Als Frank Rumpf mit drei Jahren das erste Mal nach Mallorca kam, faszinierte ihn den Erzählungen seiner älteren Schwester zufolge hauptsächlich der Aufzug im Familienhotel in Peguera. In den fünf Jahrzehnten, die seither verstrichen sind, entdeckte der Journalist die wahren Schönheiten des „kleinen Felsens“, wie die Einheimischen Mallorca nennen. Seit fünf Jahren hat der gebürtige Rheinländer, der seit 20 Jahren hauptsächlich in Hamburg lebt, an der Ostküste Mallorcas eine eigene Wohnung. Und auch sonst ist Rumpf, schon von Berufs wegen, viel herumgekommen, schließlich leitete er zeitweise die Reiseredaktion der „Welt“. Derzeit arbeitet er für die Nachrichtenagentur dpa. Für seinen Mallorca-Text „Wenn der Schnee den Strand bepudert“, der in der „Welt am Sonntag“ erschien, bekam er 2018 den MZ-Journalistenpreis für herausragende Berichterstattung über Mallorca. In seinem neuen Buch, das am Freitag (30.9.) erschienen ist, räumt er mit Irrtümern auf, die über die Insel kursieren.

„Der Trick war, die Klischees aufzuklären“ Simone Werner

Mallorca-Bücher und -Reiseführer gibt es zuhauf. Wie hebt sich das Ihre davon ab?

Die Marktlücke ist folgende: Es gibt zum einen die allgemeinen Reiseführer, die man liest, wenn man das erste Mal auf die Insel fährt und wissen will, was man sich anschauen soll. Zum anderen gibt es die Fraktion der Geheimtipps. Ein bisschen dazwischen liegt mein Buch. Es versucht, Dinge, die viele Leute schon kennen und schätzen, von einer anderen Seite zu beleuchten. Die Themen sind so aufbereitet, dass man sich, ob mit Freunden oder in der Kneipe auf Mallorca, nach dem Motto „Wusstest du schon …?“ darüber austauschen kann.

Das Buch erscheint in der Reihe „Populäre Irrtümer & andere Wahrheiten“: Warum hält Mallorca offenbar mehr Überraschungen bereit als andere Regionen auf der Welt?

Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt, bevor ich das Buch geschrieben habe. Mallorca bietet als Insel auf den ersten Blick zwar nur einen übersichtlichen Berichtsraum. Dennoch hält das vergleichsweise kleine Inselchen – es ist nur das siebtgrößte im Mittelmeer – tatsächlich schier unendlich viele Geschichten bereit. Das hat wohl zum einen mit der langen Geschichte und den vielen unterschiedlichen Besiedlungsphasen und Traditionen zu tun, und zum anderen damit, dass es eben nicht nur eine Touristeninsel ist, sondern dort auch ganz viele verschiedene Menschen leben. Ich war daher überrascht, wie viel es tatsächlich zu erzählen gäbe. Am Ende mussten wir sogar noch einige Themen aussortieren, weil wir sie gar nicht mehr untergekriegt hätten.

Kennt Mallorca nicht nur als Reisejournalist: Frank Rumpf. | FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS Simone Werner

Wie sind Sie als jemand, der nicht fest auf der Insel lebt, bei den Recherchen vorgegangen?

Durch meine Wohnung verbringe ich schon viel Zeit auf Mallorca, in den vergangenen beiden Jahren noch deutlich mehr als zuvor. Ich kenne zudem viele Leute, die schon lange auf der Insel leben, und habe auch mit anderen viel gesprochen. Durch die Kathedrale etwa bin ich mit der Kuratorin gegangen. Sie hat sich dafür einen ganzen Vormittag Zeit genommen und ist mit mir in jede Ecke gegangen. Dabei hat sie mir gezeigt, wie es mit vielleicht typisch mallorquinischer Sparsamkeit gelang, mit minimalem Materialeinsatz einen maximal großen Raum zu schaffen. Ich spiele damit etwa auf die Sandsteinsäulen des Kirchenschiffs an, die sehr schmal sind, und auffallend weit auseinander stehen. (In seinem Buch schreibt Rumpf, dass die ersten der sieben Säulen je Reihe laut der Kuratorin so schmal waren, dass sie sich bogen. Die weiteren Säulen errichtete man daher zwanzig Zentimeter dicker. So wirke heute das Innere geräumig und leicht. – Anm. d. Red.) Und vieles war natürlich klassische Recherche, in lokalen Medien, Büchern, historischen Dokumenten oder Doktorarbeiten.

