Drei zurechtgemachte junge Frauen stehen vor dem Mäuerchen an der Promenade des Palmira-Strandes in Peguera. Es windet ziemlich, weswegen der spanische Wetterdienst für diesen Freitagvormittag (1.4.) sogar eine Warnstufe ausgerufen hat. Trotzdem knallt die Sonne im Vergleich zu den vergangenen Tagen ungewohnt stark. „Lasst uns noch ein paar Fotos machen! Es kann gut sein, dass das Wetter morgen wieder mies ist“, sagt eine der Frauen und setzt sich ein paar Meter weiter zum Posieren in den Sand. Ihre Freundin zückt ihr Handy und fängt an, sie zu fotografieren. In einer der Promenaden-Bars genießt ein anderes Urlauber-Paar währenddessen seine Sangría und die Aussicht auf den Strand. Auch diese Urlaubserinnerung wird mit dem Handy festgehalten. Die Lokale an der Promenade sind gut besucht, am Strand selbst halten sich eher wenige Menschen auf. Beinahe übertönen die aufschlagenden Wellen die Passanten-Geräusche, so gemütlich geht es hier zu.

Deutlich trubeliger ist es ein paar Meter weiter oben auf dem „Bulevar“ des deutsch geprägten Ferienortes. Hier rollt am Freitagvormittag ein Lieferwagen nach dem anderen an, dazwischen schiebt sich ab und an ein Überlandbus. Lieferanten bringen Bierfässer und Getränkekisten zu den Lokalen. Passanten schlendern von Laden zu Laden. Man hört überwiegend Deutsch und sieht sogar die ein oder andere kurze Hose. Wer zum letzten Mal mitten im Winter in Peguera war, mag schnell den Eindruck bekommen, dass die Saison hier nach der Pandemie mehr als gut angelaufen ist.

Tunnelsperrung, Preisanstiege, kurzfristige Buchungen

„Es tut sich zwar etwas, aber der Saisonbeginn war recht schwach“, winkt der Vorsitzende von Pegueras Hoteliersvereinigung, Toni Mayol, ab. Während im März nur die Hälfte der 78 Hotels des Ortes geöffnet waren, werden es im April, so hoffen die Hoteliers, 80 Prozent sein. „Wir nehmen an, dass im Mai dann alle geöffnet sind. Obwohl die Saison wohl nicht wie 2018 oder 2019 wird, blicken wir den Sommermonaten optimistisch entgegen“, sagt Mayol, dem das Drei-Sterne-Hotel Morlans Garden gehört.

Hotelier Toni Mayol. Bendgens

Nicht nur die Wiederaufnahme des Geschäfts nach der Pandemie macht den Hoteliers in diesem Jahr zu schaffen. Auch mit stark gestiegenen Preisen für Strom, Transport und Lebensmitteln wegen der Inflation und des Kriegs in der Ukraine haben wohl die wenigsten gerechnet. „Wir schließen die Verträge mit den Reiseveranstaltern schon ein Jahr im Voraus ab. Wenn wenige Monate später die Preise steigen, müssen wir uns trotzdem an die Abmachungen halten“, sagt Mayol.

Und dann ist da noch die Sperrung des Tunnels Son Vic, weswegen der Verkehr teils mitten durch das Stadtzentrum des Ortes geleitet wird. „Im Carrer Eucaliptus etwa ist eine ganze Reihe an Hotels von den damit einhergehenden Problemen, etwa Lärm oder Staus, betroffen“, erzählt der 53 Jahre alte Mallorquiner. Immerhin: Seitens der Kunden gebe es bisher weniger Beschwerden als erwartet.

Dafür hat sich bei den Urlaubern eine andere Problematik aufgetan, die Hoteliers wie ihm die Planungen erschweren: „Normalerweise planen deutsche Urlauber sehr vorausschauend. Seit der Pandemie bucht ein Großteil plötzlich last minute. Darauf sind wir nicht eingestellt. Wir können daher derzeit nur schwer abschätzen, wann wir weiterem Personal Bescheid sagen sollen“, so Mayol, der 1992 mit nur 23 Jahren die Leitung des Familienbetriebs übernahm. Die meisten Urlauber seien mittleren Alters oder Rentner. 70 Prozent kämen nicht zum ersten Mal, sondern regelmäßig. Durch die kurzfristigen Buchungen würden viele Urlauber etwa auch die Wettervorhersage mitbedenken – eine Tatsache, die den Hoteliers im äußerst wechselhaften und zuletzt überaus kühlem März nicht gerade in die Hände spielte.

Fast wieder abgereist

Annette und Dieter Zeller etwa, die in Mayols Morlans Garden untergebracht sind, wären nach einer Woche grau in grau fast frühzeitig wieder aus Peguera abgereist. Nun, da sich die Sonne doch hat blicken lassen, bleiben sie doch noch bis zum 11. April. Die 67-Jährige und der 73-Jährige wollten eigentlich schon im Mai 2021 in Peguera Urlaub machen. Wegen hoher Inzidenzen in Deutschland und aus Angst, im Falle einer Ansteckung auf der Insel in Quarantäne festzusitzen, haben sie den Urlaub aber abgesagt. „Das braucht ja wirklich kein Mensch“, findet Annette Zeller. Während das Paar seinen Urlaub letztes Jahr drei Monate zuvor gebucht hat, waren es 2022 nur drei Wochen Vorlauf. Peguera habe das Paar ganz bewusst ausgewählt, auch um „von den Säufern wegzukommen“, erzählt Annette Zeller. Das „Städtchen“, wie die Frankfurter Peguera nennen, sei zwar noch ein bisschen verschlafen, aber gemütlich.

