Es fing alles so schön an. Fast über Nacht entstand in Spanien Mitte Mai eine erfrischend andere Protestbewegung für mehr Demokratie und gegen die hohe Arbeitslosigkeit, die grassierende Korruption und die Straffreiheit für die Verursacher der Finanzkrise. Vorher hatte man sich fast gewundert, warum trotz der Missstände in dem Krisenland die Bürger scheinbar apathisch ruhig blieben. Auffällig war das vorbildliche, friedliche Verhalten der „Empörten", die ihre an zentralen Plätzen aufgeschlagenen Zeltlager penibel sauber hielten, mit Arbeitsgruppen straff organisierten und direkte Demokratie mit allabendlich abgehaltenen offenen Versammlungen vorführten. Tausende Sympathisanten strömten zu den Gesprächsrunden, und auch die Medien stürzten sich auf die neue ­Bewegung.

Eine erste drohende Eskalation am Wochenende vor den Wahlen am 22. Mai wegen der angeordneten Räumung der Protestlager wurde vermieden. Nun aber wird die Stimmung, auch wegen überzogener Polizeieinsätze, zunehmend gereizter. Gewaltsame Zwischenfälle wie die Zusammenstöße in Barcelona und Valencia oder der von Unbekannten deponierte Sprengsatz am Rande des Lagers in Palma lassen die Forderungen der Demonstranten in den Hintergrund treten und bringen die Bewegung in Misskredit. Umso klarer muss sie sich von der Gewalt distanzieren.

Die Zeltlager werden unterdessen nach und nach aufgelöst. Das ist auch gut so. Die Signalwirkung ist verblasst, das mediale Interesse gesättigt. Eine Art Scheideweg ist erreicht. Die Bewegung muss es nun schaffen, mit anderen Mitteln weiterhin Anhänger zu mobilisieren. Um wirklich etwas zu erreichen, muss sie mit Ausdauer politische Arbeit leisten. Und die offizielle Politik tut gut daran, sich mit den Kernforderungen der „Empörten" auseinanderzusetzen. Denn: Mehr Demokratie, ein gerechteres Wahlsystem und mehr Transparenz sind keineswegs abwegige Forderungen. Im Gegenteil.