Mallorca Zeitung

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Für diesen Sonnenuntergang stehen Urlauber auf Mallorca Schlange

Sa Foradada bietet den Sonnenuntergang schlechthin. Alle wollen ein Foto. Und am Ende gibt es sogar Applaus

Gedränge an der Mauer des Aussichtspunktes Sa Foradada Laura Heeb

Franzosen, Italiener, Deutsche, Briten und Spanier, alle sind sie hier und halten in der einen Hand ihr Handy, in der anderen das Getränk. Dicht gedrängt stehen sie in mehreren Reihen vor der Steinmauer und blicken nach Westen, wo sich die Sonne dem Horizont nähert. Über das Sprachengewirr ertönt laut „Con te partirò“ von Andrea Bocelli. „Quando sei lontana sogno all’orizzonto e mancan le parole“ (Wenn du weit weg bist, träume ich am Horizont, und die Worte versagen). Aber niemandem hier gehen die Worte aus. Alle schnattern weiter.

Kein Geheimtipp mehr

Sa Foradada gilt auf Mallorca als der perfekte Ort für einen romantischen Sonnenuntergang. Der Aussichtspunkt in der Nähe von Deià bietet einen freien Blick auf das Meer und den berühmten „Lochfelsen“. Es ist Freitagabend. Schon um 17 Uhr sind die Parkplätze gefüllt, teils sogar mit Reise- und Kleinbussen. Die ersten Besucher fahren unter Schimpfen und Fluchen schon wieder weg. Ohne Parkplatz kein Sonnenuntergang. Diejenigen, die mit dem TIB-Bus gekommen sind, haben sich das Problem erspart – mussten allerdings bis Deià durchfahren, weil der Bus nur in einer Richtung hält. Von Palma aus kommend die falsche.

Bei der Ankunft in Sa Foradada gibt es bereits Parkplatzprobleme Laura Heeb

Geduldiges Warten

Der Aussichtspunkt liegt etwas abseits der Ma-10, auf dem Erzherzogs-Anwesen Son Marroig. Die oberhalb eines Restaurants gelegene Kieselstein-Terrasse ist von einer Steinmauer mit zwei halbrunden Ausbuchtungen begrenzt. Rechts befindet sich ein kleiner Kiosk, der Getränke und einige einfache Gerichte und Snacks anbietet. Jeder der Tische in der ersten Reihe zum Meer hin ist schon um 17 Uhr reserviert, nur die Plätze auf den orangefarbenen „Aperol Spritz“-Stühlen sind noch frei. Ein paar clevere Besucher haben sich Stühle der Bar genommen und sitzen nun in den Ausbuchtungen. Jetzt scheint das übereifrig, aber dreieinhalb Stunden später werden alle sie um ihre Logen beneiden.

Manche sitzen geduldig auf der Mauer und warten auf den Sonnenuntergang Laura Heeb

In der hinteren Ausbuchtung findet sich noch ein Plätzchen auf der Mauer. Die Zeit verstreicht. Nach und nach kommen immer mehr Besucher an, die reservierten Tische füllen sich. Je tiefer die Sonne sinkt, desto näher rücken alle anderen, die keinen Sitzplatz mehr finden können, an die Mauer. Eine französische Familie mit Drillingen und Haus in Sóllerist darunter. Sie kämen seit 14 Jahren jedes Jahr hierher, sagt der Vater.

Das Foto ist das wichtigste

Langsam beginnt das große Knipsen. Jeder posiert, schießt Instagram-Fotos oder filmt lautstark TikToks. Sogar eine Drohne fängt die goldene Stunde vor dem Sonnenuntergang ein. Zwei ältere spanische Damen, eine davon Fotografin, geben entnervt auf und räumen ihren Platz in der dritten Reihe zugunsten der Nachrückenden. Von Ruhe und Romantik keine Spur.

Dann ist der Moment gekommen. Alle Handys sind gezückt, alle starren auf Displays und Sonnenuntergang. Zum Händchenhalten ist keine Hand frei. Und so genießt jeder für sich und genießen doch alle zusammen, wie sich die Sonne gegen den Horizont drückt. Der Barmann dreht die Musik auf, sie übertönt das Geräusch der Zikaden. „Darf ich mal durch?“, „Lächeln!“, „Schau mal!“, rufen sich die Leute zu. Eine ältere Dame erklimmt die Mauer. Alle sind in Bewegung, auf dass all die anderen nicht auf dem Bild zu sehen sind.

Sa Foradada: Eine Dame erklimmt die Mauer für das perfekte Foto Laura Heeb

Als die Sonne versinkt, sieht es kurz so aus, als ob sie noch durch die Wasseroberfläche durchschiene. Inzwischen läuft etwas leiser „Somewhere Over the Rainbow“. Dann beginnen die ersten Besucher zu klatschen. Erst zögerlich, dann entschlossener folgen ihnen die anderen. Erst als der Applaus abebbt, verschwinden die letzten Mobiltelefone in den Hosentaschen. Die Menschen wenden sich ihren Begleitern zu. Die Reihen an der Mauer lichten sich. Alle drehen sich um und kehren dem Meer den Rücken zu. Die Beweisfotos sind geschossen und bereits gepostet.

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