Es hört sich ein bisschen wie ein ehemaliges Klassentreffen an. Viele Sätze beginnen mit: "Weißt du noch?" oder "Erinnerst du dich an?". Lance Armstrong hat Jan Ullrich zu einem Radsportcamp auf Mallorca eingeladen. Der ehemalige Tour de France-Sieger ist nicht nur mit zahlungskräftigen Amateuren Rad gefahren, sondern hat sich auch in einem am Sonntag (26.9.) veröffentlichten Podcast über seine Vergangenheit geäußert. Ullrich litt unter einer schweren Alkohol- und Drogensucht und machte mit einem Skandal nach dem anderen auf sich aufmerksam. Danach verschwand der 47-Jährige lange von der Bildfläche.

"Vor drei Jahren ging es mir richtig schlecht", sagte Deutschlands einstiger Rad-Held. "Du hast mich besucht und ich war auf demselben Weg wie Marco Pantani - fast tot." Der italienische Radstar Pantani war 2004 an einer Überdosis Kokain gestorben, die genauen Todesumstände sind bis heute nicht geklärt.

Armstrong und Ullrich sprachen offen über ihre Beziehung, die sich über die Jahre entwickelt hat. "Er ist eine besondere Person, ein guter Freund und ich versuche, auch ihm ein guter Freund zu sein", sagte der US-Amerikaner, der den Deutschen als den einzigen echten Konkurrenten seiner Karriere bezeichnete. "Es gab viele Radsportler, die sich selbst dazu erklärt haben. Das waren aber alles nur Aufschneider. Jan hat mich dazu angetrieben, jeden Morgen aufzustehen."

Heute habe sich daraus eine enge Freundschaft entwickelt. Lance Armstrong und Jan Ullrich versichern sich in dem Gespräch gegenseitig, in den ersten Flieger zu steigen, wenn Hilfe nötig ist.

Dass die Rivalität noch nicht ganz vorbei ist, offenbarte der frühere Teamchef Johan Bruyneel. "Jan war einen Tag früher hier und hat mich gefragt, wie er Lance ein bisschen ärgern könnte. Ich habe ihm gesagt, fahre gleich am ersten Tag Vollgas, wenn Lance noch unter Jetlag und den Auswirkungen einer Geburtstagsparty leidet", sagte der Belgier in der dauerheiteren Runde.

Eigentlich wollte Armstrong die Probleme seines früheren Rivalen ausblenden, doch sie kamen immer wieder als Thema auf. "Als ich ihn vor drei Jahren gesehen habe, war er noch ein anderer Mensch. Das er jetzt wieder so aussieht, ist das größte Comeback der Geschichte", sagte Armstrong und Ullrich begründete: "Ich habe drei Jahre geschlafen und brauchte die Zeit für mich. Aber jetzt ist mein Hirn wieder klar, mein Körper ist fit."

Er habe gute Freunde um sich herum, trinke nur noch Wasser, seine Freundin koche gesundes Essen. "Gute Freunde haben mich ins Leben zurückgeholt und ich bin wieder glücklich", sagte der 47-Jährige. Der drei Jahre ältere Armstrong meinte: "Wir sind alle durch beschissene Zeiten gegangen, alle auf unterschiedliche Art und Weise. Aber das Wichtigste ist: Wir sind hier."

Armstrong und Ullrich hatten sich Anfang der 2000er Jahre legendäre Duelle bei der Tour de France geliefert, aus denen stets Armstrong als Sieger hervorging. Nur im Jahr 2003 hatte Ullrich eine reelle Chance, den Texaner zu besiegen, stürzte allerdings im verregneten letzten Zeitfahren. Armstrong wurden wegen Dopings später alle sieben Tour-Siege aberkannt und nicht neu vergeben, Ullrich steht noch immer in den Ergebnislisten.

Allerdings war Ullrich 2006 kurz vor dem Start der Tour aus dem Rennen genommen worden, weil er neben weiteren Topstars als Kunde des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes enttarnt worden war. Dann folgte der Absturz. "Ich habe nach all dem Scheiß vor 15 Jahren vergessen, was gut für mich ist", sagte Ullrich. "Radfahren ist gut und mit meinen Freunden, meinen Kindern und meiner Familie zusammen zu sein, das ist gut für mich. All das habe ich vergessen, und das war mein Problem."

Im Herbst 2018 hatte Ullrich in einem Statement Drogenprobleme eingeräumt und unterzog sich nach eigenen Angaben einer Behandlung. Wenige Wochen zuvor war Ullrich nach einem Streit auf Mallorca mit seinem damaligen Nachbarn, dem Schauspieler und Regisseur Til Schweiger, vorübergehend in Gewahrsam genommen worden.

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Armstrong richtet auf Mallorca ein einwöchiges Radcamp für wohlhabende Kunden aus - die Teilnahme für die 14 Amateure kostete pro Person 27.000 Euro. Ullrich wollte die Einladung erst ausschlagen, ließ sich dann jedoch überzeugen - und trainierte fünf Wochen nahezu täglich. "Ich hatte einen Netflix-Rücken. Ich dachte, meine Zellen hätten alles vergessen. Aber Gott hat mir diesen Körper und dieses Talent gegeben. Und dann bin ich eben so: Vollgas oder nichts", sagte der gebürtige Rostocker. Wie es mit ihm weitergeht, wollte Ullrich noch nicht verraten. Am Montag (27.9.) ist er offenbar wieder abgereist. "Ich habe gute Ideen, die sind aber noch alle in der Startphase." /rp mit dpa