Warum die Politik auf Mallorca in Sachen Tourismus jetzt auf Kultur setzt – und warum es klappen könnte

Seit dem Regierungswechsel setzt die Politik verstärkt auf Kunst, Musik und Film als Besucheranreiz. Die Pläne sind ambitioniert – Und doch gibt es Anzeichen, dass es diesmal klappen könnte mit dem Kulturtourismus

Größtes Musikfestival der Insel: Das Mallorca Live Festival findet im Juni im Urlaubsort Magaluf statt. | FOTO: JAVIER BRAGADO

Größtes Musikfestival der Insel: Das Mallorca Live Festival findet im Juni im Urlaubsort Magaluf statt. | FOTO: JAVIER BRAGADO / Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Böse Zungen würden sicherlich behaupten, dass man etwas zu kompensieren hat. Denn bei früheren konservativen Regierungen auf Mallorca hatte die Kulturszene nicht immer das Gefühl, von der Politik Aufmerksamkeit zu bekommen. Doch seit dem Wahlsieg der Konservativen 2023 und der Machtübernahme in der Balearen-Regierung, im Inselrat und in der Stadt Palma scheint eine andere Dynamik zu herrschen. „Wir verspüren viel Rückhalt“, sagt etwa eine Sprecherin des im Juni stattfindenden Mallorca Live Festivals, das sich in diesem Jahr erstmals am Balearen-Stand auf der ITB präsentiert.

Eine andere Art Tourismus

Das größte Musikfestival der Insel fand im Jahr 2016 erstmals in Palma statt. Ein Jahr später zog es in den für seine Exzesse bekannten Urlauberort Magaluf – und war damit eine Art Vorreiter für Kulturevents, die mittlerweile versuchen, eine andere Art Tourismus nach Magaluf zu locken. Gleich-zeitig erspielte sich das Mallorca Live Festival einen guten Ruf in der spanischen Festivalszene. 2024 wartet das dreitägige Musikevent mit altgedienten Künstlern wie Pet Shop Boys und Blondie, Kritikerlieblingen wie Jeff Rosenstock und Sleaford Mods sowie Mainstream-Stars wie Aitana oder dem Mallorquiner Rels B auf.

Konzerte für Urlauber

Dass ein solches Programm auch ein Anreiz für Urlaub auf der Insel sein kann, hat die Politik mittlerweile verstanden. Auch sonst kommt der Kultur neuerdings eine wichtige Rolle in der Tourismuswerbung zu. Etwa in der Stadt Palma. Anfang Februar wurde mit der „Palma Concert Series“ erstmals eine Konzertreihe für den Sommer präsentiert, die sich explizit an Urlauber und ausländische Residenten richtet. Auf der Bühne stehen werden im Juli unter anderem James Blunt, Tom Jones und die Simple Minds. Kulturstadtrat Javier Bonet war bei der Präsentation dabei und lobte die Initiative ausdrücklich.

Ausstellung von Pedro Cabrita Reis in der Lonja in Palma.   | FOTO: GUILLEM BOSCH

Ausstellung von Pedro Cabrita Reis in der Lonja in Palma. | FOTO: GUILLEM BOSCH / Patrick Schirmer Sastre

Kunstförderung im Mittelpunkt

Dass Bonet – übrigens der Ehemann von Ministerpräsidentin Marga Prohens – ein Faible für Kultur hat, deutete sich schon kurz nach seinem Amtsantritt an. Zur jährlich Mitte September stattfindenden Kunstnacht Nit de l‘Art gelang es ihm im Eilverfahren, eine Ausstellung des renommierten portugiesischen Künstlers Pedro Cabrita Reis an Land zu ziehen. Die Schau fand in der altehrwürdigen Seehandelsbörse Lonja am Hafen vom Palma statt. Das historische Gebäude war schon in früheren Jahren für Kunstinstallationen genutzt worden, der vorherige Linkspakt im Rathaus aber hatte diese Ausstellungsmöglichkeit vernachlässigt. Bonet, selbst passionierter Kunstsammler, sagte gegenüber der MZ: „Was wir hier organisiert haben, ist nur eine Kostprobe. In den kommenden Jahren werden wir unser Engagement noch deutlich ausweiten, auch was die finanzielle Unterstützung angeht.“

Kulturhauptstadt 2032

Zu den ambitioniertesten Projekten, die auf Bonets To-do-Liste stehen, gehört die Umwandlung des seit rund 15 Jahren leerstehenden Gebäudes des ehemaligen Energieversorgers Gesa in ein Zentrum für Kunst und Kultur. Angesichts der zahlreichen Angebote, in dem denkmalgeschützten Bau fast direkt am Meer Luxuswohnungen oder ein Hotel entstehen zu lassen, ist dies eine deutliche Absichtserklärung. Das Fernziel bei der Umwandlung des Gebäudes gab Bürgermeister Jaime Martínez, ebenfalls ein Kunstsammler, bei einer Pressekonferenz Ende Januar vor: Palma soll mit Hilfe des neuen Kulturzentrums im Jahr 2032 zur Europäischen Kulturhauptstadt ernannt werden.

