Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Warum diese kranke Frau auf Mallorca sterben will, aber nicht darf

Eine Frau aus Ariany mit einer neurologischen Erkrankung hat ohne Erfolg Sterbehilfe beantragt. 2022 wurde nur ein Viertel der Anträge genehmigt

Trotz der vielen Tabletten habe sie beständig große Schmerzen, sagt Damiana Alemany. Mielniezuk

Eigentlich liebe sie das Leben, sagt Damiana Alemany. Jetzt träume sie aber nur noch davon, die Schmerzen, die ihr die vergangenen 30 Jahre ihres Lebens zur Hölle gemacht hätten, ein für alle Mal loszuwerden. Die 60-Jährige aus Ariany, die an einer sogenannten idiopathischen intrakraniellen Hypertension leidet, hatte einen Antrag auf Sterbehilfe gestellt, so wie es die spanische Gesetzgebung seit 2021 erlaubt und deren Umsetzung auf den Balearen vorsieht. Der Antrag wurde abgelehnt, zum Unverständnis der Mallorquinerin. Auch eine Klage vor Gericht blieb erfolglos.

Sechs Menschen erhielten 2022 Sterbehilfe

Mit dem Gesetz haben Spanien und die Balearen den Umgang mit dem heiklen Thema ähnlich liberalisiert wie etwa die Schweiz, Luxemburg oder die Niederlande. Gleichzeitig wird die Umsetzung streng gehandhabt, jeder Fall im Detail geprüft. Nach Angaben des balearischen Gesundheitsministeriums erhielten 2022 letztendlich sechs Menschen auf den Balearen Sterbehilfe. Nur rund einem Viertel aller Anträge wurde stattgegeben. Einschließlich dem Gesuch von Alemany gingen im Gesamtjahr 25 Anträge bei der Landesregierung ein. Bereits 2021 hatte eine Deutsche auf Ibiza als eine der ersten auf den Balearen Sterbehilfe erhalten (MZ berichtete).

Damiana Alemany muss jeden Tag starke Schmerzen aushalten. Mielniezuk

Schmerzvoller Alltag

Der Fall der Mallorquinerin in Ariany ist offensichtlich anders gelagert, auch wenn sie ebenfalls über beständige und starke Schmerzen klagt. Alemany lebt allein in dem Dorf in der Inselmitte. Schon der kurze Weg zwischen Wohnzimmer und Tür sei für sie eine Tortur. Sie kann kaum ein paar Schritte machen, weil ihr der Atem stockt und sie sich kaum bewegen kann. Dennoch versucht sie zu lächeln. „Ich mag das Leben und halte wenig von Selbstmord. Aber ich habe so große Schmerzen, dass ich nicht mehr kann. Ich denke, dass die Zeit für mich gekommen ist, aus diesem Leben zu gehen.“

Mit 26 Jahren erkrankt

Die Mallorquinerin erkrankte bereits im Alter von 26 Jahren. Die Ärzte diagnostizierten eine unheilbare neurologische Krankheit. Am Anfang habe sie nur leichte Beschwerden gehabt, aber jetzt seien sie unerträglich. „Für jemanden, der mich nicht kennt, ist es schwer zu verstehen, was mit mir geschieht. Es ist wie ein Bohrer im Gehirn. Jeden Tag.“

Schwierige Verhältnisse

Obwohl sie sechs Kinder hat, sei sie allein. Ihr Leben sei nicht einfach gewesen, zur Krankheit kamen komplizierte Familienverhältnisse. Ihr alkoholkranker Ehemann habe sie misshandelt, das Sorgerecht sei ihr entzogen worden. Die Einsamkeit sei aber nicht der Grund für ihren Wunsch zu sterben, sondern ganz allein der anhaltende Schmerz. „Es geht mir immer schlechter, und es gibt keine Medikamente, die mich von den starken Schmerzen befreien. Ich habe noch ein wenig Würde, und ich möchte nicht bettlägerig und bewegungsunfähig sterben.“

