Mallorca Zeitung

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Handy erst ab 16: So begründet eine Elterninitiative auf Mallorca ihre Forderung

Laura Moyà und Xim Fuster haben in kurzer Zeit über 2.000 Mitstreiter um sich gesammelt

Laura Moyà und Xim Fuster setzen sich für ein möglichst spätes Einstiegsalter für Smartphones bei Jugendlichen ein. Nele Bendgens

Dass ein Smartphone kein Spielzeug ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Schon gar nicht für Kinder und Jugendliche, die inzwischen immer früher ein eigenes Handy bekommen, zumeist von ihren Eltern. Verantwortungslos findet das ein Ehepaar aus Palma. „Für die Kinder ist das, wie wenn man ihnen ein Ferrari gibt, obwohl sie noch keinen Führerschein haben“, sagt Xim Fuster, Vater eines zwölfjährigen Sohnes. Gemeinsam mit seiner Frau Laura Moyà kämpft er seit Kurzem dafür, dass Jugendliche ihr erstes Smartphone erst mit 16 Jahren bekommen. Für ihr Anliegen wollen die beiden Mallorquiner möglichst viele andere Eltern gewinnen.

Das Paar ist auf der Insel die treibende Kraft hinter der aus Katalonien auf die Insel geschwappten Bewegung „Una adolescència lliure de mòbils“ (Eine Teenagerzeit frei von Handys). „Wir haben Anfang November einen Artikel über die Initiative in Barcelona gelesen und wollten auf der Insel etwas Ähnliches starten“, erzählt Laura Moyà auf der Terrasse ihrer Wohnung im Viertel Rafal Vell in Palma.

Vom Interesse überrannt

Das Ehepaar schrieb über WhatsApp zehn befreundete Familien an – und rechnete nicht mit allzu großer Resonanz. „Doch wir wurden überrannt von interessierten Eltern, die Nachricht verselbstständigte sich“, erzählt Moyà. Innerhalb eines Tages waren es über 1.000 Familien. Inzwischen sind es in dem sozialen Netzwerk Telegram mehr als 2.200.

„Wir haben gemerkt, dass das Thema viele Eltern umtreibt und wir nicht die einzigen waren. Das dachten wir aber lange Zeit“, erzählt Xim Fuster. Der zwölfjährige Sohn sei nach dem Wechsel in die weiterführende Schule (Instituto) in diesem Herbst das einzige Kind in der Klasse, das kein Smartphone besitze. Der Gruppenzwang sei groß, viele Eltern hielten bis zur 7. Klasse durch, doch spätestens nach dem Ende der Grundschule rückten sie das Smartphone heraus, berichtet Laura Moyà.

Suchtpotenzial: ein Mädchen mit Handy. | F.: BENDGENS

Das Einstiegsalter für ein Smartphone auf den Inseln liegt im Schnitt bei elf Jahren, so eine Studie von UNICEF aus dem Jahr 2021, für die auf den Balearen knapp 3.000 Jugendliche befragt wurden. Und dieser Einstieg erfolgt häufig völlig ohne Vorbereitung und ohne Hinweise darauf, welche Risiken drohen.

Zwar achteten viele Schulen inzwischen darauf, dass die Kinder ihre Handys nicht im Unterricht oder in der Pause nutzen, aber das ist nicht einfach zu kontrollieren, und an vielen Schulen fehlt noch eine Regelung. Auch hier will das Paar Druck machen. Bei einem ersten Treffen mit interessierten Eltern wurden drei Arbeitsgruppen gebildet. Sie beschäftigen sich etwa damit, wie bei den Lehrkräften für eine strengere Handy-Richtlinie geworben werden kann oder welche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse es über die Risiken eines frühen Smartphone-Einstiegsalters gibt.

Ungefilterter Zugang zu Pornografie

Neben dem Suchtpotenzial der sozialen Netzwerke und der immer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne durch das ständige Bombardement an Informationen macht Moyà und Fuster große Sorgen, dass Jugendliche mit ihrem Smartphone ungefiltert Zugang zu Pornografie haben. Laut der UNICEF-Studie haben auf den Balearen 47 Prozent der Jugendlichen zwischen elf und 18 Jahren bereits mindestens einmal Nachrichten mit pornografischen Inhalten auf ihr Smartphone geschickt bekommen.

Das Einstiegsalter für Pornografie liegt demnach bei 13 Jahren. Fast 44 Prozent gaben an, bereits auf Pornoseiten gesurft zu haben. „Die Kindheit und die Jugend heutzutage ist auch aufgrund des Internets und seines riesigen Angebots übersexualisiert“, sagt Moyà. Weitere negative Auswirkungen des verfrühten Handy-Konsums seien Bullying (Mobbing) und Cyber-Bullying.

Nur wenig Kontrolle durch Erziehungsberechtigten

Das Problem, so Moyà und Fuster, sei vor allem, dass 75 Prozent der Kinder und Jugendlichen ihre Smartphones ohne jegliche Kontrolle durch die Erziehungsberechtigten nutzen dürfen – und das, obwohl es inzwischen zahlreiche Apps gibt, die es Eltern einfach machen, nicht geeignete Seiten auf den Geräten ihrer Kinder zu sperren (etwa Qustodio Control Parental, Family Time oder Kaspersky SafeKids oder im deutschen Sprachraum die Saalfeld Kindersicherung oder Jusprog).

Dem Paar ist es sehr wichtig klarzustellen, dass sie nicht für ein komplettes Handyverbot sind. „Wir wollen lediglich das Einstiegsalter möglichst weit hinauszögern“, sagt Laura Moyà. „Uns ist klar, dass unsere Kinder ab einem gewissen Alter ein Smartphone brauchen und später auch viele Stunden täglich am Bildschirm arbeiten werden.“

Und wie verhalten sich die Eltern?

Deshalb sei es auch kein Widerspruch, dass sie sich über soziale Medien und ihr Handy organisieren, um mit anderen Eltern in Kontakt zu treten. „Wichtig ist uns eben, dass wir das Handy nicht am Tisch liegen haben und auch sonst nicht den ganzen Tag am Bildschirm zu finden sind.“ Ein gutes Vorbild durch die Eltern mache schon viel aus. Und wenn, wie das in der UNICEF-Studie auch zur Sprache kam, rund ein Drittel der Familien mit dem Smartphone auf dem Tisch esse, dann laufe eben einiges schief.

Wer mit Laura Moyà und Xim Fuster in Kontakt treten will, wendet sich per E-Mail an: adolescenciasensemobilmallorca@gmail.com oder tritt in die Telegram-Gruppe "Adolescència sense mòbil" ein.

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