehrer nach Deutschland habe sich ausgewirkt. „Mitten in den Sommerferien konnten viele Familien mit Kindern nicht kommen. Das war bitter, aber einige haben den Urlaub in den Herbstferien nachgeholt.“

Es war Batle, die im vergangenen Winter die Aktion SOS Turismo ins Leben rief. Ein Hilferuf pandemiegebeutelter Unternehmer, der auch international nachhallte. „Bis keine Normalität einzieht, wird es auch in diesem Winter ein paar SOS-Aktionen geben, allerdings eher vereinzelte. Die meisten Akteure im Tourismus sehen ein Licht am Ende des Tunnels.“

Gleichzeitig habe die Pandemie im Hotelsektor im Inselosten Spuren hinterlassen, die noch Folgen haben dürften. „Vor allem diejenigen Hotels waren gut ausgelastet, die sich selbst aktiv um die Vermarktung der Betten bemüht und nicht nur auf die Reiseveranstalter gesetzt haben“, so Inés Batle. „Da ist eine klare Tendenz zu beobachten. Immer mehr Hotels versuchen, die Kunden über Buchungsportale wie Booking oder sogar direkt auf der eigenen Website anzulocken“, bestätigt Joan Ferrer. „Die Abhängigkeit von den Reiseveranstaltern sinkt, und das ist definitiv positiv.“ Man habe dadurch in diesem Sommer beispielsweise viel mehr Urlauber aus Frankreich, aus Italien oder vom spanischen Festland für Cala Ratjada gewinnen können, statt wie sonst überwiegend aus Deutschland. „Die Selbstvermarktung über das Internet bietet ganz neue Möglichkeiten.“

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Auch deshalb blickt man im Inselosten optimistisch auf die kommende Saison. „Die Mitarbeiter bekommen noch bis Februar Kurzarbeitergeld, und danach wird es langsam wieder anlaufen“, so Ferrer. Über Ostern erwarte man in Cala Ratjada noch keine Urlaubermassen. „Aber spätestens ab Mai hoffen wir auf eine annähernd normale Saison.“

In Cala Millor gibt sich Inés Batle ebenfalls zuversichtlich, dass das Jahr 2022 urlauberstark werde. „Ich werde mein Hotel wenn möglich Ende März oder Anfang April öffnen, einen Monat früher als sonst.“ Dann sollen sich endlich die Modernisierungsmaßnahmen bezahlt machen, die sie vor der Pandemie vorgenommen hatte: ein neuer Spa-Bereich, ein Fitnessstudio und Arbeitsplätze für Gäste im Homeoffice. Durch gemeinschaftlich veranstaltete Events wie den East Mallorca Cup erhoffen sich die Hoteliers zusätzliche Frühlingstouristen für den Inselosten. Wenn die Pandemie denn nicht noch einmal ausholt.