Will sterben: Damiana Alemany. Mielniezuk

Ihren Alltag bewältige sie nur dank der Barmherzigkeit der Dorfbewohner. Der Apotheker bringe ihr die Medikamente nach Hause, ein Angestellter des Supermarkts ihre Einkäufe. „Ich lebe von Almosen, aber ich bin den Menschen, die wissen, dass es mir sehr schlecht geht, sehr dankbar.“

Die Mallorquinerin sitzt im Rollstuhl, vor ihr steht ein Tisch mit einem Stapel Medikamente. Sie wisse nicht einmal, wie viele Pillen sie pro Tag nehmen müsse, aber täte sie es nicht, wären die Schmerzen noch schlimmer. Sie sei sicher gewesen, dass die Sterbehilfe bewilligt würde. Deswegen habe sie sich sogar „von den wenigen Freunden, die ich noch habe, verabschiedet“.

Auch Richter sagen nein

Zwar genehmigten zwei Ärzte in einem ersten Schritt ihren Antrag auf Sterbehilfe. Doch der Garantieausschuss, der jeden Antrag in einem zweiten Schritt prüft, gab eine Überprüfung durch einen weiteren Mediziner und einen Juristen in Auftrag, die zu einem anderen Urteil kamen. „Ein Arzt, der mich noch nie in meinem Leben gesehen hat, verweigert mir die Sterbehilfe, da Medikamente mir helfen könnten, meine Schmerzen loszuwerden“, kritisiert Alemany. „Die Ärzte, die mich seit Jahren kennen, sind jedoch anderer Meinung.“ Ihre neurologische Erkrankung habe noch weitere gesundheitliche Probleme zur Folge, so auch Diabetes und ein Lungenleiden, das ihr das Atmen erschwere.

Es ist wie ein Bohrer im Gehirn. Jeden Tag.

decoration

Argumente vor Gericht nicht ausreichend

Auch vor Gericht waren derlei Argumente nicht ausreichend. Das Leiden der Frau aus Ariany sei nicht „unerträglich“, heißt es in dem Urteil des Oberlandesgerichts. Der Fall eines unheilbaren, leidenden Patienten sei nicht derselbe wie der von Menschen, die einen Selbstmord in Erwägung zögen, „weil sie nicht das Leben haben, das sie gern hätten, und beschließen, diesem ein Ende zu setzen“.

Im Gesetzestext von 2021 heißt es, dass die Sterbehilfe nur bei Patienten angewandt werden darf, die unter einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden, die ihre Lebenszeit begrenzt, oder die eine schwere chronische Krankheit haben, die nicht mittelfristig zum Tod führt. In beiden Fällen muss ein psychisches oder körperliches Leiden vorliegen, das der Patient als „unerträglich“ beschreibt, und das „konstant und nicht tolerierbar“ ist. Der Antragsteller muss volljährig und zurechnungsfähig sein oder aber sein Anliegen zuvor detailliert schriftlich festgehalten haben.

Expertengremium prüft den Antrag

Das Expertengremium, das jeden Fall prüft, besteht aus fünf Gesundheitsexperten und vier Juristen. Zuvor müssen zwei Mediziner den Fall unabhängig voneinander begutachten. Das Landesgesetz räumt den Patienten Mitbestimmung ein. Sie dürfen wählen zwischen dem Setzen einer Spritze und der Einnahme von Tabletten. Sie dürfen auch den Ort bestimmen und entscheiden, ob sie den allerletzten Schritt selbst tun wollen oder ob eine Fachkraft zur Hand gehen soll. Und die Patienten können den Antrag auf Sterbehilfe je nach Präferenz im privaten oder im öffentlichen Gesundheitssystem einreichen.

Wenn sie bisher nicht versucht habe, sich das Leben zu nehmen, dann nicht zuletzt deshalb, weil sie auch an ihren Hund denke, so Alemany. „Wenn ich jetzt sterbe, würde meine Leiche erst nach vielen Tage gefunden, und ich will nicht, dass mein Hund verhungert.“ Nun überlege sie, ihren Hund nach Galicien zu schicken. Dort lebe ein Bekannter, der sich um das Tier kümmern könne.

Artikel teilen

stats