Mallorca Zeitung

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Bloß keine Palmen zeigen: Auf Mallorca werden viele Werbespots produziert – der Drehort wird aber meistens verheimlicht

Auf der Insel werden schon seit Jahrzehnten Werbefilme gedreht. Doch die Branche fristet ein Schattendasein. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den kurzen Clips die Insel selten im Mittelpunkt steht. Häufig ist deshalb Einfallsreichtum gefragt

| FOTO: THE SAGE PARTNER

Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man natürlich die Drehorte: den Stadtstrand Can Pere Antoni mit dem Hafen im Hintergrund. Auch die US-amerikanische Ampel täuscht nicht darüber hinweg, dass man sich am Paseo Mallorca befindet. Aber, ganz ehrlich, wer achtet bei Fernsehwerbung schon darauf, wo sie gedreht wurde? Zumal man beim kürzlich veröffentlichten Spot der kalifornischen Marke Manscaped erst einmal ein paar Sekunden damit beschäftigt ist zu verstehen, warum jedem Mann zwei kleinere Gestalten vor den Füßen beziehungsweise vor dem Schritt herlaufen. Es gab schon weniger originelle Werbung für Intimrasuren für Männer.

Dass der Spot auf der Insel gedreht wurde, aber nicht auf der Insel spielt, ist keine Ausnahme. „Nur in den seltensten Fällen wird auf Mallorca gedreht, damit Mallorca zu sehen ist“, erklärt Richard Webb. Der gebürtige Südafrikaner ist der Chef des Palma-Büros der Produktionsfirma 24/7, die den Manscaped-Spot umgesetzt hat. Das Unternehmen, das weltweit über Büros verfügt, ist seit 2018 auf der Insel und mittlerweile im Bereich der Serviceproduktion – also der Organisation und Umsetzung von Dreharbeiten – einer der größten Player auf der Insel.

Große Vielfalt auf kleiner Fläche

Webb, der seit 1999 in Spanien lebt, erklärt, die Insel habe viele Vorteile als Drehort. „Man hat auf kleiner Fläche eine große Vielfalt.“ Strand, Stadt, Berge, Luxusvilla – häufig braucht man von einem Drehort zum anderen keine halbe Stunde. Zudem gibt es die gute Anbindung, die vielen Hotels. Und: Ein Werbespot kann auf der Insel in zwei, drei Tagen gedreht werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es eine gewachsene Industrie im Bereich der Serviceproduktionen gibt.

„Angefangen hat alles in den 90er-Jahren“, erzählt Chencho Coll. Er ist der Vorsitzende des Verbands The Base, dem die meisten Firmen in diesem Bereich angeschlossen sind. Base steht für Balearic Services. „Damals wurden die ersten Investitionen in Studios und Equipment gemacht.“ Es seien vor allem Ausländer – Schweden, Franzosen, Briten – gewesen, die die Insel als perfekte Kulisse für kleine Produktionen für sich entdeckten. Dementsprechend waren die Unternehmen, deren Spots hier gedreht wurden, aus dem Ausland – ein Umstand, der sich bis heute nicht geändert hat.

Die deutschen Werbespots

Der deutsche Markt sei von Anfang an stark gewesen, sagt Coll. „Shampoos von Schwarzkopf, Tiefkühlpizzen von Dr. Oetker, Waschmittel von Henkel – all so etwas wurde früher regelmäßig hier gedreht.“ Schon damals ging es darum, den Drehort zu kaschieren. „Die Devise hieß: bloß keine Palmen“, sagt Coll. Mittlerweile habe sich das ein wenig geändert. Gerade im Luxussegment suchen die Marken zuletzt häufiger einen „mediterranen Look“.

Während vor 20 Jahren vor allem Europa bedient wurde, ist in den vergangenen Jahren ein weiterer Markt für Drehs auf Mallorca hinzugekommen: die USA. Die Produktionsfirma 24/7 setzt schon seit Längerem auf die Verbindungen nach Übersee. „Im Vergleich zu dort sind die Produktionskosten auf Mallorca immer noch günstig“, erklärt Richard Webb. Gleichzeitig biete die Insel viele Gelegenheiten, um Landschaften der USA nachzustellen. „Es gibt hier Strände, die nach Kalifornien ausschauen, und mit ein wenig Mühe kann man Palma auch wie eine US-Stadt aussehen lassen.“

Palmas Altstadt verwandelte sich in einen marokkanischen Markt. | FOTO: FABIAN JOEST

Möglich ist so gut wie alles

Dass es auch noch komplizierter geht, als Palma in New York zu verwandeln, weiß Jacobo Gutiérrez Alonso nur zu gut. Er ist Chef-Locationscout von Palma Pictures, dem dienstältesten Unternehmen in der Branche auf Mallorca. „Wir hatten vor Jahren einen Dreh, bei dem wir zum einen eine Art Brunnen brauchten, in den zur Römerzeit die Sklaven geworfen wurden. Eine weitere Szene sollte die Landschaft des US-Staats Wyoming imitieren. Und ein dritter Schauplatz war eine einsame Insel. Um so etwas umsetzen zu können, kommt es nicht nur darauf an, Zugang zu vielen verschiedenen Orten zu haben, sondern auch mit viel Kreativität an die Sache heranzugehen.“ Die einsame Insel wurde auf der Finca Estadella in Llucmajor nachgestellt, die US-Prärie in der Gegend um Sóller. Häufig komme es darauf an, die richtige Kameraeinstellung zu finden, so der Locationscout.

