Mallorca Zeitung

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Elke Becker und Ute Köhler Autorinnen

Deutsche Autorinnen legen zweiten Band ihrer "Mallorca-Saga" vor

Am 10. August ist der zweite Band der epischen Romanreihe um die Winzerfamilie Delgado erschienen. Ein Gespräch mit Elke Becker und Ute Köhler

Ein Herz und eine Seele, ob beim Schreiben oder beim Posieren: die Autorinnen Elke Becker und Ute Köhler. Nele Bendgens

Elke Becker (51) und Ute Köhler (56) lernten sich vor vielen Jahren beim Autoren-Salon auf der Kulturfinca Son Bauló kennen. Unter dem Pseudonym Carmen Bellmonte haben sie gemeinsam eine epische, akribisch recherchierte und spannende Mallorca-Saga geschrieben, die um die vom Leben auseinandergerissene Winzerfamilie Delgado kreist. Nach „Zeiten des Wandels“ geht die vierteilige Reihe nun mit „Zeiten der Sehnsucht“ im Jahr 1929 weiter (Heyne, 560 Seiten, 11 Euro) – also Halbzeit für die Geschichte und höchste Zeit für ein Interview mit dem Autorinnen-Dream-Team.

Ihre Mallorca-Saga ist ein historischer Roman über mehrere Bände, der auf der Insel spielt, eine Familiengeschichte mit dem Thema Weinbau verknüpft und dazu eine Brücke nach Kuba schlägt. Was hat Sie an der Kombination gereizt? Und sehen Sie sich damit in einer Nische?

Elke Becker: Ich sehe es gar nicht so extrem als Mallorca-Geschichte, sondern als etwas Historisches. Und da gibt es immer Mehrbänder, das Genre verlangt das geradezu. Aber natürlich ist es das Alleinstellungsmerkmal, eine große Familiensaga auf Mallorca spielen zu lassen.

Ute Köhler: Als wir diesen Stoff entwickelt haben, war uns wichtig, dass es nicht, wie bei vielen historischen Romanen, dieses Herrenhaus oder die Fabrikantenfamilie gibt. Wir wollten eine Familie aus dem Dorf, die nicht reich ist und sich der Zeit und den Widerständen entgegensetzen muss. Den Unterschied zwischen Landbevölkerung und Palmas Stadtbevölkerung haben wir schon mit drin, aber er ist nicht so elementar für die Grundgeschichte.

Becker: „Wer heiratet wen“ wäre uns zu platt gewesen. Es bleibt bodenständig – wie die Mallorquiner eben so sind. Sie sind ja auch sehr eigenwillig.

Inwiefern ist Ihnen diese Lebenswelt nah?

Köhler: Ich wohne seit 22 Jahren in Sencelles, gucke auf die Weinfelder und auf die Tramuntana. Und wir sind beide auf dem Dorf aufgewachsen. Das hat uns den Einstieg in diese normale Bauernfamilie leicht gemacht. Ob Winzer oder Viehzüchter: Alles war knapp, und für die Befindlichkeiten von Kindern war keine Zeit.

Der zweite Band heißt „Zeiten der Sehnsucht“. Wessen Sehnsucht steht dabei im Zentrum?

Becker: Kriegszeiten schweißen Familien zusammen. In Spanien tobt der Bürgerkrieg, und natürlich möchte Antonia, die nach Kuba ausgewandert ist, zu Carla, die auf Mallorca blieb. Carla sehnt sich nach dem Rückhalt ihrer Schwester. Antonias Plan war eigentlich, die Familie nachzuholen.

Köhler: Es ist die Sehnsucht nach Familien-Zusammenführung in harten Zeiten. Und die Schwestern sehnen sich beide nach einem gewissen Frieden: in der Familie und in der Welt.

Für Antonia läuft es zunächst nicht schlecht auf Kuba, sie hat ihr Glück in der Ehe mit Federico aus der Upperclass gefunden. Welche Schwierigkeiten stehen den beiden bevor? Und wie läuft es derweil auf Mallorca?

Becker: Die Amerikaner machen Havanna in der Prohibitionszeit zu einem zweiten Wohnzimmer der USA, mit Glücksspiel und Alkohol. Das ruft die Mafia auf den Plan. Und es gibt den Druck durch den American Trust bei der Zigarrenproduktion.

Köhler: Das bringt Spannungen. Nicht nur für die Firma, auch innerhalb der Beziehung. Auf Mallorca blieb Carlas Wunsch nach eigenen Kindern leider versagt, aber sie denkt nach wie vor an Adoption.

Die Saga beginnt 1913, in einer Zeit vor dem Tourismus, und endet 1958. Welche Aspekte überraschen die Leserschaft dabei am meisten?

Becker: Allgemein wusste fast niemand, dass Mallorquiner nach Kuba oder Südamerika ausgewandert sind, dass die Familie Bacardi aus der Gegend von Barcelona kam oder wie modern Kuba früher war: Es war Europa um Meilen voraus, durch die Nähe zu den USA.

Köhler: In einer Leserunde haben wir Fragen beantwortet und erklärt, dass alles wirklich recherchiert und nicht ausgedacht ist. Natürlich braucht man eine schriftstellerische Freiheit und muss manchmal die Dinge ein bisschen abwandeln. Aber alles hat Hand und Fuß. Wenn nur eine Person sagt „Das stimmt nicht“, wird alles andere aus den Romanen infrage gestellt. Die Recherche war uns unglaublich wichtig. Sie war aber auch wahnsinnig anstrengend.

Wo haben Sie für die Bücher recherchiert?