Leiterin des „Evolution Mallorca International Film Festivals“: Sandra Lipski.   | FOTO: MANU MIELNIEZUK

Aushängeschild für die mögliche Bewerbung zur Kulturhauptstadt: das Gesa-Gebäude in Palma. / F: E.P.

Die internationale Kunstmesse

Auch Bonets Gattin will angesichts des Tatendrangs in der Hauptstadt nicht ins Hintertreffen geraten. Nur wenige Tage nach der Präsentation der Pläne für das Gesa-Gebäude kündigte die Ministerpräsidentin an, eine internationale Messe für zeitgenössische Kunst auf Mallorca ins Leben rufen zu wollen. „Wir haben jetzt eine hervorragende Gelegenheit dazu, da alle Institutionen das Ziel verfolgen, Palma, Mallorca und die Nachbarinseln zu einer Referenz für zeitgenössische Kunst zu machen“, erklärte sie das, wie sie einräumte, ehrgeizige Projekt. Dass eine solche Initiative auch dazu dient, kulturbeflissene Urlauber auf die Insel zu locken, die sich bisher eher von anderen Destinationen angezogen gefühlt haben, versteht sich von selbst.

Das Filmfestival mit voller Power unterstützen

Auch im Inselrat hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Das neue Schlagwort heißt „verantwortungsvoller Tourismus“, und da passt die Kultur – neben dem Sport und der Gastronomie – gut ins Programm. Dass hinter dem Engagement nicht nur Phrasen stehen, bezeugt Sandra Lipski. Im Jahr 2012 schuf sie das „Evolution Mallorca International Film Festival“, das mittlerweile zum größten Filmfestival der Insel avanciert ist. Lipski berichtet, dass man sich schon kurz nach dem Regierungswechsel mit der zum Inselrat gehörenden Fundació Mallorca Turisme zusammengesetzt habe. Von Anfang an sei dort ein aufrichtiges Interesse zu spüren gewesen. „Sie stehen mit voller Power hinter dem Festival“, erzählt die gebürtige Berlinerin, die gerade in den Anfangsjahren immer wieder mit einer gewissen Skepsis oder zumindest Trägheit vonseiten der Behörden zu kämpfen hatte. Davon sei derzeit nichts zu spüren.

Aushängeschild für die mögliche Bewerbung zur Kulturhauptstadt: das Gesa-Gebäude in Palma.   | F: E.P.

Leiterin des „Evolution Mallorca International Film Festivals“: Sandra Lipski. / FOTO: MANU MIELNIEZUK

Auch das Evolution Mallorca International Film Festival, das in diesem Jahr vom 30. Oktober bis 5. November seine 13. Ausgabe feiert, bekommt bei der ITB die Gelegenheit, sich dem internationalen Messepublikum zu präsentieren. Es passt aber auch einfach zu gut zu dem Image als Premium-Kulturreiseziel: Schon von Beginn an setzte es auf ein internationales Programm. Und schon seit Jahren gelingt es Lipski, Größen wie Danny DeVito, Daniel Brühl oder Mads Mikkelsen für das Festival zu gewinnen. Und auch solche, die später zu Stars werden. Etwa die für ihre Rolle als Marilyn Monroe in „Blond“ bekannte Schauspielerin Ana de Armas, die 2014 zu Gast war.

Ein guter Anfang

Es wird sich zeigen, inwieweit die ambitionierten Pläne aufgehen. Auf der Insel hat man schon viele Projekte scheitern sehen. Entweder weil man die Attraktivität Mallorcas über- oder die Insellage unterschätzt hat. Oder weil man vergessen hat, dass dieser Flecken im Mittelmeer trotz der Anbindung, trotz der touristischen Infrastruktur seine eigenen Regeln hat. Insofern ergibt es Sinn, dass man auf „Mallorca Live“ und auf „Evolution“ setzt. Denn beide Festivals sind organisch gewachsen. Ohne große Unterstützung. Sie mussten lange kämpfen. Und sie wissen, worauf es ankommt.

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