Mallorca Zeitung

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Festival-Chefin Sandra Lipski im Interview: Wie bringt man einen Hollywood-Star nach Mallorca?

Die gebürtige Berlinerin über die Strahlkraft ihres Evolution Mallorca International Film Festival, Werbung für die Insel und den Umgang mit den Promis

Sandra Lipski im Festival-Hotel Portixol. Nele Bendgens

Derzeit läuft das Evolution Mallorca International Film Festival. Veranstalterin Sandra Lipski erklärt, wie sich das Event in den vergangenen Jahren entwickelt hat und wie sie die Hollywoodstars überzeugt, auf die Insel zu kommen.

Wie viele Filmfestivals gibt es auf Mallorca eigentlich?

Auf den Balearen 12 oder 13. Die Konkurrenz zwingt uns, auf Zack zu sein.

Inwiefern hebt sich Ihr Festival denn von der Konkurrenz ab?

Wir sind das älteste Festival mit Sitz auf den Balearen. Und aus meiner Sicht das einzige, das sich international nennen darf.

Die britische Zeitung „The Guardian“ zählt es zu einem der zehn wichtigsten kleinen Festivals Europas...

Auf einer Stufe mit München und Locarno. Das war eine Art Vitaminschub für uns, der uns Kraft gibt weiterzumachen.

Ein Sprichwort lautet: Wer in Hollywood triumphieren möchte, muss auch dort leben.

Ich lebe mit meinem Mann einen Teil des Jahres in Los Angeles. Er arbeitet dort als Kameramann. Als Schauspielerin streike ich derzeit, denn ich gehöre seit meinem Debüt in „Spiderman 3“ im Jahr 2007 der Gewerkschaft SAG an.

(Darin sind 160.000 Schauspieler, Tänzer und Stuntleute organisiert. SAG fordert von den Streaming-Plattformen wie Disney oder Netflix höhere Gagen, Anm. d. Red.)

2016 überzeugten Sie Danny DeVito, auf die Insel zu kommen. Wie stellt man das an?

Mit guten Kontakten, viel Geduld und dem Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ich lernte in Sundance seinen Sohn Jake DeVito kennen, der einen Kurzfilm vorstellte und mich bat, ihn auch auf dem Evolution Film Festival zu zeigen. Ich antwortete: „Nur wenn du kommst und deinen Vater mitbringst.“ „Geht klar“, sagte er.

Dieses Jahr ist Daniel Brühl mit dabei. Wie kam es dazu?

Ich habe ihn im Januar auf einem Empfang in Los Angeles kennengelernt, kurz vor der Oscar-Verleihung, wo sein Film „Im Westen nichts Neues“ nominiert war, und mit ihm natürlich gleich über Mallorca gesprochen.

Hollywoodstars gelten als unzuverlässig und sagen oft in letzter Minute ab. Stimmt das?

Das passiert leider sehr oft. Ich lade 30 Leute ein, und vor der Tür stehen am Ende nur drei. Es ist ein ständiges Klinkenputzen bei den Agenturen und Produzenten. Die stellen dann eine Menge Forderungen, ehe sie zusagen. Die Schauspieler würden von sich aus lieber zu noch mehr Festivals gehen. Sie unterstützen das Independent-Kino. Natürlich haben auch alle einen Narren an Mallorca gefressen.

Festivalleiterin ist ein ungewöhnlicher Beruf.

Ich habe zunächst Regie und Produktion studiert. Mein Debüt war der Kurzfilm „Mi madre“. Ich hätte ihn gerne auf einem Filmfest auf Mallorca vorgestellt, allerdings gab es zu dem Zeitpunkt keine Festivals. So kam mir die Idee, mit dem Evolution Mallorca International Film Festival. Ich bin eine sehr impulsive Person. Ich denke nicht lange über die Dinge nach, sondern mache sie einfach.

Braucht es noch mehr Werbung für die Insel?

Kommt darauf an, für was genau. Wenn wir die Fühler in den Vereinigten Staaten ausstrecken und ein Treffen zwischen Mallorca und Hollywood organisieren, locken wir damit hochqualifizierte Leute an: Produzenten, Regisseure, Schauspieler. Das sind alles Menschen, die einen großen Einfluss auf einen zukünftigen Drehort haben. Das ist der Tourismus, den Mallorca braucht.

Auf Mallorca ist noch kein anständiger Film gedreht worden!

Über diese steile These müsste ich länger grübeln. Die Serie „The Night Manager“ war jedenfalls gut. Vielleicht müsste man das Kino auch ein wenig mehr fördern.

Sie haben mit Sacha Baron Cohen im Film „Brüno“ zusammengearbeitet?

Er verkörperte die Rolle zu 100 Prozent. Er ist den ganzen Tag nicht aus ihr rausgeschlüpft. Man gab mir keinerlei Drehbuch. Ich sollte bei einer Party mit vielen Drogen und Alkohol dabei sein. „Improvisier einfach“, hieß es. Sacha Baron Cohen schrieb die Dialoge spontan. Er forderte uns auf, alles zu geben. Party auf höchster Stufe, ohne vorher etwas einwerfen zu müssen.

Bekommt eine Schauspielerin Rollen, wenn sie einmal den 40. Geburtstag gefeiert hat?

Dem Club bin ich erst vor Kurzem beigetreten. Sicherlich gibt es nicht mehr so viele Angebote wie früher, aber die, die reinkommen, sind hochwertiger. Als Zwanzigjährige bekommt man nur zwei Rollen auf den Leib geschneidert: Entweder man ist die Freundin des Protagonisten oder das Mädchen von neben-an. Mit meinem Akzent musste ich immer den nordischen Typ spielen.

Wäre es nicht an der Zeit, sich mehr auf die Regie zu fokussieren?

Das sagt meine Mutter auch immer. Ich habe schon Kurzfilme gedreht und habe ein Drehbuch für einen Thriller vorliegen. Die Geschichte spielt in einem regnerischen November auf Mallorca.

Wann waren Sie das letzte Mal im Kino?

Ich habe „Barbie“ gesehen und war begeistert. Ohnehin bin ich ein großer Fan der Regisseurin Greta Gerwig. Sie war auch einmal Schauspielerin. Von ihren Filmen haben wir „Frances Ha“ und „Mujercitas“ auf dem Festival gezeigt. Es gibt noch weitere Parallelen: Wie ich arbeitet sie mit ihrem Mann zusammen, Noah Baumbach.

Ist das nicht kompliziert?

Im Gegenteil. Auf der Leinwand sind wir ein besseres Paar als im wahren Leben. In der Arbeit sind die Rollen klar abgesteckt. Es ist geregelt, was jeder Einzelne zu tun hat und wovon er lieber die Finger lassen sollte. Das lässt sich daheim nicht so einfach regeln.

Sie haben „Barbie“ gesehen und nicht den anderen Film der Saison, „Oppenheimer“?

Dafür fehlte mir bislang die Zeit. Ich musste für das Festival 600 Filme schauen.

Nach dem Festival ist vor dem Festival. Was sind Ihre nächsten Ziele?

Die Ziele sind endlos, das Potenzial dieses Festivals auch. Wir haben ein so tolles internationales Netzwerk aufgebaut und bringen so viele Menschen zusammen! Dafür möchte ich einfach mehr Aufmerksamkeit haben, von der Stadt, von den Balearen, auch von Spanien. So langsam ist es an der Zeit, dass die Institutionen das Festival nicht nur punktuell, sondern dauerhaft unterstützen.

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