Mallorca Zeitung

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Mallorca-Symbol im Niedergang: Wie es ist, von der Rettung der Windräder zu leben

Miquel Ramis führt im Pla de Sant Jordi den letzten privaten Betrieb, der Mühlen restauriert. Für sein Handwerk hat ihn jetzt der Inselrat ausgezeichnet

Miquel Ramis auf einem Windrad, das seine Werkstatt vor rund zwei Jahren restauriert hat. Nele Bendgens

Da denkt man, Mallorcas Windräder eigentlich ganz gut zu kennen, und dann liegt da ein Eisengerüst im Hof der Werkstatt, das so gar nicht ins Schema passt. Der sich zur Spitze hin verjüngende Gittermast ist frisch mit schwarzer Farbe lackiert, weitere Bauteile lehnen daneben an der Wand. Statt an Felder der Insel mit der Tramuntana im Hintergrund lässt die Konstruktion eher an Eisenbahnlinien im Wilden Westen denken. „Modell Chicago“, erklärt Miquel Ramis. So ein exotisches Windrad habe er in seinen 28 Jahren auch noch nicht in seiner Werkstatt gehabt. Ihm seien nur drei solcher Texasräder auf Mallorca bekannt – eines in Son Ferriol, eines in der Gemeinde Muro sowie eben dieses Exemplar aus Vilafranca, das nun wieder flottgemacht werden soll.

Miquel Ramis führt den inoffiziellen Titel des letzten Windmühlenbauers von Mallorca – mit Wehmut und Stolz gleichermaßen. Einerseits hält er als „Letzter seiner Art“ ein traditionelle Handwerk am Leben und widmet sich einem Bauwerk, das seine frühere Funktion in der Landwirtschaft – die Bewässerung der Felder – so gut wie vollständig verloren hat. Andererseits wird seine Arbeit für den Erhalt des Kulturerbes weiterhin wertgeschätzt, von Fincabesitzern wie von Institutionen. Der Inselrat hat ihm gerade den jährlichen, mit 7.000 Euro dotierten Handwerkspreis verliehen.

Es ist nicht die erste Auszeichnung, und sie bedeutet hoffentlich auch neue Kunden. Im Gegensatz zu öffentlichen Subventionsprogrammen zur Restaurierung von Windrädern müssen Ramis und sein Mitarbeiter auch Geld verdienen. „Vor sechs Jahren stand ich kurz davor, den Betrieb dichtzumachen“, sagt der 50-Jährige, „es kamen fast keine Aufträge rein.“ Inzwischen laufe es besser. Aber für einen eigentlich nötigen dritten Mitarbeiter reiche die Auftragslage nicht aus.

l Bauteile aus Mandelholz. Die hölzernen Bestandteile eines Windrads müssen häufig ersetzt werden. Nele Bendgens

Tradition seit 1952

Ramis führt den Betrieb inzwischen in dritter Generation. Er besteht seit dem Jahr 1952, damals gab es noch eine Tischlerei und eine Schmiede, die inzwischen zusammengelegt sind. Schließlich fallen bei der Restaurierung einer Mühle gleichermaßen Eisen- und Holzarbeiten an. Das Gelände von Es Moliner, neben der Manacor-Schnellstraße auf Höhe von Sant Jordi, steht voll mit unterschiedlich gut erhaltenen Bauteilen von Windrädern, für die es nicht nur einen, sondern zum Teil gleich mehrere Begriffe im Mallorquinischen gibt – je nachdem, ob die Mühle in der Gegend von Sant Jordi, von Sa Pobla oder Campos steht.

„Solche Bauteile bekomme ich nicht einfach in der Eisenwarenhandlung“, sagt Ramis. Wenn ein Auftrag hereinkommt, schaut er, welche Komponenten des Windrads noch taugen und restauriert werden können und welche ganz ersetzt werden müssen. Und so fallen die Kostenvoranschläge sehr unterschiedlich aus. Ist ein Windrad in ganz miesem Zustand, müsse man bis zu 40.000 Euro kalkulieren. Bei anderen Aufträgen reiche es dagegen aus, mit der Ölkanne vorbeizuschauen.

Kurbelwellen („cigonyals“) – „kein Schweizer Uhrwerk“, meint Miquel Ramis. Nele Bendgens

Drehen und Pumpen

Zwar prägen die molins de vent, die jedem Mallorca-Urlauber schon beim Anflug auf Palmas Flughafen ins Auge fallen, weiterhin die Landschaft des Pla de Sant Jordi. Das Hinterland der Playa de Palma war ein Feuchtgebiet, bevor es der holländische Ingenieur Paul Bouvy Mitte des 19. Jahrhunderts trockenlegte und zur landwirtschaftlichen Vorratskammer Palmas machte. Hier fingen die molins de vent den Wind ein, setzten die Dreh- in eine Pumpbewegung um, das Wasser floss in ein Becken (safareig) und auf die Felder.