Wie sind Sie beim Schreiben mit den typischen Mallorca-Klischees umgegangen, Stichwort „Putzfraueninsel“, Ballermann, „17. Bundesland“?

Der Trick war ja, sich genau mit ihnen auseinanderzusetzen und sie aufzuklären. Wenn wir etwa „Putzfraueninsel“ nehmen: Hier habe ich versucht, herauszufinden, wer diesen Ausdruck erfunden hat. Einen Urheber oder jemanden, der das zum ersten Mal gesagt hat, konnte ich nicht identifizieren. Eine Theorie besagt, dass es der Spott der Nachbarinsel Ibiza war, die auf die größere Insel herabgeschaut hat. Meine eigene Theorie ist aber eine andere: Mallorca wurde zunächst nicht „Putzfraueninsel“ genannt. In den 90er-Jahren stellte man dann fest, dass die Insel nicht mehr nur Ziel für günstigen Pauschalurlaub war, sondern auch immer mehr Reiche und Schöne sich etwas zum Wohnen dort kauften, etwa Boris Becker oder Michael Douglas. Erst dann war plötzlich die Rede von der „ehemaligen Putzfraueninsel“. Man hat also im Nachhinein etwas, von dem zuvor gar keine Rede war, zu einem Faktum erklärt und diesen Begriff fortan benutzt.

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"Ich bin eher ein Strand- als ein Bergtyp. Daher gefällt mir die Ostseite der Insel auch besser als etwa die Westseite."

Welcher Irrtum oder welche Wahrheit hat Sie persönlich besonders überrascht?

Der Irrtum, dass auf Mallorca überall Deutsch gesprochen wird. Das ist definitiv nicht der Fall – oder allenfalls in den Touristenhochburgen und in Palma. Man merkt ansonsten aber schnell, dass die Deutschkenntnisse der Bevölkerung begrenzt sind. Das ist auch in Ordnung. Als Tourist kommt man hier mit Deutsch vielleicht noch ganz gut durch. Spätestens wenn man aber auf der Insel lebt und mit einem Handwerker reden muss oder seinen Internetanschluss bestellen will, ist es gut, wenn man Spanisch kann.

Woran machen Sie das fest?

An eigenen Erfahrungen. Bevor wir die Wohnung gekauft haben, haben wir viel Zeit in Hotels verbracht. Ich habe dort angefangen, mühsam meine wenigen Spanischkenntnisse auszupacken, etwa gegenüber den Kellnerinnen. Die waren darüber immer sehr froh. Sie konnten mich fragen „Was möchten Sie trinken?“ und „Sind Sie fertig?“ – und ich wusste korrekt zu antworten. Andererseits hörte es damit auch schon mit der Unterhaltung auf …

Richtet sich das Buch eher an Besucher oder an Bewohner der Insel?

An beide. Wir haben Freunde, die schon lange auf Mallorca leben, auch für sie ist etwas dabei, etwa die Hintergrundgeschichte von dem berühmten Mallorca-Salz (Flor de Sal, Anm. d. Red.). Dass es eine kluge Marketing-Idee einer Deutsch-Schweizerin ist, wissen auch viele Residenten nicht, glaube ich. Das Buch soll auch zur Diskussion unter den Menschen anregen, die Mallorca schon sehr gut kennen. Ich habe einige Listen drin, zum Beispiel der sieben schönsten Strände oder Aussichtspunkte. Sind das wirklich die sieben schönsten Strände, oder fällt jemandem noch ein achter ein? Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, kann er sich gerne über Instagram an mich wenden (@mallorcaquarterly, Anm. d. Red.).

Ihre Wohnung liegt im Osten der Insel. Was gefällt Ihnen dort besonders?

Man hat dort einerseits viele kleine Buchten, andererseits auch relativ große Strände wie in Cala Millor. Das finde ich eine gute Mischung. Ich bin eher ein Strand- als ein Bergtyp. Daher gefällt mir die Ostseite der Insel auch besser als etwa die Westseite. Auch Artà mag ich sehr gerne. Der Ort hat sich in den letzten Jahren sehr entwickelt. Mittlerweile mag ich sogar die Stadt Manacor, die immer etwas verrufen war. Auch sie hat ihre Reize, aber sagt es nicht weiter! (lacht).