Abriss geht weiter: Besuch im "Drogendorf" Son Banya auf Mallorca

Son Banya soll jetzt bis Ende 2023 verschwinden. Doch noch leben viele Menschen in der berüchtigten Barackensiedlung in Palma de Mallorca

Abriss eines Wohnblocks in Son Banya Mitte November 2022.

Abriss eines Wohnblocks in Son Banya Mitte November 2022. / Manu Mielniezuk

J. F. Mestre

Drogendorf, Krisengebiet, Slum – so wird Son Banya oft bezeichnet. Nichts davon ist besonders vielversprechend. „Ihr müsst vorsichtig sein, das ist ein Kriegsgebiet!“, warnt der Polizeireporter der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“. Er war schon oft in Son Banya, allerdings meist während Polizeieinsätzen oder wenn ein Anwohner ihn begleitet hat.

Auf den ersten Blick scheint die Siedlung nicht direkt bedrohlich, dafür umso elender. Vor der Zufahrt, wo die Besucher ihre Autos parken, häufen sich Müll, ausgeschlachtete Autos und Tierkäfige. Dahinter Ruinen, dort hat die Stadt am 30. November wieder einen Häuserblock abgerissen.

Son Banya gilt als Drogenumschlagsplatz

Nach und nach soll ganz Son Banya verschwinden, die Bewohner in andere Viertel umgesiedelt werden. Vorsichtshalber stellen wir uns bei den Männern, die vor der Siedlung in provisorischen Wachposten stehen, nicht vor. Journalisten sind hier nicht wohl gelitten. Innerhalb der Siedlung sitzen die Männer und Frauen auf Plastikstühlen vor ihren Baracken und blinzeln nur müde auf, als die beiden Reporterinnen durch den Schlamm an ihnen vorbeistapfen.

Son Banya im Hinterland Palmas wurde zu Franco-Zeiten gebaut, um die „Gitanos“, wie die Roma hier genannt werden, aus der touristischen Ecke El Molinar zu locken. In den Jahrzehnten danach mauserte sich das Viertel immer mehr zum Drogenumschlagsplatz. Bis heute kaufen hier Partygänger vor dem Weg in den Club ein oder Junkies, wenn sie das nötige Kleingeld zusammenkratzen können.

„Unsere Tage sind gezählt“

Ein Kinderschloss, fast so groß wie die Baracken, in denen die Menschen in Son Banya wohnen. / Nele Bendgens

Die Drogen bestimmen das Bild Son Banyas, doch vor Ort sieht man vor allem Armut. Nicht jede Familie hier ist in den Drogenhandel verwickelt und nicht jeder, der dealt, verdient viel daran. Aktuellen Daten zufolge leben derzeit noch 248 Menschen in der Barackensiedlung. Die Bewohner von sieben weiteren illegal errichteten Gebäude sind dabei noch nicht erfasst. Schätzungen zufolge könnten insgesamt 310 Menschen in Son Banya leben, darunter 130 Minderjährige.

Mit den Medien will erst einmal niemand von ihnen reden. Die Bewohner verweisen uns von einem zum nächsten. Drei Frauen, zwei davon Mitte 20, eine vielleicht um die 40, wollen zwar auch nichts sagen, sprechen am Ende aber dann doch. Eine der beiden jüngeren wohnte in einem der Häuser, die kürzlich abgerissen wurden. Die 40-Jährige, ihre Schwägerin, hat sie seitdem bei sich aufgenommen. „Sonst wäre ich auf der Straße gelandet“, sagt die junge Frau.

Polizei sichert den Abriss in Son Banya ab

Sechs der Familien aus den insgesamt neun abgerissenen Häusern hatten bereits eine Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen – die der Frau habe nicht dazugehört, sagt sie. Wie auch zwei weitere Baracken wurde ihr Zuhause zwangsgeräumt. Bis Ende 2023 sollen alle verbliebenen 75 Häuser in der Siedlung abgerissen werden. „Unsere Tage hier sind gezählt“, sagt die 40-Jährige.

Son Banya soll bereits seit Langem verschwinden. Doch 2020 stoppten die Abrissarbeiten komplett. Neben der Pandemie waren auch der Mangel an alternativem Wohnraum für die Bewohner sowie fehlende richterliche Genehmigungen Grund für die lange Pause.

„Unsere Tage sind gezählt“

Ein großes Polizeiaufgebot sicherte den Abriss eines Wohnblocks in Son Banya ab. / DM

Das Gespräch mit den drei Frauen wird von einer älteren Dame unterbrochen, die fragt, ob wir „etwas zum Spritzen“ brauchen. Die zwei jüngeren schicken die verwirrte Seniorin genervt weg, führen die Unterhaltung unbeirrt weiter. „Wir sind ja selbst schuld, dass wir zugelassen haben, dass unsere Häuser abgerissen werden“, sagt die 40-Jährige. „Das nächste Mal müssen wir uns auf die Dächer stellen und mit Steinen werfen.“ Ihre junge Schwägerin winkt ab: „Hast du denn nicht gesehen, wie viele Polizisten da waren?“

Tatsächlich ist jeder Einsatz in Son Banya ein Großeinsatz. Nationalpolizei und Ortspolizei sicherten die Arbeiter ab, während sie die Häuser niederrissen. Und bekamen direkt noch mehr zu tun: In zwei der Häuser fanden sie Kokain, Haschisch und Marihuana. Außerdem Waagen zum Abwiegen und Tüten zum Verteilen der Drogen.

Der Streifzug geht weiter. Mit dem Mann, den wir ansprechen, ist unser Glück aber vorbei. „Wir wollen hier keine Journalisten und vor allem keine Kameras“, sagt er. Er bleibt freundlich, aber fordert uns klar auf, Son Banya zu verlassen: „Sonst kriegt ihr Probleme.“

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