Wobei nicht alle Auftraggeber immer einen so ausgefallenen Zugang wünschen. Der Deutsch-Mallorquiner Fabian Joest betreibt die Firma Mallorca Specials, die sich neben der Serviceproduktion im Bereich der Serien und der TV-Produktionen auch der Werbeindustrie widmet. „Es kommt auch immer wieder vor, dass sich die Kunden einen klassischen Dreh am Meer wünschen, etwa am Es Trenc. Oder auch auf der Straße nach Sa Calobra. Egal ob Autos oder Motorräder – alles was auf Rädern ist, wurde schon am berühmten Krawatten-knoten gezeigt. Andererseits ist er aber auch einmalig.“

Veränderte Anforderungen

Bis zur Wirtschaftskrise 2008 lebten die Produktionsfirmen auf der Insel fast ausschließlich von Werbung. Danach habe sich das Panorama verändert, sagt Maria Carrera, die Gründerin der Produktionsfirma The Sage Partner. Zum einen seien andere Formate dazugekommen wie die Reality Shows, später auch Serien für Plattformen wie Netflix. Zum anderen habe sich auch der Werbemarkt verändert. „Seither wird kosteneffizienter gedreht.“ Die Ansprüche einer Social-Media-Werbung seien andere als die einer Kino- oder Fernsehwerbung. „Früher hat ein Unternehmen einen großen Spot gedreht, der ein oder zwei Jahre lief. Heute müssen die Firmen viele kleine Spots machen, um am Ball zu bleiben.“ Früher habe man sich die Bildrechte der Schauspieler für mehrere Jahre gesichert, heute häufig gerade mal für ein paar Wochen, ergänzt Coll.

Achtung, Dreharbeiten: Auf Mallorca werden viele Werbefilme gedreht.

Zum anderen setzen die Firmen immer mehr auch auf andere Formate. Im Jahr 2022 etwa lud Amazon Prime zahlreiche Influencer ins Castell de Bellver in Palma ein. Dort wurde zeitgleich zum US-amerikanischen Superbowl die Weltpremiere des Teasers zur Serie „Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht“ gezeigt. „Die Influencer filmten das Event in und teilten es auf Social Media“, erzählt Maria Carrera, die damals die Serviceproduktion übernahm. Das Beispiel macht Schule: „Ich bekomme immer häufiger Anfragen von Firmen, die hier Events drehen wollen.“

Neue Konkurrenz

Doch nicht nur die Anforderungen haben sich verändert, sondern auch die Konkurrenz – und das gleich in zweifacher Hinsicht. Früher sei Mallorcas Hauptrivale auf dem Markt für Werbedrehs Südafrika gewesen, sagt Chencho Coll. „Heute sind viele andere Märkte dazugekommen, vor allem Länder wie Kroatien und Portugal. Aber es gibt auch mehr innerspanische Konkurrenz.“

Die Überfüllung der Insel – insbesondere im Sommer – bereite den Produktionsteams dabei immer mehr Kopfschmerzen, denn die Konkurrenz wisse die Schwachstellen auszunutzen. Nicht nur sei es schwieriger, Drehorte zu finden. Auch die touristische Infrastruktur könne man nur eingeschränkt nutzen, so Coll. Wenn ein Hotelzimmer in Portugal 100 Euro die Nacht kostet, sei dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil gegenüber der Insel, wo die Nacht locker mehr als das Doppelte kosten kann. Da verliert man schnell einen Kunden ans Nachbarland.

Was passiert, wenn Sora da ist?

Zum anderen setzen die Firmen immer mehr auf kostengünstigere computergenerierte Bilder. „Und die Tage des Greenscreens sind gezählt. Denn sobald Sora, das Videotool von ChatGPT in den kommenden Monaten auf den Markt kommt, wird es ein Erdbeben in der Branche geben“, sagt Coll. Das bedeute nicht, dass die Leute nicht mehr auf Mallorca drehen würden. Man werde sich aber an die neuen Begebenheiten anpassen müssen. „Ich glaube nicht, dass die Zuschauer keine echten Menschen mehr sehen wollen“, sagt Coll. Und es werde auch immer einen Markt für aufwendigere Werbefilmproduktionen geben.

Zumal es derzeit nicht danach ausschaut, als ob die Nachfrage nach Drehs auf Mallorca nachlassen würde. „Es ist in den vergangenen Jahren explodiert“, sagt Fabian Joest. In den letzten Jahren seien viele Produktionsfirmen aus dem Boden geschossen. So komme es schon einmal vor, dass man sich in die Quere komme. „Gerade an so beliebten Orten wie der Cala Llombards kann es passieren, dass wir zum Dreh ankommen und da schon Lastwagen einer anderen Produktionsfirma stehen.“ Vor einigen Jahren habe die Konkurrenz dazu geführt, dass Preisdumping betrieben wurde. Dies habe sich in letzter Zeit aber ein wenig gelegt, so Fabian Joest.

Anklopfen bei den Behörden

Die Branche habe sich lange im Hintergrund gehalten, sagt Chencho Coll. „Man wollte nicht weiter stören. Ich glaube den Leuten war gar nicht bewusst, wie viele Werbespots hier auf der Insel gedreht wurden.“ Immer mehr habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieses Schattendasein nicht immer nur zum Vorteil einer Branche ist, die allein im vergangenen Jahr 133 Millionen Euro Umsatz gemacht hat – und die noch nie direkt auf öffentliche Fördergelder angewiesen war.

Auch deshalb wurde im Jahr 2015 der Verband The Base gegründet. „Häufig erleiden wir Kollateralschäden durch andere Industrien auf der Insel, etwa wenn die Zufahrt für schwere Lastwagen in bestimmten Zonen verboten wird“, sagt Coll. Die Politiker fänden es immer super, wenn Filme gedreht würden, machten sich aber selten Gedanken darüber, inwieweit auch die Werbebranche davon betroffen sein könnte. „Deshalb zeigen wir jetzt mehr Präsenz“, sagt Chencho Coll.

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