Becker: Wir waren in den Stadtarchiven, haben alte Fotos angesehen und mit Historikern und Weinbauern in vierter Generation gesprochen. Wann ging das Licht in Sencelles an, wie lange gab es Plumpsklos, wie viele Peseten hat damals ein Haus gekostet? Alles war spannend. Und das sind Details, über die man einfach drüberliest, aber man muss alles recherchieren.

Köhler: Meine Nachbarn haben auch in der Fotokiste von der Uroma geguckt. Die Unterstützung war sehr groß – auf Kuba und hier.

Becker: Und auch die Begeisterung! Das hat mich überrascht, denn wenn zwei Deutsche über Mallorca schreiben, und dann auch noch mit dem Thema Wein und historisch, waren wir uns zu Beginn nicht sicher, wie das aufgenommen wird. Aber alle warten jetzt nur auf die spanische Übersetzung.

Und sind bereits Übersetzungen geplant?

Becker: Es erscheint bald auf Niederländisch. Und wir haben uns in einer Partneragentur unseres Verlags in Barcelona vorgestellt. Regionale Mallorca-Geschichten sind für Spanier weniger interessant.

Köhler: Sie mögen generell keine Provinz. Andalusien funktioniert auch nicht.

Becker: Aber als wir vorgesprochen haben, fanden sie es doch interessant. Manchmal hilft es, hartnäckig zu sein und zu sagen: Es gibt mehr von Mallorca als Ballermann-Geschichten und Krimis, wo der Ermittler ein Ausländer ist.

Köhler: Außerdem sind wir durchaus in der Lage, auf Spanisch eine Lesung zu halten. Das unterstreicht die Glaubwürdigkeit.

Noch einmal zurück zur Recherche: Gab es dabei besonders spannende Entdeckungen?

Köhler: Man lernt natürlich selbst und denkt manchmal: wow! Es gab zum Beispiel sehr früh, um 1920, eine deutsche Werbung für ein vegetarisches Hotel in Sóller. Werbeanzeigen in alten Zeitungen helfen ungemein, so etwas wie: „Cocktailabend mit Tanz, Eintritt soundso viel“.

Becker: Oder die Glosse „Die gute Ehefrau“. Die Frau sollte schauen, dass der Mann es zu Hause gemütlich hat, seine Belange standen immer über denen der Frau. Das kommt in unseren Geschichten natürlich weniger vor (lacht).

Köhler: Unsere Frauen sind stark.

Becker: Die lassen sich nicht so viel gefallen.

Welche Dinge haben Sie selbst überrascht?

Becker: Auf Kuba eigentlich, wie extrem die Diskriminierung der Schwarzen und überhaupt der Frauen war. Wenn eine Spanierin auf Kuba einen Ausländer heiratete und diese Ehe zerbrach, war sie staatenlos. Das heißt, sie war ein Nichts. Und eine geschiedene oder verwitwete Frau wurde direkt stigmatisiert.

Köhler: Mich hat es sehr beeindruckt, was ich alles nicht über Franco wusste. Ich war entsetzt, dass Kinder, die nicht regimegetreu waren, den Frauen weggenommen wurden. Und mich hat es gewundert, dass es dafür, was Franco eigentlich für eine extreme Persönlichkeit war, nicht noch mehr Widerstand gab. Die Mallorquiner waren zwar betroffen, weil ihnen das ganze Essen weggenommen wurde, mit dem Franco seine Schulden bei Hitler bezahlte. Aber politisch war es ihnen egal. Zeitzeugen, die noch leben, sagen nicht: „Das Franco-Regime war schlimm“, sondern: „Der Hunger war schlimm.“

Wie kann man sich Ihren Schreibprozess vorstellen? Gab es dabei manchmal Reibereien?

Köhler: Es gab fundierte Diskussionen. Wir haben immer zusammen geplottet und dann hat jeder seine Teile geschrieben.

Becker: Wir haben unsere Protagonisten ausgewählt, damit man immer in der Person bleiben kann, in die man sich ja hineinversetzt.

Köhler: Dann haben wir uns die Teile zugeschickt und überarbeitet, sodass am Schluss das Sprachliche ein Guss ist. Und wenn jemand ohne Absprache vom Plot abgewichen ist, ging es um unsere „Verkaufsargumente“.

Becker: Wir haben teilweise verabredet, dass jetzt niemand mehr stirbt. Und dann habe ich doch noch jemanden sterben lassen.

Köhler: Ja! Ich habe das Skript bekommen, bin zum Telefon gerannt und sagte: „Nicht wirklich?!“ Im Traum stand dann der Protagonist vor mir: „Ich war noch nicht bereit. Was fällt dir eigentlich ein?“

Becker: Du hättest doch auch sagen können: „Das war Elke.“

Köhler: Das habe ich, aber er meinte: „Du musst dich da durchsetzen. Jetzt bin ich weg.“ Dich verfolgt so eine Geschichte. Ich habe richtig getrauert. Aber dann war es irgendwann okay.

Manche Figuren wachsen einem also im Laufe der Zeit besonders ans Herz?

Köhler: Ja, absolut.

Becker: Trotzdem darf man als Autorin nicht zu nett zu ihnen sein. Die sollen ja schon ihre Schwierigkeiten, ihren Liebeskummer und ihre Probleme haben, die sie lösen.

Köhler: Du musst sie leiden lassen, sonst interessiert es niemanden. Aber die Figuren waren manchmal sehr, sehr bockig und sagten: „Nee, so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt.“

Becker: Es darf nie zu friedlich und harmonisch sein, sonst langweilt man sich. Und es darf nie zu tragisch sein, sonst hasst einen der Leser. Das muss in Wellen gehen – wie im Leben.

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