Manche Kinder brauchen Hilfe, wenn sie mit ihrer eigenen Gefühlswelt oder ihren Pro­blemen nicht mehr allein zurechtkommen. Auch auf der Sonneninsel Mallorca. Joachim Schreck ist laut eigenen Angaben der der­zeit einzige deutschsprachige Kinder- und ­Jugendpsychiater sowie Psychotherapeut auf ­Mallorca. Seit Dezember 2018 betreibt er eine Praxis in Palma de Mallorca.

Wie sind Sie dazu gekommen, mit Kindern zu arbeiten?

Kinder haben so etwas Natürliches, Offenes und Ehrliches. Außerdem hat man eine große Verantwortung, wenn man mit ihnen arbeitet, da sie hohes Entwicklungspotenzial haben. Eigentlich hatte ich angefangen, Medizin zu studieren, um Kinderarzt zu werden. Im zweiten Semester habe ich jemanden kennengelernt, der Kinder- und Jugendpsychiater war, und dadurch erst von dem Fach erfahren. Da entschied ich: Das will ich werden.

Und wie kam es zur Praxis auf Mallorca?

Zum einen schaue auch ich lieber in einen blauen als in einen grauen Himmel. Auch die entspannte Lebensart hier hat es mir angetan. Zum anderen hatte ich in Köln eine große Praxis, mit einigen Mitarbeitern, was viel Arbeit war. Nach 20 Jahren wollte ich es etwas ruhiger angehen. Hier habe ich die Chance, mehr Zeit in meine Arbeit zu investieren. Durch das Kassensystem ist in Deutschland ja genau vorgeschrieben, wie viele Minuten man für den Patienten hat. Auf Mallorca ­handelt es sich um eine Privatleistung, die ­Privatversicherte bei ihrer Krankenkasse einreichen können.

Welche Herausforderungen gibt es?

Spanien ist das einzige Land in Europa , in dem das Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie gar nicht existiert. Deshalb ist es auch schwieriger, sich zu vernetzen. Es gibt keine oder nur wenige deutschsprachige Anlaufstellen wie etwa Autismuszentren, Beratungsstellen,Ergotherapeuten oder Logopäden. Und die ­Patienten nach Deutschland zu schicken, ist nicht Sinn der Sache. Mittlerweile stehe ich aber in Kontakt mit Kindergärten, Schulen und Kinderärzten auf Mallorca.

Wer sind Ihre Patienten?

Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Kinder ­allein zu behandeln, macht keinen Sinn, da sie in einem familiären Umfeld leben. Das geht eher bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Im Moment habe ich hauptsächlich deutschsprachige Patienten, die manchmal ­einen nicht deutschsprachigen Elternteil ­haben. Es gibt aber auch Anfragen von ­Eng­ländern und Spaniern. Ich spreche beide ­Sprachen, das Problem ist nur, dass Sprache in meinem Fachbereich sehr wichtig ist. Wenn ich mit Deutschen spreche, höre ich, was sie mir sagen, und habe eine Ahnung ­davon, was sie mir nicht sagen. Das kann ich auf Spanisch nicht so gut. Trotzdem überlege ich mir, auch spanisch- und englischsprachige Therapien anzubieten.

Kämpfen Kinder auf der Insel mit anderen Problemen als Kinder in Deutschland?

Jein. Auch hier gibt es Schulschwierigkeiten, Probleme in der Familie, Depressionen oder Essstörungen. Was sich unterscheidet, ist, dass die Kinder oft zunächst in Deutschland, der Schweiz oder Österreich aufgewachsen und dann hergekommen sind. Für die Eltern ist das die Erfüllung eines Traumes, für die Kinder manchmal ein Albtraum. Das muss man hier auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.

Gibt es Erkrankungen, die Sie auf Mallorca häufiger oder seltener diagnostizieren?

Auch wenn man meinen könnte, es gäbe hier vielleicht weniger psychische Erkrankungen, ist es für mich gefühlt eher das Gegenteil. Ich erlebe, dass Kinder hier oft schwerere ­Krankheiten haben, als ich es in Köln gesehen habe. Das kann aber daran liegen, dass zunächst die schwereren Fälle zu mir gekommen sind. Das pendelt sich jetzt ein. Leichter haben es Kinder hier nicht.

Behandeln Sie anders als in Deutschland?

Ich versuche, das zu machen, was ich auch in Deutschland gemacht habe. Neben der ­Dia­gnostik berate ich die Eltern und biete ­Einzel- sowie Gruppentherapien an. Da gibt es unterschiedliche Therapieformen wie etwa Familien- oder Verhaltenstherapien.

Was für eine Rolle spielen soziale Netzwerke und Online-Angebote heute bei psychi­schen Erkrankungen von Kindern?

Pauschal kann man das nicht beantworten. Fragen sie den einen Psychiater, sagt er: „Ganz schlimm, da kommt alles her", fragen sie den anderen, heißt es: „Das hat nichts damit zu tun." Ich glaube, es liegt irgendwo dazwischen. Manchmal sehe ich durchaus Abhängigkeitserkrankungen. Das sind dann Kinder, die nicht zur Schule gehen, keine Freunde mehr haben und den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen. Das ist aber die Ausnahme. Zugleich macht das Online-Angebot natürlich etwas mit den ­Kindern. Manche Jugendliche haben ein total verqueres Bild von Sexualität. Sie müssen ja nur irgendwo drücken, sehen einen Porno in dem dann immer alle wahnsinnig hübsch sind und alles können - das ist aber nicht die Realität. So ist das in vielen Bereichen. Gleichzeitig ist es utopisch, dass sich Kinder nicht mit ­sozialen Netzwerken beschäftigen - dann sind sie Außen­seiter. Man muss ein Mittelmaß ­finden. Wichtig ist, dass Eltern sich dafür interessieren, was die Kinder da machen.

www.kinderpsychiatriemallorca.com