Die Wegbeschreibung lautet wie folgt: Folgen Sie dem Carrer Antoni Galmés und biegen Sie hinter dem Supermarkt rechts in einen Weg ein, der über ein brachliegendes Grundstück in Richtung Kreisverkehr am Parkplatz des Aqualand führt. Wenn Sie sich jetzt rechter Hand in die Büsche schlagen, können Sie Reste des Gleisbetts ausmachen, auf dem früher der Zug von Arenal nach Llucmajor fuhr.

„Els camins de Palma“ (Die Wege von Palma) ist kein normaler Wanderführer. In ihm kommen keine traumhaften Tramuntana-Landschaften vor, keine Trockensteinmauern und Mönchsgeier, keine Panoramablicke und Ruhe-Oasen fern der Stadt. Vielmehr erkunden der Journalist Joan Carles Palos und der Historiker Bartomeu Carrió das Umland von Palma – außerhalb der Ringautobahn, aber innerhalb der Grenzen des Stadtbezirks.

Blinder Fleck auf Mallorca

Diese Kulturlandschaft, die ähnlich wie im Fall der Tramuntana die Menschen gestaltet haben, ist eine Art Niemandsland, das Einheimische wie Urlauber eigentlich nur aus dem Autofenster kennen, ein blinder Fleck zwischen dem urbanen Palma, der Küste mit ihren Badestränden und den idyllischen Berglandschaften, eine Gegend, die zudem von der modernen Infrastruktur überlagert und durchschnitten wird. Palmas Ringautobahn als wiedererstandene Stadtmauer, die weiterhin den Blick auf die Peripherie verstellt.

"Wir nehmen nicht wahr, was Palma umgibt“, erklärt Palos die Idee zum Buch. „Diese Gegend mit ihrem materiellen und immateriellen Kulturerbe wollten wir der Vergessenheit entreißen.“ Die „Wege von Palma“ ist somit ein geografischer und gleichzeitig ein historischer Führer, bei dem nicht nur die Landschaft, sondern auch die Vergangenheit durchwandert wird. Die Autoren, die bei der Recherche mindestens genauso viel Zeit zwischen Bibliotheksregalen wie beim Fußmarsch im Umland Palmas verbrachten, erklären nicht nur, was man auf den insgesamt 13 auf Katalanisch beschriebenen Routen sieht, sondern auch, was man früher hier gesehen hätte.

Eisenbahnerbe

Die einstige Zugstrecke Palma–Santanyí ist dafür ein Paradebeispiel. Was sieht man heute noch? Namen von Plätzen und Straßen in Arenal, die an den früheren Bahnhof und die Strecke erinnern. Eine Zugbrücke über den Sturzbach Torrent des Jueus, auf der kein Zug mehr fährt. Ein Trampelpfad auf einer kerzengeraden Trasse, die über eine monumentale Brücke mit sieben Bögen, die Pont de Ses Set Boques, mitten im Niemandsland führt.

Was sieht man nicht mehr? Die Bauern, die hier Ende des 19. Jahrhunderts getrocknetes Poseidongras über den ehemaligen Camí de l’Alga – heute Carrer de Sant Cristòfel – vom Strand auf ihre Felder schafften. Eine Taverne, in der früher die Arbeiter der umliegenden Steinbrüche und die Soldaten der Küstenfestung Enderrocat einkehrten. Das erste Hotel der Gegend mit Namen Tèrminus, das hier bereits im Jahr 1917 eröffnete. Eine Kult-Disco der Boom-Jahre des Tourismus, das Scorpio. Ein Arbeitslager für Häftlinge aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) an der Stelle der heutigen Urbanisation Las Palmeras.

Lieblingsstrecke der Autoren

Die Lieblingsstrecke von Palos ist der Weg durch das trockene Flussbett des Torrent des Jueus – eine versteckte Welt, die sich direkt hinter dem Urlaubshotspot von Arenal auftut. Den MZ-Lesern legt der Co-Autor zudem Son Ferrer de Sant Jordi ans Herz – der Rundweg bei Palmas Vorort Sant Jordi, vorbei an alten Gehöften und Mühlentürmen, Johannisbrotund Mandelbäumen, sei besonders authentisch, handle es sich doch um die ältesten Besitztümer der Gegend.

Authentisch heißt nicht gleich ästhetisch – viele Motive taugen wenig für Instagram. Das Handy kann man also eigentlich zu Hause lassen. Und auch wenn sich Einträge mit den GPS-Daten der Routen auf der Plattform Wikiloc finden lassen, sind diese nicht als Handreichung gedacht, sondern dokumentieren nur die Recherche, wie Palos betont: Die Leser sollen sich ihren Weg anhand der schlichten Karte jeder Route und der Beschreibung selbst suchen, ohne Hilfe der Technik. Die geografischen und historischen Infos sind denn auch nicht nach Kilometern oder GPS-Daten, sondern nach Gehminuten geordnet, die in eckigen Klammern zu Beginn der Absätze angegeben sind. Passend dazu gibt es Hinweise, wie man mit dem öffentlichen Nahverkehr zum Ausgangs- und Endpunkt jeder Route gelangt.

Dass die beiden Autoren mit ihrer Idee den richtigen Riecher hatten, hat sich bereits gezeigt: Gerade erst erschienen, wurde „Els camins de Palma“ zum meistverkauften Titel der Woche des katalanischen Buches in Palma.

Inzwischen gibt es auch den zweiten Band. Konzentriert sich der erste auf Routen im Osten von Palma, zwischen der Playa de Palma und den Gemeindegrenzen mit Marratxí und Llucmajor, gibt es in der Fortsetzung westlich von Palma, vor allem in den Hügeln von Na Burguesa, mindestens ebenso viel zu entdecken. 

Els camins de Palma (Volum primer) Joan Carles Palos, Bartomeu Carrió Trujillano Verlag Lleonard Muntaner Editor 120 Seiten, 13 Euro