Heute liegen die meisten Felder brach. Bei vielen Windrädern fehlen die Flügel, es ragt nur ein rostiges Skelett aus dem Mauerwerk, oder es sind gar nur noch Ruinen übrig. Es ist inzwischen fast unmöglich, unter den inselweit rund 3.000 erfassten Exemplaren solche zu finden, bei denen sich das Rad noch dreht. Auch die molins de vent auf den Nachbargrundstücken von Ramis’ Werkstatt sind nur noch Schatten ihrer selbst. Der Niedergang liegt dabei weniger lange zurück, als man denken mag. „Ich habe noch gesehen, wie sie sich gedreht haben“, sagt Ramis, „und im einen oder anderen safareig haben wir im Sommer gebadet.“

Der Gittermast gehört zu einem „Modell Chicago“, wie Ramis diesen in den USA verbreiteten Mühlentyp nennt. Nele Bendgens

Waren die Auftraggeber anfangs noch ausschließlich Bauern, sind es jetzt zum beträchtlichen Teil Hoteliers, Restaurantbetreiber oder Fincabesitzer, darunter immer mehr Deutsche oder Schweizer. Im Vordergrund steht oft nur noch die Ästhetik, nicht die Funktionsweise – die so nachhaltige Energienutzung interessiert kaum mehr. Der Grundwasserspiegel im Pla de Sant Jordi sei enorm angestiegen, was sich nicht zuletzt an den jährlichen Mückenplagen in dem Gebiet zeige, so Ramis.

Aus Eisen und Holz

Der Mallorquiner führt durch seine Werkstatt, im Hintergrund macht sein einziger Angestellter mit einer elektrischen Säge ordentlich Krach. Ramis erklärt anhand der überall gestapelten Bauteile die verschiedenen Typen von Windrädern. Unterscheiden lassen sich zum einen die molins de ferro („Eisenräder“) mit Blechflügeln, zum anderen die molins de ramell („Blumenstraußräder“) mit Holzflügellamellen, montiert jeweils auf einen Turm aus Marès und Feldsteinen. Die Bauweise sei genauso raffiniert wie einfach, meint Ramis bescheiden, „das ist hier kein Schweizer Uhrwerk.“

Miquel Ramis mit wuchtigen Bauteilen aus Gusseisen, den „braços del caixó“, die für die Restaurierung bereitstehen. | FOTO: NELE BENDGENS Frank Feldmeier

Da er die Erfahrung gemacht hat, dass sich Besucher seiner Werkstatt wenig unter den einzelnen Puzzleteilen vorstellen können und vor allem die Dimensionen der Konstruktion unterschätzen, führt er ein Windrad in der Nähe vor, das er vor rund zwei Jahren restauriert hat. Ramis verschwindet im Turm und führt den Mechanismus vor, mit dem die Windfahne ausgefahren wird. Statt parallel steht sie nun im 90-Grad-Winkel zu den Flügeln und sorgt dafür, dass sich das Rad um die vertikale Achse in den Wind dreht – wenn dieser denn gerade wehen würde. Allerdings sind auch einige der insgesamt 18 weiß-blauen Flügel derzeit abmontiert, eine Vorsichtsmaßnahme angesichts drohender Winterstürme.

Im Prinzip können starke Böen wenig Schaden anrichten: Ist die Windfahne eingeklappt, positioniert der Mechanismus das Rad parallel zur Windrichtung. Wie wichtig dennoch die regelmäßige Wartung ist, zeigt sich an einem Windrad in Sichtweite. Es wurde zwar im Rahmen des Subventionsprogramms des Inselrats restauriert – der Consell stellt Handwerker und Know-how, der Besitzer das Material –, doch lässt es schon wieder die Flügel hängen. „Bleibt es stehen, oder fällt es um?“, kommentiert Ramis lakonisch. So sehr er sich über jedes Engagement für Mallorcas Windmühlen freut, so zwiespältig sind für seinen Betrieb die öffentlichen Subventionen. Schließlich drohen auf diese Weise, mögliche Kunden verloren zu gehen.

Zukunftsprojekt Windenergie

Neue Aufträge könnte da das Projekt Molins Actius bescheren, an dem auch der Audi-Konzern beteiligt ist. Es sieht vor, Windräder nicht nur zu restaurieren, sondern mit einer E-Maschine aus Elektroautos aufzurüsten, sodass sie in geringem Umfang Energie erzeugen. Derzeit gibt es einen Prototyp bei Son Ferriol – das innovative Projekt ist weiterhin in der Versuchsphase.

Also hofft Ramis weiter auf das Interesse und die Bereitschaft alter und neuer Eigentümer von Grundstücken mit Windrädern, in den Erhalt des Erbes zu investieren. Inzwischen habe er gelernt, dass Klappern zum Handwerk gehöre. Deswegen beteiligt er sich an Ausschreibungen für Preise und füttert die sozialen Netzwerke mit dem Ergebnis der Restaurierungsarbeiten – Mallorcas Windräder haben bei Facebook und Co. keinen schlechten Stand.

Und vielleicht wird es dann auch eine vierte Generation bei El Moliner geben. Seine Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren jedenfalls seien durchaus angetan. Der stolze Vater weiß von ersten Windmühlen-Projekten in Form von Spielzeugbausätzen zu berichten.

INFORMATION 

  • Es Moliner
  • Ma-10, Ausfahrt Sant Jordi, erste Abfahrt links (Diseminado 8721, Sa Casa Blanca, 12)
  • Tel.: 617-31 10 68
  • 8–13 und 14–17 Uhr
  • esmoliner.com

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