Urlauberin Anja Kirchner, die wir mit ihrem Sohn Raphael Gottschalk, auf dem Bulevar antreffen, findet, es ist sogar schon recht viel los. „Ich war erst vor vier Wochen in Palmanova, da war fast alles noch zu“, erzählt Kirchner. Gebucht hat auch sie nur drei Wochen im Voraus. Nachdem die Familie den Anreisetag am Donnerstag (31.3.) wegen des Regens erst einmal im Palma Aquarium verbracht hat, soll es nun samt neu gekaufter Schaufel an den Strand gehen.

Anja Kirchner mit Sohn Raphael. Bendgens

Luft nach oben bei der Kauflust

Dass bisher eher auf dem Kalender Frühling war, die Temperaturen und damit die Lust auf Eis aber noch zu wünschen übrig ließen, hat auch José Luis Rosselló zu spüren bekommen. Der 36-Jährige hat seit März 2021 als Franchisenehmer die Heladería Capri gemietet. Vor zwei Wochen hat er die Eisdiele trotz des durchwachsenen Wetters wieder aufgemacht. „Die Miete und die Nebenkosten wollen schließlich auch bezahlt werden“, so Rosselló, der hofft, dass es nur am Wetter liegt, dass nur wenige Kunden kommen. Im Durchschnitt seien es über den ganzen Tag verteilt gerade einmal zwanzig. Auf dem Bulevar betreibt der Mallorquiner seit 2014 noch einen Taschenladen. Doch da laufe das Geschäft derzeit sogar noch schlechter als in der Eisdiele. „Die meisten Passanten kaufen nach der Pandemie derzeit nur das Nötigste. Da gehört eine neue Tasche nicht unbedingt dazu“, so José Luis Rosselló. Falls das Geschäft gar nicht mehr in Gang kommt, hat sich der 36-Jährige vorgenommen, sich wieder Arbeit als Angestellter zu suchen. „So erspare ich mir viele Kopfschmerzen und Stress“, sagt er.

Bei der Deutschen Elvira Fellinger, die ein paar hundert Meter weiter direkt am Bulevar das Bekleidungsgeschäft „Barbara“ betreibt, stapeln sich hingegen die Abrechnungszettel. 14 Zettel zählt sie allein am Freitagvormittag. Noch bietet sie, als hätte sie geahnt, dass das Wetter zunächst durchwachsen bleibt, in ihrem Laden vor allem bunte Übergangskleidungsstücke feil. Die Residentin ist schon seit 24 Jahren in Peguera tätig, hatte hier bis 2016 mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann jahrelang ein Café. „Kaffee ist immer schneller verkauft als Kleidung, trotzdem bringt Shoppen-Gehen vielen Passanten das gewisse Urlaubsfeeling, da sie sich gerne eine Erinnerung mit nach Hause nehmen wollen“, weiß Fellinger, die recht optimistisch auf die bevorstehende Saison blickt. „Der erste Monat ist immer ruhig. Kurz vor Ostern sieht es dann schon anders aus“, so die Verkäuferin.

Elvira Fellinger. Simone Werner

Saison sogar verlängern

Motiviert und optimistisch startet mit ihrer Bar „Bei Hermine“ auch Hermine Reisinger in ihre bereits 32. Saison. Das Lokal der Residentin, die bald 40 Jahren auf der Insel lebt, ist in Peguera eine wahre Institution. Das „Bei Hermine“ war zunächst sieben Jahre lang in einem gemieteten Lokal untergebracht. Vor 25 Jahren konnte die Österreicherin dann das aktuelle Lokal im Carrer Eucaliptus, 12, kaufen. Hier empfängt sie viele Stammgäste. „Ich denke, dass die Saison gut wird. Die Leute wollen raus“, sagt die 63-Jährige.

Hermine Reisinger. Nele Bendgens

Viele hätten sich schon jetzt für April, Mai oder gar Juni angemeldet und schon bestimmte Tische reserviert. „Die meisten Gäste kommen eine oder zwei Wochen und wollen jedes Jahr den gleichen Tisch reservieren. An ihn setzt sich dann auch niemand anderes ran, denn alle wissen Bescheid. Kommen die Gäste in ihrem Urlaub an einem Abend nicht, melden sie sich bei mir ab“, erzählt Reisinger, die vorhat, bald in Rente zu gehen und das Lokal zu verkaufen. Deswegen und weil alles gut instand ist, hat sie ihr Lokal über die vergangenen Wintermonate auch nicht renoviert.

Holger und Juliette Bombien. Bendgens

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Holger und Juliette Bombien, deren Bar „Bei Holger und Juliette“ neben dem aus dem Fernsehen bekannten Nachtlokal Krümels Stadl liegt, hatten nach einem Wasserschaden deutlich mehr zu tun. Der 56-Jährige und die 35-Jährige haben die Herrentoilette renoviert, eine neue Spülmaschine angeschafft und geklaute Stühle ersetzt. „Mehr ist finanziell erst einmal nicht drin“, erzählt Holger Bombien. Das Paar hatte unmittelbar vor dem Lockdown am 10. März 2020 eröffnet. Nur drei Tage später machte die Polizei alle Lokale dicht. „Ich glaube, dass dieses Jahr viele kommen, die während der letzten zwei Jahre nicht hier waren“, ist sich Bombien sicher. Schon beim Opening am Samstag (2.4.) sei die kleine Bar mit 50 Gästen voll gewesen, erzählt das fußballbegeisterte Paar, das die Saison dieses Jahr sogar noch verlängern will. „Wir haben hier drei Fernseher, ich habe frisch die Kabel gezogen. Im November beginnt die Fußball-WM, die wir hier übertragen.“ Endlich gutes Timing.

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